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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Kerschbaumer, Anton: Die Restaurirung der alten Drei-Königs-Capelle zu Tulln
DOI Artikel:
Beneš, František Xaver Josef: Zur Restauration des Prager Doms
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0324

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wandern angethan und mit koketten Kronen geschmückt,
tragen aber alle die Miene des Entsetzens, denn ein be-
waffneter Engel jagt sie dem Reiche des Satans zu, der
die erste der thörichten Jungfrauen trotz ihres Sträubens
in Empfang nimmt. Der Satan mit seinen vielen
Genossen zeigt grosse Freude über den Zuwachs in
der Hölle, aus welcher das Feuer herauslodert. Einer
der nach den mittelalterlichen Anschauungen phan-
tastisch dargestellten Dämonen sitzt auf einem Thiere
und trägt eine Kette um den Hals. Ober ihm krönt ein
kleiner Kobold eine klagende männliche Figur spöttisch
mit einer Dornenkrone, wahrscheinlich als Gegenstück
zu dem nebenan befindlichen allegorischen Bilde, welches
die Krönung der Gerechtigkeit darstellt. Ober den
thörichten Jungfrauen stehen die biblischen Worte: „Ite
maleclicti iii ignem eternam“. Unter diesen Bildern zieht
sich eine Bordüre mit typologischen und phantastischen
Figuren (wie Einhorn, Drache, Löwe, Hirsch u. dgl.).
Auch die Darstellungen in der Apsis passen zu dem
ganzen Bildercyclus. Im Abschlussgewölbe sieht man
Christus in der Mandorla sitzend, die Fiisse auf den
Regenbogen stützend , zu beiden Seiten Maria und
Johannes. Ein Engel reicht Christus das Buch des Le-
bens und das Richterschwert bin, während auf der an-
deren Seite ein Engel dem Richter das Kreuz vorhält,
als wollte er umwillen des Erlösungswerkes Barm-
herzigkeit erbitten. Zu oberst schwebt der heilige
Geist als Taube auf blauem Grunde.
Ober dem Triumphbogen ist der Kampf des Erz-
engels Michael mit dem Teufel dargestellt; der letztere

erscheint als geflügelter Drache, dem der Engel die Lanze
in den Radien stösst, als wollte er jeden Eintretenden,
der zuerst dieses Bildes ansichtig wird, warnen und an
die Worte der heil. Schrift erinnern : „ Der Teufel geht
herum wie ein brüllender Löwe und suchet, wen er ver-
schlinge. Wachet also, denn ihr wisset weder den Tag
noch die Stunde.“ (1. Petrus 5 , 8. — Matthäus
25, 13).
Die Contouren all’ dieser Figuren wurden ursprüng-
lich mit braunrother Farbe kräftig gezeichnet und dann
mit der betreffenden Farbe ausgefüllt, worauf man die
Details zeichnete. Die ehemalige Farbenpracht und reich-
liche Vergoldung konnte zwar nicht wieder hergestellt
werden, doch sind die Bilder mit gewissenhafter Bei-
behaltung des alterthümlichen Kunstcharakters zur all-
gemeinen Zufriedenheit restaurirt worden.
Von nun an wird in der Dreikönigscapelle das heil.
Grab in der Clianvoche errichtet und in der Allerseelen-
woche das heil. Messopfer dargebracht werden. Möge
dadurch das Andenken an die Verstorbenen geehrt, der
Glaube der Lebendigen aber geweckt und genährt wer-
den ! Möge die Stadt Tulln sich der restaurirten Dreikönigs-
eapelle freuen, da sie an derselben ein durch Kunst und
Alterthum doppelt werthes geschichtliches Ehrendenkmal
besitzt. Viele Jahrhunderte sah der Karner, dieses Wahr-
zeichen der Stadt, an sich vorüberziehen, aber keines hat
sich seiner mit einer so allgemeinen und freudigen Opfer-
willigkeit angenommen, wie das jetzige.

Zur Restauration des Prager Domes.

In diesem Jahre hat die Restauration des ehrwür-
digen St. Veitmünster bedeutende und erfreuliche Fort-
schritte gemacht, doch war das erfreulichste Ereigniss,
dass der Dom wieder der Feier des Gottesdienstes
übergeben wurde. Mit Freuden wurde das Weihfest des
schönen gothischen Hochaltars begriisst, welcher viel-
leicht nicht so vollendet und edel dastünde, wenn des ver-
storbenen Weihbischofs Peter Krejci freigebige Hand
nicht jene grosse Summe hergegehen hätte (25-000 fl.),
um Kranner’s meisterhaften Entwurf durchzuführen und
jene von ihm entworfenen, durch Maler Sequens mit den
Abbildungen der Landes-Patrone decorirten und im
schönen Email durchgeführten sechs Reliquiare, aus-
führen zu können. Wir sahen den Chorbau renoviren und
mit florentischen rothen und vlasimer weissen Marmor-
platten schachartig belegen, die Canäle für die künftige
Gasbeleuchtung legen, die gefahrdrohenden Gewölbe ob
der S. Anna, Johannes und Waldstein’sehen Capelle ab-
nehmen und neu ersetzen. In der S. Anna-Capelle kam
man unter der dicken Kalkkruste auf eine alte W an Öl-
malerei. Die vorkommenden, etwa 4' hohen Figuren,
stellen die Propheten, Cherubims, den Erlöser und Maria
vor, und doch sind sie jünger, als man Anfangs dachte.
Vorerst muss die für den Landesausschuss be-
stimmt gewesene Gallerie weggeschafft werden, ehe man
zur näheren Würdigung dieser Wandmalereien wird ge-
langen können. In der sogenannten Philipp und
Jakobs- Capelle, nun dem heil. Johann v. Nepomuk
geweiht, fanden sich die Gewölbrippen polychromirt:

Oker, Menning und Bergblau. Die Gewölbflächen waren
blau und so wie in Karlstein mit foliirten Glassternen
besetzt, die mittelst Stifte auf geharztem Grunde befestigt
waren. Leider kam man bei der eingehenden Unter-
suchung der Capellengewölbe und ihrer Widerlager
auch auf die Pfeiler des Hochschiffes. Man unterzog sie
einer eingehenden Prüfung und fand ihren Kern unver-
lässlich, ja bei einem dieser Pfeiler einen bis in den
Grundbau gehenden Sprung. Dieser hatte zur Folge,
dass alle Durchgänge des Pfeilerbaues in der Em-
pore ausgefüllt und vermauert wurden, wodurch der
Zugang zu den Königs-, Bischofs- und Architektenbüsten
unmöglich geworden. Wer diese näher besehen will, dem
stehen die Fensterlücken offen, um durch sie in die ge-
trennten Umgangsparzellen zu gelangen.
Auch wurde durch die Freigebigkeit des Dom-
probstes Adolf Würfel der Achtermann’sche mar-
morene Kreuzaltar in Rom angekauft und hier im Monate
August durch den Künstler selbst aufgestellt.
Die florentinische Gothik dieses Altars passt frei-
lich zu der ernsten Gothik unseres Domes nicht.
Was den gegenwärtigen Eindruck, welchen der
Dom in seiner unvollendeten, inneren Restaurirung auf
den Eintretenden hervorbringt betrifft, so ist dieser un-
befriedigend , unschön!
Die öden Mauern, beleuchtet durch den reichen
Lichtstrom der hohen breiten Chorfenster, von welchen
nur drei en geissail gehalten, sind nicht geeignet, einen
namhaften Effect hervorzurufen — wirken nüchtern auf
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