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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1913)
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Avenarius, Ferdinand: Freideutsche Gesinnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0330

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Ausnahmen? Nichts zu wollen, meine Altersgenossen: hier ist eine
Iugend, die sich mit selbstgewählten Führern selber zur Disziplin und
damit zur Freiheit nicht nur zu erziehen vorgibt, sondern tatsächlich
schon erzieht.

G

Hören wir jetzt, wie einer .aus ihr selber zusammenfaßt, „Was wir
wollen". Liner ihrer Führer, B. Lemke, schreibt:

„Auf der einen Seite stand eine Iugend, die nicht zu wissen schien,
worauf sie hinaus wollte — auf der andern lockten Führer heutiger Kultur-
bewegungen, deren Worte ihren Einfluß aus suggestible Gemüter nicht
verfehlen. Es schien, wie jemand bemerkte, nicht ein Iugend -, eher ein
»Kultur«-Tag stattzufinden, bei dem alle Bewegungen, die heute An->
spruch auf »Kultur« machen, sich um die kommende Generation bewarben.
Man konnte das Fürchten lernen vor dieser Kultur — was sage ich: vor
diesen Kulturen, deren jede behauptete, die Kultur zu sein.

War es dies, was sie der Iugend verdächtig machte? Man möchte es
fast meinen. Am folgenden Tage refolvierte sich die Iugend kurz, sie
stellte keine »Richtung« auf, fie legte sich auf keine Bewegung fest,
sie erkannte nur eins an: die unbedingte WahrhafLigkeit als die
Form jeden Strebens. Durch das Maßhalten der Führer, denen es
mit Recht darauf ankam, erst einmal ein Freigebiet zu schaffen,
auf dem Auseinanderfetzungen über die Iugend ihre Stätte
finden könnten, ift ein Riß vermieden worden.

Innerhalb dieses Ringes aber gilt es nun, eine reinliche Scheidung
der Geister herzustellen. Zunächft jene schon berührte zwischen »Kultur«-
strömungen und der Iugendbewegung. Man wird entgegenhalten: »All
dies kann nicht früh genug angebaut werden, wenn es später wirklich werden
soll.« Gewiß, tretet nur damit ein in die Helle der Arena, aber kämpft
mit sachlichen Gründen und nicht mit den unhonorigen Waffen der Äber-
redung. Daraus ergibt sich klar, daß man nicht kommen darf mit Zwecken,
die Fassungs-- und Endscheidungskraft der Iugend übersteigen, wie zum
Beispiel die Rassenhygiene, besonders wenn damit ein dem geläufigen und
biologischen Sinn nicht entsprechender Gedanke gemeint ist^, die Boden-,
Schul-, wohl gar die Ehe-Reform usw. Die bieten gewiß alle sehr dankens-
werte Aufgaben, aber nicht Aufgaben für die Iugend. Ls gibt doch auch
noch außerhalb der Menschheit von sö bis 25 genug Agitationsgebiet, es ist
vielleicht für die Gestaltung der rss vublioL nicht einmal der wichtigste

Teil, an den man sich da wendet: weshalb sucht man jetzt diese Or-

ganisationen auf, die man nicht hervorgerufen hat? Hier will sich die
Iugend allein auf sich selbst stellen. Daß dies möglich ist, hat sie durch
ihre Organisationen bewiesen. Die Idee, in der sie sich einigt, kann
nur eine sein, die ihr schon innewohnte, bevor sie sie auch deutlich
zugrunde legte. Ich behaupte, es ist eben die Idee der Selbst-

erziehung.

Also doch eine besondere, neue Idee? »Neu« kann man sie wohl

* Soviel ich verstand, wurde kein solcher empfohlen. A

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