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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Ilg, Albert: Fund in Grado
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Ilg, Albert: Aus Anlass der vollendeten Renovirung des Stephansthurmes
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0101

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Jahre 568 dieBasilica in Grado verschönerte. Laurentius,
Johannes und Nicephorus, sind wie aus der Inschrift
hervorgeht, nicht Namen von Heiligen, sondern jene
der Spender, indem rededdid botum zu lesen ist red-
didit votum.

Ich möchte zu Vorstehendem noch die flüchtige
Bemerkung machen, dass die Form des runden Gefässes
sammt der inneren Eintheilungsehr an die antiken capsae
für Schriftrollen, sowie an die etruskischen cistae er-
innert.

Aus Anlass der vollendeten Renovirung des Stephaiisthurmes.
Yon Albert Ilg.

In diesen Tagen sind die letzten Gerüstbalken von
dem Hauptthurme unserer ehrwürdigen Kathedrale ent-
fernt worden, den durch eine Beihe von Jahren ein
Panzer von Iiolzwerk vom Fasse bis zur Spitze umgeben
und den Blicken entzogen hatte. Verjüngt und doch
wieder der alte, steht, nun der herrliche Bau vor uns,
eine fachkundige Bestauration, — eben deshalb allein
werthvoll, weil hier die moderne Kunst in edler gebo-
tener Selbstverläugnung völlig auf ein Neuschaffen von
Ideen und Formen verzichtete und ihren Buhm lediglich
in der allerstrengsten Nachfolge des alten Vorbildes
suchte, — die neue Kunst mit ihren vielfach vorge-
schrittenen technischen Mitteln hat das bedrohte Kleinod
Wiens erhalten und gerettet. In diesem Sinne , in dem
die Wiederherstellung unseres Stephansmünsters in der
That ein bedeutendes Erreigniss in der Kunstgeschichte
Wiens heissen darf, hat die Entfernung der letzten
Gerüsttheile etwa die Bedeutung für den Thurmbau,
welche dem Fallen der Hülle an einem Monumente bei-
gemessen wird.
Die Restaurirnng des Stephansdomes ist ohne Zwei-
fel das bedeutendste künstlerische Unternehmen in der
neuen Baugeschichte Wiens. Man wird in vielen Kreisen
heutzutage dieses Wort nicht verstehen, häufiger noch
belächeln als die verrannte Einbildung eines Alterthums-
krämers und der Gegenwart und ihren Bewegungen ent-
fremdeten, ihnen gegenüber verständnisslosen Kopfes.
Man wird auch viel zu wenig Spectakel und Aufsehen
erregendes Wesen an dieser emsigen Erneuerungsarbeit
bemerkt haben, als dass-man wirklich so hohe Bedeutung
in ihrem Vorgänge erblicken möchte; ging doch alles so
still und geräuschlos seinen Gang. Man wird endlich ein-
wenden, dass eine blosse Wiederherstellung des Alten
ja eigentlich ke'ne Arbeit zu nennen sei, welche den
Geist, Styl und die eigenthümliche charakteristische
Kunstweise gerade des XIX. Jahrhunderts repräsentirt.
Dennoch aber dürfte eine spätere Epoche eher im
Sinne der „Alterthumskrämer“ als im Styl der von
Selbstruhm trunkenen Tiradenmacher der Gegenwart
urtheilen, welchen das Ideal der Kunst Ringstrasse
heisst und die jede chinesische oder indische Fratze
lieber zum Hausgötzen der modernen Kunst erklären,
ehe sie den ernsten Genius der alten vaterländischen
Weise aus seinem Grabe beschwören und ihm die Pena-
tenstelle am Herde des deutschen Hauses einräumten;
welchen in einseitiger Weise das Wort Renaissance den
Triumph und das wahre Lebenselixir der modernen
Kunst bezeichnet, die aber selbst in dem fremden Wesen
dieser sogenannten Wiedergeburt wieder nach Möglich-
keit nicht jene Richtung einschlagen und für die Kunst
der Gegenwart als Vorbild aufstellen, deren Ursprung
und Charakter ein deutscher ist, nicht die heimische

Renaissance der Dürer und Holbein, sondern ausschliess-
lich die wälsche anbeten; welche sich, ohne den Hohn
zu ahnen, mit Gemüthsruhe dadurch blamiren lassen, dass
wir, in die leere äussere Hülle des Griechenthums oder
der italienischen Kunstwelt gesteckt, uns so betrüblich
ausnehmen, da unser ganzes Wesen vielmehr nur Frack
und Uniform ist, und im Chiton der elassischen Kunst-
umgebung sich nur lächerlich darstellt.
Wenn einmal die Zeit vorüber ist, da mittelalterlich
und finster und mönchisch und kindisch-naiv-unbehilflich
für identisch gilt, wenn dieses der wissenschaftlichen
Bildung unserer Epoche längst unwürdige Vorurtheil
überwunden ist (denn jener Wahn stammt aus einer
gewissen tendenziösen Phraseologie, nicht aus der Wis-
senschaft, welche vielmehr die Lichtseiten jener hohen
Culturperiode, als welche wir das Mittelalter erkennen
müssen, gleich jeder anderen nach Billigkeit an den Tag
gebracht hat), — wenn der Rausch verflogen ist, in
welchem ein künstliches fremdes Gekoche, der Trank der
modernen Renaissance, welcher von dem griechischen
Bodensätze mit dem Spiritus der humanistischen Wissen-
schaft abgezogen ist, fiir köstlicher galt, als Deutsch-
lands alter Rheinwein, dann dürfte man die Architektur
der Ziegelkolosse mit der abgedroschenen fremden, sinn-
und verständnisslosen Decoration, jenen sein sollenden
Monumentalbau, der sich des elendesten Materials
bedient und am liebsten fabricationsmässig gelieferte
Dutzendornamente sich aufklebt , jenes aus hunderterlei
fremdem EigenthumzusammcngestohleneNeue, das frei-
lich leider der Charakterlosigkeit der Zeit in so vielen
andern Beziehungen entspricht, — dann dürfte ein
kommendes Geschlecht,das Beste, vielleicht das allein
Gute, was unsere Baukunst geschaffen, möglicherweise
gerade nur in jenen Schöpfungen erblicken, welche aufs
treueste, ehrlichste und selbstloseste die Wunderwerke
der Vergangenheit herstellten und so dem Verderben zu
entreissen suchten.
Wenn wir so sprechen, hören wir im Geiste schon
die grosse Menge Zeter schreien wider uns. Wir haben
aber gar nicht in positiver Weise Tadel über diese oder
jene moderne Bestrebung einer Wiedergeburt der Bau-
kunst aussprechen wollen, gar nicht sagen wollen, es
ist ein Irrthum, diese oder jene Stylrichtung aufs Tapet
zu bringen, denn es gibt hier keinen Irrthum, vielmehr
muss alles kommen wie es kommt, damit sich das Allein-
richtige schliesslich entwickeln könne. All’ diese Phasen
und Werdestationen haben offenbar den Werth jedes
genetischen Processes: sie führen zu einem Ziel. Sie
haben einen relativen Werth, den die blinde Gegenwart
freilich für einen absoluten halten mag. In Wahrheit
jedoch wirken all’ diese Entwicklungserscheinungen,
diese Phasen ästhetisch nicht angenehm, wie alle Ver-
 
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