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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1913)
DOI Artikel:
Schmidt, Leopold: Meyerbeeriana
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0429

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einer denkmalsfrohen Zeit und kargen nicht mit Zentenar- und anderen
Lrinnerungsfeiern — aber der Vertreter des „Iudentums in der Musik"
auf den Schild gehoben und Gegenstand einer öffentlichen Ehrung? Das
scheint den Widerspruch fast herauszufordern, zumal im Gedenkjahre seines
unerbittlichen Bekämpfers Richard Wagner!

Zunächst ist dem gegenüber geltend zu machen, daß'nicht jedes Denkmal
ein Werturteil des lebenden Gefchlechtes zu bedeuten braucht. Auch die
geschichtliche Größe eines Mannes kann durch ein solches Zeichen zum Aus--
druck kommen, und ein Künstler, der wie Meyerbeer — ob mit Recht oder
Unrecht — eine ganze Epoche beherrscht hat, der seinen Nachfolgern in mehr
als einer Beziehung den Weg zu ebnen und einer wichtigen Kunstgattung
neue Formen und Mittel zuzuführen vermochte, der hat wohl ohne weiteres
Anspruch daraus, daß man sein Andenken in Lhren hält. Dazu kommt
aber noch, daß Berlin die Vaterstadt Meyerbeers ist und in ihm einen der
wenigen großen Söhne feiert, die es zu Weltruhm gebracht haben. Unter
den Musikern ist Meyerbeer sogar der einzige Berliner von europäischer
Bedeutung. Mendelssohn, an den man hier denken könnte, ist in Hamburg
geboren; Zelter war nicht mehr als eine Lokalgröße, und selbst Lortzings
Wirken erstreckte sich nie über nationale Grenzen hinaus. Meyerbeer allein
war es vorbehalten, sich die Welt, wenigstens die Welt der Bühne zu erobern.

Ein Blick auf die Zusammensetzung des Komitees lehrt, daß auch sonst der
Gedanke nicht ohne ernste Erwägungen Gestalt gewonnen hat. Man findet
dort nicht nur Namen der Finanzwelt oder Künstler, die dem Meister einstige
Erfolge zu verdanken haben, und nicht nur die staatlichen und städtischen
Behörden sind vertreten, sondern auch die Aristokratie des Geistes. Gerhart
Hauptmann und Hugo v. Hosmannsthal haben sicherlich ihre Unabhängigkeit
von der Zeitströmung dokumentiert, und Männer wie Muck und Richard
Strauß sind gewiß nicht nur deshalb in diesen Ausschuß getreten, weil sie
als Nachfolger im Amte des einstigen königlich preußischen Generalmusik--
direktors die Verpflichtung fühlten. Regte sich in ihnen das Gewissen des
Künstlers, der es auf die Dauer nicht erträgt, unleugbare Verdienste herab--
gesetzt, die geschichtliche Wahrheit entstellt zu sehen? Wir möchten es glauben
und schämen uns ein wenig, daß dieser Standpunkt heute, wo alle Animosität,
alles Parteiinteresse längst rückständig geworden, erst noch besonders betont
zu werden braucht.

Meyerbeer gehört der Geschichte an. Es sind keine künstlerischen Probleme
des Tages, die seine Kunstrichtung berührt. Oder vielleicht doch? Will der
Hader noch immer nicht ruhen, weil diese Kunst den Prinzipien, um die ge-
fochten wird, noch immer gefährlich ist, weil wir uns noch zu sehr in ihrem
Banne fühlen? Fast scheint es, als ob zuweilen Gespenster wie die Nonnen
in „Robert dem Teufel" aus dem Grab steigen und unsere fortschrittlichen
Theorien Lügen strafen. So viel steht fest: was sich von Meyerbeer auf der
Bühne erhalten hat, Pflegt bei entsprechender Darstellung auch auf ein
modernes Publikum seine unwiderstehliche Wirkung zu üben. Es hat den
dämonischen Reiz des Theatralischen nicht eingebüßt.

Schon aus solchen Wahrnehmungen läßt sich schließen, daß die Waffen,
mit denen man Meyerbeer erschlagen wollte, stumpf sind. Man ist ihm ver-
gebens zu Leibe gegangen, oder hat es zum mindesten am falschen Ende an--
gefangen. Vergegenwärtigen wir uns die Vorwürfe, die seit Iahrzehnten
erhoben werden. Da ist zuerst der Vorwurf künstlerischer Unehrlichkeit. Eine
Waffe, ebenso wuchtig wie bequem zu handhaben! Wer will in die Seele
 
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