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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Hohenlohe-Waldenburg: Noch einige Worte über die Siegel der Wildoner
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Dehio, Georg: Ein Beitrag zur vergleichenden Ornamenten-Kunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0315

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272

Ohne das Original genau geprüft zu haben, wage ich
nicht zu entscheiden, ob diese Gestalt eine männliche
oder weibliche ist; im ersteren Falle wäre es ein Por-
trät-Siegel III. B. 2, 6., meines sphragistischen Systems,
im anderen ein Wappen-Siegel III. C., mit Schildhalter, i)
Der Helmschmuck möchte jedenfalls als Federn zu blaso-
niren sein. Die decorative Anbrin-
u b gung des Wappenbildes an der
Bank, entspricht dem bereits oben
bei Fig. 5 erwähnten Gebrauche.
Dass Ulrich und Herrand (Fig. 6)
steiris che Truchsesse waren,
während Hertnid Marsch all, ist
nicht auffallend, denn zwei Hofämter
wurden öfters von Mitgliedern ein und derselben Fa-
milie geführt; so waren z. B. die von Chunring österrei-
chische Marschälle und Schenken, und ebenso die von
Tanne herzogliche und kaiserliche Truchsesse und
Schenken.
Zu Fig. 13. Dieses Sig. II. B., der Margarethe von
Wildon, von 1302—1328, ist nach Form und Bild merk-
würdig. Viereckige Siegel sind sehr selten; da aber Ulrich
von Liechtenstein und dessen Sohn Otto, sowie Hartnid
von Stad eck, auch Siegel von dieser ungewöhnlichen
Form führten, so scheint dieselbe in der dortigen Ge-
gend damals besonders Mode gewesen zu sein. Auch
der Christuskopf ist auf dem Siegel einer weltlichen
Person sehr ungewöhnlich, und möchte auf den Wittwe-
stand der Sieglerin hindeuten. Dieser Kopf erinnert
sehr an den auf dem bekannten Deutschordens - Siegel
in Wien aus der Mitte des XIV. Jahrhunderts.
Was endlich die Frage der Blasonirung des Wildon’-
schen Wappens betrifft: ob „Lindenblatt“ oder „See-
blatt“, so bin ich der unmassgeblichen Ansicht, dass
die Blätter ursprünglich die des in unserer deutschen
Heraldik des Mittelalters so beliebten Lindenbaumes wa-
ren. Für diese Annahme sprechen die Siegel Fig. 2, 3,
4 und 8, und theilweise Fig 5, 6 und 10; besonders


aber auch die in der Note 15 erwähnten Zeichnungen,
auf welchen das Blatt einen „Stengel“ hat, sprechen
entschieden dafür. Dass auch noch im XV. Jahrhun-
dert diese Blasonirung angenommen wurde, bezeugt der
Fig. 1 mitgetheilte Grabstein Leutold’s, welcher s. Z.
doch wohl dem ursprünglichen Originale nachgebildet
worden ist. Dagegen ist auf den Siegeln Fig. 9 und 12
das Wappenbild von der bekannten heraldischen Form
eines s. g. Seeblattes.
Das heraldische „Seeblatt“, welches allerdings
auch schon im XIII. Jahrhundert vereinzelt auf Siegeln
vorkommt i), unterscheidet sich von dem viel häufiger
verwendeten Lindeublatte durch den meist kleeblatt-
förmigen, hier aber mehr lilienförmigen Ausschnitt oder
Durchschlag an seiner Basis. 2) Die heraldischen See-
blätter wurden bisweilen abgerundet, ohne Spitze,
wie hier unter Fig. 2 a angegeben, abgebildet, was be-
kanntlich manche ältere Heraldiker zu der irrigen
Blasonirung als Hirsch- oder Schröten-Hörner verleitete.
Auch für das untere Beschläge einer Schwertscheide,
was die Franzosen bouterole nennen, wie Fig. 2 b abbil-
den, wurden die Seeblätter mitunter angesprochen.
Dass ursprüngliche Linde n blätter tlieils aus
Missverständniss, tlieils zur Verzierung in manchen
Wappen nach und nach in S e e b 1 ä11 e r metamorpho-
sirt worden sind, ist nachzuweisen. Aus der mir unbe-
kannten Genealogie der Wildoner würde ßieli vielleicht
ergeben, ob die Veränderung des Wappens, — der
ursprünglichen drei Blätter in das spätere Eine, eine
besondere Bedeutung hatte und welche. Und vice versa
könnten wohl auch die Siegel der Wildoner dem Ge-
nealogen bei seinen Forschungen über dieses Geschlecht
gerade dadurch weitere Anhaltspunkte bieten, da es
nicht unwahrscheinlich, dass auch hier, wie so häufig,
die veränderte Zahl der Wappenbilder als heraldisches
Beizeichen zur Unterscheidung der verschiedenen
Linien angewendet worden ist.

1 Über Schildträger und Schildhalter im XIII. Jahrli., auf Siegeln und
Denkmälern, vergl. meine sphragistischen Aphorismen Kr. XXVII his XXXI
im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 1870, Nr. 3.

1 Vergl. das Siegel Ulrichs von Vreienstein von 1285, bei Hanthaler
1. c. Tab. XLVir, Fig. IX.
3 Vergl. meine sphragistischen Aphorismen Nr. LIX und I.X, im An-
zeiger des Germanischen Mu eum’s, 1872, Nr. 8.

Ein Beitrag* zur vergleichenden Ornamenten-Kunde.
Von Dr. Georg Dehio.
Mit 6 Holzschnitten.

Die vergleichende Methode hat für die Geschichte
der Formensprache dieselbe Bedeutung wie für die Ge-
schichte der Wortsprache. Wenn durch die verglei-
chende Linguistik die Schwesterwissenschaft so unend-
lich vorausgeeilt ist, so ist eine dey vornehmsten Ursa-
chen wohl die, dass die Überreste aus der Vorgeschichte
der bildenden Kunst unvergleichlich geringer an Zahl
und örtlich weit zerstreut sind. Immerhin lässt sich das


Material zur vergleichenden Ornamentkunde, ohne dass
man seine Hoffnung durchaus von neuen Funden ab-


Fig. 1 b.
hängig zu machen brauchte, schon durch ein vollstän-
digeres Sammeln des hie und da Vorhandenen, in seiner
Vereinzelung scheinbar nichtssagenden, sehr erheblich
vermehren. Nun wird aber gemäss der Beschaffenheit
 
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