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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0212

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ihrer stoffwissenschaftlichen Bildung
wehrt, auch wo das scheinbar zu-
gunsten der formwissenschastlichen
Ausbildung geschehen soll. Zugleich
aber handelt sie damit im Interesse
der Allgemeinheit. Ernst Weber

Die Insubordination der
abstinenten Studenten

»U«ber „Zusammenstöße^ zwischen
-E^i den Rektoren und den abstinen-
ten Studenten in Berlin und Greifs-
wald gibt Hans Paasche im „Vor-
trupp" einen aussührlichen Bericht.
Auf die Einzelheiten möchten wir
hier nicht eingehn, wir wollen nur
das für beide Fälle Typische hervor-
heben. Beidemal auf der einen Seite
der Rektor, der versichert, den Wert
der Abstinenz-Bewegung durchaus
zu schätzen, der sich aber von der
„historischen Berechtigung" der Trink-
sitten nicht freimachen will. Auf
der andern Seite frische Studenten,
die mit Rücksichtslosigkeit ihre Er-
kenntnis von der Verwerflichkeit des
Trinkzwangs praktisch betätigen wol-
len. Im Bewußtsein eines höheren
Rechts als des „historischen" wollen
sie ihre Gesinnung nicht einer Be-
hörde „subordinieren". Der Respekt
vor Seiner Magnifizenz fordert, daß
sie schweigen. Ihr Gewissen, daß sie
reden und handeln. Sie entscheiden
sich für das Gewissen und werden
mit dieser „Insubordination" der
Behörde unbequem, ohne dabei we-
sentlich die Formen der Höflichkeit
zu verletzen. Dafür werden sie „be-
straft". Diese Strafe mag in der
Ordnung, mag sogar nötig gewesen
sein, wir können darüber nicht ur-
teilen. Bedauerlich scheint uns an
der ganzen Angelegenheit nur,daß die
Behörde so wenig den Geist dieser
„Empörung" würdigte, noch dazu in
eben dem Iahr, da wir den großen
Befreiungskrieg feiern, der mit der
Insubordination von Tauroggen be-
gann und der durch die Insubordina-
tionen Bülows, Gneisenaus, Blü-

chers schließlich zur Schlacht bei Leip-
zig gedieh. Wir hätten uns Rek-
toren gewünscht, die zu den Stu-
denten gesagt hätten: „Ihr macht
euch zwar einer Insubordination
schuldig und ich muß euch dafür »be-
strasen«, aber Gott erhalte euch diesen
im Herzen doch respektvollen Insub-
ordinationsgeist! Ich weiß zwar, daß
ihr im Recht seid und daß ich im Un-
recht bin, und am liebsten würde ich
mit euch den Kampf gegen diese
Bierseste führen, aber ein Rektor
ist nun einmal durch sein Amt an
tausend Rücksichten gebunden und
kann sich nicht so leicht freimachen
wie ihr. Wenn ihr so fortfahrt wie
jetzt, so wird's hoffentlich mit der
Zeit in puncto Alkohol anders. Dar-
auf, daß ihr bei Konflikten mit dem
Gewissen nach dem Gewissen handelt,
darauf beruht der Fortschritt zum
Guten. Anterwerft euch auch in Zu-
kunft willig den Strafen, die nun
einmal bei solchen Zusammenstößen
des Neuen mit dem Alten unum-
gänglich sind, aber schlagt sie nie-
mals zu hoch an. Ich brauche euch
hier nicht erst an das Verhalten der
Großen, die euch als Vorbilder hin-
gestellt werden, zu erinnern, bei
denen es mitunter sogar um den
Kopf ging. Also vertraue ich auf
euern gescheiten Kopf und auf euer
natürliches Gefühl, daß ihr stets
wißt, wo eine Insubordination von
der höhern Macht erlaubt und wo
sie unrecht ist." Rektoren, die so ge-
sprochen hätten, aber, versteht sich,
klüger und wärmer, solche Rektoren
hätten nicht bloß als „korrekte Be-
amten", sondern auch als Erzieher
der Iugend ihre Pflicht getan.

Gegen den Mitzbrauch des
Vaterländischen in Jugend-
schriften

Jn Sachen der Kotzde-Scholzschen Agi-
tation

«Bi nter diesem Titel erscheint unge-
^-fähr zu gleicher Zeit wie dieses
 
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