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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Kohn, N.: Der angebliche Votiv-Altar des Tribunen Scudilo
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0021

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genügen, denn entweder müsste angenommen werden,
dass die Ausmeisselung des Vor- und Zunamens auf
Befehl der Regierung vorgekehrt worden wäre oder es
wäre vorauszusetzen, dass die heidnischen Feinde des
Tribuns sie gewagt hätten. Aber keines von beiden
ist denkbar. Hätte die Regierung die Erinnerung an
den Vorgang mit Gallus der Vergessenheit übergeben
wollen, dann hätte sie nicht die 2., sondern die 6., 7., 8.,
und 9. Zeile ausmeisseln lassen, wo der missliebige
Name des Gallus, verflochten mit seinem Anhänge
erwähnt wird; und wollte man des Tribuns Feinde,
welche seine Glaubensgenossen waren, im Verdachte
haben, dann würde ein derartiges Unternehmen einem
confessionellen Selbstmorde gleichkommen.“ So Herr
Dr. Knabl. — Die Lücken dieser Schlussfolgerungen
sind unverkennbar. Fürs Erste ist nicht gut einzusehen,
inwiefern es einem confessionellen Selbstmorde gleich-
gekommen wäre, wenn die heidnischen Feinde des
Scudilo auf einem von ihm errichteten Altäre nichts
weiter als den Namen tilgten. Zweitens ist der Fall
sehr wohl denkbar, dass die Namenstilgung auf Befehl
der Regierung, allerdings nicht des Constantins, aber
seines Nachfolgers Julian, des Bruders des hingerich-
teten Gallus, erfolgt sein könnte. Drittens müsste es
auffallen, warum das heidnische Monument im Übrigen
völlig unversehrt blieb, wenn neben politischem und
persönlichem Hass aucli religiöser Fanatismus (der
Christen) den Meissei zum Vernichtungswerke in Bewe-
gung gesetzt hätte. — Allein nicht blos diese Deduction
über die Urheberschaft der Namensvernichtung, auch
die Grundlage, auf der sie aufgebaut wird, ruht auf
schwachen Füssen. Herr Dr. Knabl geht nämlich von
der irrigen Voraussetzung aus, die Bezeichnung des
Stifters als cultor numinis ipsius „wäre in jenen Zeiten,
wo das Heidenthum noch zur herrschenden Staatsreligion
gehörte, ganz überflüssig gewesen.“ Dagegen liesse
sich einwenden, dass eben trotz der Sprüchwörtlichkeit
des Lapidarstyls auch auf römischen Inschriften der
besten Zeit sich bisweilen eine gewisse copia verborum
geltend mache. Man denke nur z. B. an die zahlreichen
Grabschriften, wo das Verwandtschaftsverhältniss des
Verstorbenen und Denkmal - Errichters doppelt angege-
ben wird: parentes — filio u. dgl.! Allein die Apposition
cultor numinis ipsius braucht keineswegs als „ganz
überflüssig“ angesehen zu werden. Es ist vielmehr
höchst wahrscheinlich, dass der Stifter sich durch
diesen Beisatz als Mitglied einer sodalitas, eines reli-
giösen Vereins bezeichnen wollte, der speciell den Cul-
tus eines bestimmten Jupiterbildes zum Zwecke hatte.
Denn cultores nennen sich die Mitglieder religiöser
Körperschaften , welche —- in vielen Stücken an die
heutigen katholischen Laienbruderschaften erinnernd
gemeinsame gottesdienstliche Verrichtungen und gegen-
seitige Unterstützung in gewissen Fällen: Bestreitung
der Leichenkosten u. dgl. zum Zwecke hatten. Die
blossen Citate aller heute bekannten Inschriften, wo
sich solche Sodalitäts - Genossen als cultores bezeich-
nen, würden eine Quartseite füllen. Hier soll nur zum
Beweise, dass derlei Körperschaften auch bei Jupiter-
tempeln bestanden und deren Mitglieder sich cultores
nennen, auf die nachfolgenden Inschriften bei Orelli
hingewiesen werden: Nr. 938, 1246, 2333, 2390,
2391, 3045, 5618, 5650, 7415. Um aber den Sprach-
gebrauch von cultor in dem angedeuteten Sinne auch

speciell an Denkmälern der Steiermark nachzuweisen,
mögen hier zwei Widmungsinschriften des von Pettau
nur wenige Meilen entfernten Cilli angeführt werden.
Die eine lautet: genio Anigemio cultores eius v. s. 1. m.
(Muchar, Gesell, des Herz. Steierm. I. Bd. S. 353); die
andere : Mercurio Aug. Julius lucifer sac. et cultor eius
(Orelli Nr. 2394).
An erster Stelle als© nennt unsere Inschrift, wie
wir gesehen haben, die Gottheit, der die Widmung gilt;
an zweiter Stelle macht sie mit der Persönlichkeit des
Stifters und dessen Lebensverhältnissen vertraut. Zum
Schlüsse bezeichnet sie ausdrücklich — was eigentlich,
da der Gegenstand selbst sieh der Wahrnehmung dar-
bietet, überflüssig ist und daher bei derlei Inschriften
in der Regel wegbleibt — den gewidmeten Gegenstand
(„ara“). Einen zweiten Pleonasmus erlaubt sie sich —
hierin ähnlich der Votiv-Inschrift Nr. 1948 bei Orelli
— durch Beisetzung des Praenomen demonstrativum
(.,istam“). Der Bezeichnung des Gegenstandes voran
schickt sie die Angabe der Veranlassung zur Widmung.
Gruter, der hier „proficiscens ad opprimendam fac-
tionem Galli“ lesen zu müssen glaubte, erinnerte sich
offenbar jener oben erzählten tragischen Geschichte des
Cäsar Gallus, deren eine Scene sich eben zu Pettau ab-
gespielt hatte. Allein die Wiederauffindung des Steines
im Jahre 1818 gab Gelegenheit zu constatiren, dass
hier nicht von einer factio Galli, sondern, wie schon
Lazius gelesen hatte, von einer „factio gallicana“ die
Rede sei. Obgleich nun die Bedeutung des Adjectivs
gallicanus-a-um im Sinne von gallicanisch, gallisch aus
den besten Schriftstellern « geläufig ist, während eine
derartige Adjectivbildung des Eigennamens Gallus etwas
Ungewöhnliches wäre, so glaubten Muchar und Knabl
dennoch den einmal geltend gemachten Zusammenhang
unseres Denkmals mit der Geschichte des Constantius
Gallus festhalten zu müssen. Um aber die so nahe lie-
gende Beziehung auf einen Aufstand Galliens oder in
Gallien als unzulässig zu erweisen, unternimmt Herr
Dr. Knabl den Nachweis, dass unsere Inschrift mit
keiner der historisch bekannten gallischen Aufstände
in Einklang zu bringen sei. Wer sich der wiederholten
Anstrengungen Galliens zur Wiedererlangung seiner
Freiheit und der seit den Tagen des Gallienus abwech-
selnd geglückten und misslungenen Versuche römischer
Feldherren erinnert, in diesem Lande die Herrschaft mit
Hilfe der Legionen an sich zu reissen, wird sich die
Schwierigkeit eines solchen Nachweises kaum verhehlen.
Anstatt aber die einzelnen gallischen Schilderhebungen
in Bezug auf unser Denkmal kritisch durchzumustern,
greift Herr Dr. Knabl, auf gut Glück möchte man
sagen, einige derselben heraus: den Aufstand der Tre-
virer und Äduer unter Tiberius, den Bauernaufstand
der Bagauden, die Erhebung des Silvanus und — in
den Nachträgen zu seinen Inschriften - Publicationen —
den Aufstand des Magnentius. Die grosse nationale
Erhebung unter Civilis, die Usurpationen der Kaiser-
würde auf gallischem Boden durch Posthumus, Victorinus,
Marius, Tetricus u. A. übergeht er mit Stillschweigen.
Und selbst in Betreff jener Aufstände, die er in Betracht
zieht, lässt sich Herr Dr. Knabl an dem Nachweise
genügen, dass es nicht ein Mann vom Tribunenrang
gewesen, der mit ihrer Niederwerfung betraut war. —
Wo aber liegt der zwingende Grund, überhaupt anzu-
8 Cicero Catil. 2. 3. 5 ; Quint. 4. 15; Catul. 42. 6; Appul. Met. 10.
 
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