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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Benndorf, Otto; Hirschfeld, Otto: Vorläufiger Bericht über eine archäologische-epigraphische Reise in Dacien
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Ilg, Albert: In Betreff des Strassburger Wandteppichs
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0378

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lieh von dem wichtigsten Bestand in kurzer Zeit Kennt-
niss zu nehmen. Ausser einigen figurenreichen Grab-
monumenten und einer grösseren Serie von Votivreliefs
und Bronzestatuetten erregte namentlich eine Samm-
lung von Goldschmuckgegenständen, geschnittenen
Steinen und Silbersachen unsere Aufmerksamkeit. Von
den letzteren sind sechs antike Barren, deren Inschriften
nach Mittheilungen Safäfik’s von Mommsen (C.I.L. III.
add. 6331) veröffentlicht sind und ein schon um des
metallischen Werthes willen hervorragender Fund von
über 20 Gefässen und Utensilien, darunter eine elegante
Schale mit bachischen Reliefs hervorzuheben.
An den meisten Orten, die wir besuchten, Hessen
sich von unbekannten Monumenten Abgüsse, Abdrücke,
Photographien oder Zeichnungen gewinnen und wurde
überhaupt für eine möglichst vollständige beschreibende
Aufnahme des Vorhandenen Sorge getragen. Es konnte

auf diese Weise annähernd ein Überblick über die
Kunsttliätigkeit einer römischen Provinz erzielt werden,
welcher trotz des künstlerisch untergeordneten Werthes
und des meist beklagenswerthen Zustandes des zufällig
Erhaltenen Nutzen zu gewähren verspricht. Eine nähere
Mittheilung der epigraphischen und archäologischen
Ergebnisse wird demnächst erfolgen. Wenn wir dieselben
im Ganzen als nicht unbefriedigend bezeichnen können,
so danken wir das vorzüglich dem liebenswürdigen Ent-
gegenkommen, das wir überall auf unserer Reise ohne
Unterschied der Nation oder des Standes gefunden
haben, und wir empfinden es als eine angenehme Pflicht,
für alle Förderung, die uns zu Tlreil wurde, auch öffent-
lich unserer Dankbarkeit Ausdruck zu geben.
Prag den 3. December 1873.
Otto Benndorf\ Otto Hirschfeld.

In Betreff des Strassburger Wandteppichs.

Ich habe in diesen Mittheilungen, Jahrg. 1872,
pag. 40—48, den Bilderschmuck des Pressburger Wand-
teppiches zu erklären versucht und erlaube mir im Zu-
sammenhänge und in Übereinstimmung mit dem dort
Gesagten Folgendes als nachträgliche Erweiterung der
gegebenen Erklärung zu bringen. Aus S imrock ’s
Handbuch der deutschen Mythologie, pag. 461 ff, ersehe
ich, dass auch von der Volkssage und Literatur dem
wilden Manne die Rolle des Hüters wilder Thiere zu-
getheilt wird. In mehreren Märchen sind es Hasen und
Füchse, sonst aber auch wilde Bestien, gewöhnlich in
einem von Eisengittern umschlossenen Gartengehege
gehalten, in dessen Mitte ein vom wilden Mann bewach-
ter Baum steht. S imrock zeigt, dass mit diesem Baume
der Weltbaum, die wunderbare Esche Ygdrasill gemeint
ist, sowie der dabei befindliche Brunnen, im Iw ein als
gewittererregender Quell, im Märchen vom lebenden
Wasser als Zauberborn geschildert, der heilige Urdaquell
sein muss; er zeigt'ferner, dass diese Persönlichkeit des
Vieh hütenden wilden Mannes uns zuerst in den Ge-
stalten des wachhabenden Hüters in den eddischen Lie-
dern Skirnisför undFiölswinnsmal begegnet, wobei auch
der heilige Baum und die Hunde der Hirten nicht fehlen.
In der flammenden Umzäunung des Wafurlogi ist
aber der Scheiterhaufen und somit im weiteren Sinne
die Behausung des Todes und die Unterwelt zu denken,
welcher Thatsache der Volksglaube entspricht, dass vor
dem Reiche der Unterwelt eine Viehweide liege. Sim-
rock gibt Beispiele aus Fastnachtspielen des XVI. Jahr-
hunderts und Volksmärchen. In dem lateinischen Liede
vom Bischof Heriger heisst es von der Hölle, sie liege
hinter einem dichten Walde (densis undique silvis), der
von wilden Thieren angefüllt sei und die ein wilder
Mann hüte. Denselben wilden Hüter wilder Thiere fin-
den wir ferner im genannten Iwein Hartmann’s von Aue,
Vers 403—517.

Fassen wir dies zusammen, so ergibt sich für das
Verständniss des Gegenstandes ein tieferer Einblick,
ein Bild einer tiefsinnigen Phantasie. Wir haben dem-
zufolge also einen uralten nationalen, poetischen Sagen-
stoff, dem selbst mythologische Bedeutung innewohnt,
vor uns, den das Märchen des Volkes verkündete und
beliebte Dichter der ritterlichen Zeit für ihre ergreifenden
Gesänge gewählt hatten. Aus beiden Quellen musste er
der vornehmen Gesellschaft auch noch in der Entste-
hungsperiode unseres Teppiclies geläufig sein und konnte
dann auch in zeitgemässer Weise moralisirend verwen-
det werden. Aus diesem Zusammenhänge aber wird
uns noch deutlicher als aus den Charakter-Eigenschaften
der einzelnen dargestellten Thiergattungen ihre zum
Theil böse Bedeutung klar, denn sie sind Geschöpfe der
Unterwelt. Dass diese wilden Männer und Hüter der
wilden Thiere hier jedoch die hässliche Waldschraten-
Figur abgelegt haben und feine Jüngelchen geworden
sind, wird weiter nicht wundern und den Zusammen-
hang mit Obigem auch nicht lösen können; der Grund
ist in der Abhandlung bereits angeführt: wir haben,
was dies betrifft, eine modehafte Aus- und Umbildung
des volkstliümlichen Sagenstoffes vor uns, weil, wie es
scheint, die Maske des wilden Mannes eine in den ge-
nannten Ständen beliebte gewesen war.
Zum Schlüsse füge ich noch hinzu, dass mir nun
erst das Bildwerk auf einem Grabdenksteine an unserer
Stefanskirche erklärlich ist. An der Stirnseite dieses
Domes befindet sich nämlich auf dem Grabmale des
Endres Wolf von Ober-Volkach, der 1568 starb, eine
Viehweide mit einem Brunnen, darüber das jüngste Ge-
richt dargestellt. Wieder ein neuer Beweis, wie innig
die Sage des Volkes und die alte Kunst desselben im
Zusammenhänge stehen.
Alb. Ilg.
 
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