Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

DOI Artikel:
Ilg, Albert: Ein byzantisches Madonnenbild
DOI Artikel:
Lind, Karl: Ältere Grabmale in Nieder-Österreich
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0057

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
44

kleid trägt sie einen braunrothen, ursprünglich wohl
purpurnen Stoff, welcher bis an den Hals hinaufreicht,
darüber ist ein dunkelblauer Mantel geschlagen und
drapirt auch Kopf und Stirne in Art eines Schleiers.
Dort wo er den Kopf umzieht, ist er von einer rothen
Bordüre eingefasst. Dem Unterkleide gleicht das Gewand
des Christuskindes. Alle Faltenzüge sind durch goldene
Linien gegeben, die grösseren Lichter an den Knieen
etc. in Form goldener rhombenartiger Flecken. Der Zug
der Falten ist sehr einförmig, gerade, in noch antiker
Schlichtheit gehalten.
Das heilige Kind segnet die Andächtigen vor dem
Bilde, in der Linken hält es eine Schriftrolle, die blau
und goldgestreift dargestellt ist, wie Cimabue’s Christus-
kind in der Tafel im Louvre. Am merkwürdigsten
scheint mir wohl der Kopf, welcher mit dem dichten
kurzen Kräuselhaare von brauner Farbe, der sehr hohen
und kräftigen Stirn und dem gespannten Ausdrucke
eines Beobachtenden ganz auffallend an römische Por-
trätbüsten erinnert. Den glatten Goldnimbus ziert ein
braunes Kreuz. An den Füssen des Kindes sehen wir
keine Schuhe, jene Maria’s sind von lichter Bosenfarbe
und mit Gold gestickt.
Alle Carnation hat einen gelblichfahlen Ton mit
olivengrünen Schatten, die Körper entbehren der Mo-
dellirung, die Hände mit ihren steif gebogenen, langen
und dünnen Fingern sehen mager und kraftlos aus.
Neben demHaupte der Jungfrau schweben die Halb-
figuren zweier kleiner Engel, unten ganz gerade abge-
schnitten. In symmetrischer Übereinstimmung gehalten,
ist jeder in ein blaues Unterkleid und rothen Mantel
gekleidet. Ihre Fittiche von brauner Farbe sind gross
und geschwungen, um die Köpfe leuchten Aureolen, in
den Händen hält jeder eine braune Kugel und ein
Scepter. Eine Inschrift, sonst so häufig an byzantini-
schen Bildern der Deipara, fehlt unserni Werke.
Bei der Bestimmung byzantinischer Arbeiten ist es
nicht nöthig, nach Analogien zu suchen und auf solche
behufs des Vergleiches hinzuweisen, denn es steht uns
eine ganz feste Kegel, eine bestimmte Vorschrift zu
Gebote, auf welche das vorliegende Werk gleich zahl-
reichen seiner Brüder nur einfach zurückbezogen zu
werden braucht. Diese Canones enthält bekanntlich die
Hermeneia und auch für unsern Fall hat dies reichhal-
tige Buch das gehörige Capitel, die betreffende Aufgabe,
als deren Lösung auch dieses Gemälde zu betrachten ist.
Haben wir daher auf die vom Geiste der byzantinischen
Kunst, formell wenigstens, noch so tief durchdrungenen
Schöpfungen Cimabue’s hingedeutet, so ist die Beziehung

gleichwohl nur eine beiläufige und gibt es unter den
eigentlichen byzantinischen Malereien viel übereinstim-
mendere Beispiele. Zwar haben wir dort ebenfalls eine
Verehrung der Himmelskönigin durch Engel, doch
passen jene Cimabue’sehen Compositionen mehr zu der
Vorschrift, welche das Malerbuch Ttäa«
überschreibt, in dem Capitel von den rr,g
(§. 400). Die hier gegebene Auffassung der Jungfrau
dagegen entspricht dem Capitel: Ildü? hropl^sTai rovp-
auloc hxArtrj'ia. (jj. 439), wo es heisst: „Mache die Hei-
ligste auf einem Throne sitzend und Christum als kleines
Kmd haltend, und über sie schreibe diese Inschrift:
Mutter Gottes, erhabener als die Himmel. Und zu ihren
beiden Seiten mache die zwei Erzengel Michael und
Gabriel etc.“ Eine Inschrift ist auf diesem Bilde aller-
dings, wie bemerkt, nicht zu sehen, das übrige jedoch
stimmt zu jenem Satze des Malerbuches. Von den im
§. 452 gesammelten Beinamen der Heiligen würde auf
die Bilder Cimabue’s der Titel: „Königin der Engel“
passen, während unsere: „die grösser ist als der
Himmel“ heisst. Die Erscheinungen der beiden Engel
auf unserem Gemälde bezeichnet sie in der That als
Erzengel, denn diese sind u. a. auch in Frescomalereien
des Klosters Iviron am Berge Athos dargestellt als
unbelielmte Krieger, mit der Kugel in Händen. Endlich
wollen wir nicht übersehen, dass Maria der griechischen
Ikonographie gemäss beschuht gemalt ist, da nackte
Füsse eine Auszeichnung der Göttlichkeit sind, welche
nur den Personen der Trinität, den Engeln und Aposteln
zukommt. Alles Übrige an der Gestalt der Madonna
stimmt vollkommen mit dem in §. 447 der Hermeneia
geschilderten Idealbilde.
Uber Alter und Entstehungszeit des Werkes ein
Urthed zu liefern, masse ich mir nicht an. Es hat nicht
den gebräunten Ton, den die Anbringung eines harzigen
Firnisses an den byzantinischen Tafelmalereien hervor-
gebracht haben soll, sondern ist klar und freundlich.
Das Cypressenholz des Bretes trägt Spuren von Alter,
es ist theilweise morsch und wurmstichig. Die Malerei
selbst haftet auf Leinwand, welche auf das Bret geklebt
wurde. Unser Bild befand sich ursprünglich in der Nähe
Neapels an einem abgelegenen Orte, kam in die Samm-
lung Campana und nach deren Zerstörung in den gegen-
wärtigen Besitz. Somit haben wir es wohl mit einer grie-
chischen, auf italienischen Boden gefertigten Arbeit zu
thun. Die Zeitbestimmung gehört gerade bei diesen Ar-
beiten beinahe zum Unmöglichen, eben weil ihnen allen
derselbe, Jahrhunderte alte Canon zu Grunde liegt.

Ältere Grabmale in Nieder-Österf eich.
Von Dr. Karl Lind.
(Mit 3 Holzschnitten.)

Im Kreuzgange nächst der Dom- (ehemaligen
Stifts-) Kirche zu St. Pölten, einem keineswegs als
Bauwerk interessanten Gebäude, befinden sich gegen-
wärtig nur mehr sieben Grabmale, davon eines ganz
besonders die Aufmerksamkeit des Beschauers fesseln
dürfte.
Dieses Monument, 9*/a Fuss hoch und 4 Fuss breit,
besteht aus zwei Theilen, die ihrer Bestimmung nach
in der gegenwärtigen Aufstellung nicht zusammengehö-

ren. Der untere grössere Theil mag die Deckplatte
einer Tumbe, wofür auch der Umstand spricht, dass
derselbe nicht abgetreten ist, der obere kleinere viel-
leicht ein Seitentheil einer solchen gewesen sein. Auch
ihrer Entstehungszeit nach mögen beide Steine ver-
schieden sein, und spricht der Charakter der Figuren
für das etwas höhere Alter des unteren Theiles, der
zu Anfang des XIV. Jahrhunderts entstanden sein dürfte,
während der obere Theil aus dem auf der nachträglich
 
Annotationen