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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

DOI Artikel:
Grueber, Bernhard: Die Kunst des Mittelalters in Böhmen, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0327

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284

Die Kunst des Mittelalters in Böhmen.
Von Bernhard Grneber.
Fortsetzung.
(Mit 35 Holzschnitten.)

Einzelne Kirchenbauten, ohne schul-
mässigen Charakter.
Die bisher geschilderten Baugruppen lassen je für
sich eine gewisse stilistische Zusammengehörigkeit er-
kennen; und es ist nicht schwer, innerhalb einer jeden
Gruppe die allmähligen Umwandlungen zu verfolgen.
Neben und zwischen diesen Gruppen machen sich ein-
zelne Denkmale von durchaus unabhängiger Stellung
bemerkbar, welche, meist dem Zeitalter des Königs
Wenzel II. (1278 — 1305) angehörend, eine abgeson-
derte Besprechung erfordern.
Die beiden Kirchen in Bene schau.
Beneschau (Benesov) bei Konopist scheint durch
die Herren von Bechyne angelegt und mit städtischen

Kechten begabt worden zu sein. Die Pfarrkirche unter
dem Titel des heiligen Nicolaus ist ein sehr interres-
santes Gebäude, wenn auch kein Theil desselben über
die Mitte des XIII. Jahrhunderts hinaufreicht. In den
Errichtungsbüchern des Prager Domstiftes kommt die
Kirche im Jahre 1384 bereits als Dechantei-Kirche vor.
Das Langhaus ist dreischiffig, 50 Fuss lang, eben
so breit und wird auf beiden Seiten durch je zwei recht-
eckige, oft überkleckste Pfeiler unterstützt. Mittelschiff
und Chor halten eine lichte Weite von 25 Fuss ein, wo-
bei das Presbyterium sanunt dem aus fünf Seiten des
Zehnecks construirten Abschlüsse und mit Inbegriff der
4 Fuss starken Triumphbogenmauern 40 Fuss tief ist.
Der Chor trägt durchaus den Charakter der Übergangs-
Gothik, an den Knäufen der Wandpfeiler sieht man
Thierverschlingungen und korinthisirende Ornamente,


an den angeblendeten Säulen eines kleinen Portals
kommen Knospen-Capitäle und mit Eckblättern ausge-
stattete Säulenfüsse vor.DieseKirche ist auch merkwürdig,
weil sie das schönste aus der Zeit des Kaisers Karl IV.
stammende Altarblatt und eine der ältesten Glocken
Böhmens besitzt. Diese beiden Kunstwerke sollen der
vom Prager Domprobste Tobias von Beneschau gegrün-
deten Minoriten-Kirche angehört haben und bei dem
grossen durch die Taboriten 1420 veranlassten Brande
auf unbekannte Weise gerettet worden sein. Gegen-
wärtig bietet das ziemlich abgelegene und verwahrloste
Kirchenhaus keinen erfreulichen Anblick; es ist durch
Flickereien und Übertünchungen nach und nach so ent-
stellt worden, dass selbst der fleissige P. Vlasäk, wel-
cher in der Zeitschrift Pamätky archeologicke a misto-
pisne, II., Seite 289, die Stadt Beneschau mit ihren
Kirchen ausführlich bespricht, die herrliche im Presby-
terium angebrachte Ornamentik übersehen hat.

Über das Alter der vom Domprobst Tobias von
Beneschau gestifteten Minoriten-Kirche, deren Ruinen
etwa zweihundert Schritte von der Pfarrkirche entfernt
liegen, machen sich zwei verschiedene Ansichten geltend,
welche auf dem zufälligen Umstande beruhen, dass
zwei Domherren dieses Namens aus Beneschau hervor-
gegangen sind und sich um das Kloster verdient ge-
macht haben. Tobias I. wirkte als Domherr , Dechant
und Propst von 1233 -— 1260, Tobias II., Domherr, von
1320—1317. Dieser letztere, dem Stamme der Be-
chyne angehörend, trat seine Güter Beneschau und
Konopist an die Herren von Sternberg ab, und widmete
zugleich einen grossen Theil seines Vermögens dem
jungen Minoriten-Kloster, so dass er als dessen zweiter
Stifter anzusehen ist. Aus diesem Grunde versetzen
F r i n d und Schlesinger die Anlage der Klosterkirche
in das vierzehnte Jahrhundert, während Dobner,
H a m merschmied, B e r g h a u e r , Schall er und
 
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