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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Kohn, N.: Der angebliche Votiv-Altar des Tribunen Scudilo
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0019

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Der angebliche Votiv -Altar des Tribunen Scudilo.
Von Dr. N. Kohn.

Im Jahre 351 n. Chr., am 5. März, erhob Kaiser
Constantius seinen Vetter Gallus aus langjähriger
Haft zur Cäsaren würde und tibergab ihm die fünf Diö-
cesen des „Orient“ zur Verwaltung. Es währte nicht
lange, so legte der Cäsar seine völlige Unfähigkeit zur
Regierung an den Tag. Eine schwächliche Natur, verlor
er durch den plötzlichen Umschwung seines Schicksals
allen moralischen Halt. Von seiner Gattin, des Kaisers
Schwester, einer wahren Furie, aufs schlimmste bera-
then, schaltete er in allen Stücken wie der zügelloseste
Tyrann. Antiochia, wo er residirte, wimmelte bald von
Angebern und Spionen, die jede zweideutige Äusserung
dem Cäsar hinterbrachten. Hochverraths-Processe und
in Folge derselben Hinrichtungen, Verbannungen, Ver-
mögens-Confiscationen waren an der Tagesordnung.
Constantius, dem die wilden Streiche des Gallus, durch
wohldienerische Günstlinge übertrieben, zu Ohren
kamen, fasste Misstrauen wider den von ihm lange Jahre
misshandelten Cäsar. Diesen Argwohn fachten die Eunu-
chen, deren Spielball der Kaiser war, zur hellen Flamme
an, als Gallus sich selbst an den höchsten Würden-
trägern des Staates zu vergreifen wagte. Sobald Con-


Fig. 4. (Tragwein.)

stantius, im Jahre 354, der Wirren des Occidents
Meister geworden war, lasste er den Entschluss, den
Cäsar zu beseitigen. In geheimen und nächtlichen Unter-
redungen berieth er sich, wie Ammianus erzählt, mit
seinen Vertrauten, in welcher Weise sein Plan am
besten ins Werk zu setzen sei. Er hielt es schliesslich
für das Ungefährlichste, den Cäsar unter der Maske
der Freundlichkeit in seine Gewalt zu bringen. Con-
stantius, in der Verstellung Meister, schrieb nun Brief
über Brief an den Vetter, worin er diesen in den freund-
lichsten Ausdrücken seines Wohlwollens versicherte
und dringend ersuchte, eiligst nach Mailand zu kommen;
ein wichtiges Geschäft heische seine Gegenwart. Die
Täuschung zu vollenden, lud der Kaiser auch seine
Schwester, die Gemahlin des Cäsar, unter den liebe-
vollsten Schmeicheleien zu sich, als brenne er vor
Begierde sie wieder zu sehen. Allein es war ein schwe-
res Stück Arbeit, den in Folge der traurigen Erfahrun-
gen seiner Jugend zu Misstrauen neigenden Cäsar in
die Falle zu locken. So mancher Abgesandte des Kai-
sers musste unverrichteter Dinge wieder heimkehren.
Endlich fand Constantius im Tribunen Scudilo das
geeignete Werkzeug seines Planes. Scudilo, unter
dem Scheine eines plumpen Wesens ein Meister
schlauer Überredung, verstand es durch allerlei
Vorspiegelungen den lange zwischen Kühnheit
und Verzagtheit schwankenden Cäsar zur Reise
an den Hof zu bestimmen. Zu spät erkannte
dieser, dass er sich wehrlos den Händen des
Kaisers überliefere, der wiederholt gezeigt hatte,
dass er vor Verwandtenmord nicht zurückbebe. In
dem Maässe, als man sich den Gränzen Italiens
näherte, steigerte sich die Kälte, mit der ihn seine
Begleitung behandelte. Unter dem Scheine eines
Ehrengefolges sah sich der Cäsar aufs strengste
überwacht. Es war ihm nicht einmal möglich, sich
mit den Garnisonen der Städte, durch welche man
reiste, in Verkehr zu setzen. Unter beständigem
Drängen zur Eile und häufigem Wechsel der Ge-
spanne kam man endlich zur Nachtzeit in Peto-
vio (Pettau) an. Hier war der ausserhalb der Stadt
liegende Palast bereits von Truppen umstellt, auf
deren Treue der Kaiser unter allen Umständen
rechnen konnte Man hielt also List und Verstellung
nicht weiter nötliig. Gallus wurde aller fürstlichen
Abzeichen entkleidet, musste den kaiserlichen
Reisewagen mit einer Privat-Kutsche vertauschen
und wurde so nach Istrien geführt. Dort, in der
Nähe von Pola einige Zeit in Haft gehalten, wurde
er schliesslich auf Befehl des Kaisers wie ein
gemeiner Verbrecher enthauptet (Ammianus Mar-
cellinus 1. XIV, XV; Aurelius Victor, de Caes.
c. XLII, epit. ibid.; Eutrop. 1. X; Zonaras 1. XIII;
Zosimus 1. X. c. 45, 55).
Nach dieser knappen, aber streng quellen-
mässigen Darstellung der Geschichte des Cäsar
Gallus gehen wir auf ein inschrifiliches Denkmal
über, das nach der heute herrschenden Meinung
nicht blos Zeitgenosse, sondern ein redender
Zeuge der eben erzählten Begebenheiten sein soll.
 
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