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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Ilg, Albert: Ein Haus-Altärchen von altspanischer Lederarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0012

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Ein Hans-Altärchen von altspanischer Lederarbeit.
Von Albert Ilg.
(Mit einer Tafel.)


Alte gravirte oder gepresste Lederarbeiten, welche
künstlerischen Werth besitzen, kommen nicht mehr so
allgemein vor, dass es nicht lohnend schiene, ein
hervorragendes Werk dieser Glättung Kunst-Industrie
durch Bild und Beschreibung dem Leser vorzuführen.
Es dürfte dasselbe zur Veröffentlichung in diesen
Blättern um so geeigneter sein, als es sich in Form
und Zweck den grösseren monumentalen Arbeiten der
mittelalterlichen Kunst anreiht; es ist ein portatiles
Altärchen, wie solche im Hause oder auf Reisen beliebt
waren, und aus den mannigfachsten Stoffen, Elfenbein,
Metall oder Holz, häufig gefertigt wurden. So enthält
der herrliche Schatz des Weifenhauses eine bedeutende
Anzahl von tragbaren Altären, und zwar der roma-
nischen Periode. Es sind das aber Ersatzstücke des
Messtisches, des Opferaltares selbst, mit einer Stein-
platte an der oberen Fläche des Kästchens, auf welche
der Kelch gestellt wurde. Von anderer Art und Bestim-
mung dagegen sind jene Hausaltärchen, welche wir
hier im Sinne haben: sie dienen nicht zur Verrichtung
des Messopfers, sondern bloss zu der privaten Andacht;
es sind, wenn man diese Classification acceptiren will,
eigentliche Gebet-Altäre wie jene Opfer-Altäre. Ahmen
die letzteren die Mensa nach, indem ihnen die Sarko-
phagform verliehen ist und an den Seitenflächen ähnlich
den Antependien Friese von Bildwerk in gepresstem
Metall oder auch von Email herumlaufen, während das
Innere eine Reliquie birgt, so schliessen die ersteren
sich an denjenigen weiteren Theil des grossen Kirchen-
Altars an, welcher an ihm gleichfalls nicht liturgisches
Erforderniss, sondern ein Schmuck zur Hebung der
würdevollen Erscheinung des Ganzen, zur Weckung
der Andacht des Beschauers ist, — an den oberhalb
des Altartisches angebrachten bildlichen Zierath.
Hiemit ist nun auch schon die Form des Gegen-
standes gegeben. Seit dem frühen Mittelalter bereits
kannte man die Weise, den oberen Theil des Altares
in jener Form zu gestalten, welche wir heute mit dem
Ausdruck: Flügelaltar bezeichnen. Schon der Mönch
und Kunstschriftsteller Theopliilus in der Frühzeit der
romanischen Epoche spricht von den Thürchen oder
XVIII.

Flügeln (ostiis tabularum) der Gemälde oder sonstigen
Bildwerke an den Altartafeln, aber es ist bekannt, dass
diese Form schon bei den Alten vorkommt, was aufge-
fundene Malereien in den verschütteten campanischen
Städten dargethan haben. Gerade so wie die Anbringung
eines so beschaffenen, durch seitliche Flügel oder Klap-
pen hergestellten Verschlusses der Hauptdarstellung in
alten Zeiten vor allem den Zweck hatte, diesen hervor-
ragendsten Theil des Ganzen vor den Unbilden äusse-
rer Beschädigungen zu schützen, so besass dieselbe
Anordnung auch für die kleinen Haus- und Reise-Altär-
chen ihre besonderen Vorzüge. Nur während der Ver-
richtung der Andacht den Blicken blossgestellt, befand
sich das Mittelbild sonst unter der schirmenden Be-
deckung der Seitentheile und somit beim Transporte
zugleich verwahrt und verpackt wie in einem Behälter.
Von dieser Art ist ein überaus schöner, in Elfenbein
sculpirter, vergoldeter und bemalter Reise-Altar des Re-
naissance-Zeitalters im Besitze des Klosters St. Florian,
derzeit ausgestellt im österreichischen Museum in Wien.
Dasjenige Stück, welchem vorliegende Abbildung
und Besprechung gewidmet ist, besitzt zwar ein
weniger werthvolles Material, zeichnet sich aber in
seiner Art gleichfalls durch bedeutenden Kunstwerth
aus. Es kam bei der Versteigerung der GselFschen
Sammlung in den Besitz des Museums. Wir lassen,
unter stäter Hinweisung auf die hier beigegebene Tafel,
die Beschreibung des interessanten und zugleich sel-
tenen Objectes im Nachstehenden folgen.
Das Ganze hat die Form eines 2 Zoll 9 Linien
tiefen Kästchens, dessen oberer Theil oder Deckel
(oder gemäss der Aufstellung als Altar, dessen Vor-
derseite) HP/a Zoll Breite und beinahe dieselbe Höhe
(10" 10'") misst. Bei geöffneten Flügeln erreicht die
ganze Breite 1 Fuss 9 Zoll 4 Linien Wr. M. Die
Fläche der Hauptdarstellung kann an einer, oben
angebrachten Charniere aufgehoben werden, wodurch
ein 1 Fuss 8 Zoll tiefer Raum in der Vertiefung auf-
gedeckt wird, welcher wohl zur Aufbewahrung von
Andachtsgegenständen, etwa Rosenkränzen, Amuletten
oder dgl. gedient haben mochte. Das Ganze ist von
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