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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Semper, Hans: Donatello, seine Zeit und Schule, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0264

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Donatello, seine Zeit und Schule.
Von Dr. Hans Semper.
(Fortsetzung.)

II. Handelsgeseliichte von Florenz bis zum
Beginn des XY. Jahrhunderts.
Da wir im Vorigen sahen, wie wreit die Ideen des
Beeiltes und der Freiheit in dem wilden Strudel des
bürgerlichen Lebens im mittelalterlichen Florenz ent-
wickelt wurden, so sei es unsere nächste Aufgabe, die
Entwicklung dieser Stadt in Industrie und Handel,
den Quellen des Wohlstandes und also den Fundamenten
von Wissens eliaft und Kunst zu untersuchen.
Der materielle ebenso wie der politische Aufschwung
von Florenz fällt zusammen mit dem Beginn der päpst-
lichen Uebermacht, d. h. in die Zeit, da die Markgräfin
Mathilde Theile Toscana/s an den päpstlichen Stuhl
schenkte, und Heinrich IV. sich vor dem mächtigen
Gregor VII. in Canossa beugen musste. Dies geschah
im Jahre 1074. Erst um diese Zeit begannen sich die
kaufmännischen Unternehmungen der Florentiner auf
die andern Länder Europas, sowie nach dem Orient
auszudehnen. Florenz war m der Ausbreitung seiner
Beziehungen bedeutend beeinträchtigt durch seine Lage
im Innern des Landes; deshalb waren ihm verschiedene
italienische Städte, die am Meere lagen, in der mercan-
tilen Entwicklung schon längst vorausgeeilt und musste
sich auch jetzt Florenz mit der nächstgelegenen See-
stadt Pisa ins Einvernehmen setzen , um Transport-
mittel für seine Waaren zu finden.
Am frühesten unter den italienischen Handels-
städten war Venedig emporgediehen. Mit Fischfang
und Salzproduction fing sein Handel an; dann lieh es
seine Schiffe den Griechen des Exarchates, unterstützte
Byzanz im Kriege gegen die Sarazenen und Longobar-
den und erhielt dadurch seine Unabhängigkeit garantirt,
sowie Privilegien für den Handel mit dem Orient. Auch
von Karl dem Grossen, den es bei der Einnahme von
Pavia unterstützte, ward ihm seine Freiheit bestätigt.
Bis zum Jahre 1172 dauerte Venedigs Freundschaft mit
Byzanz. Damals verweigerte Venedig demKaiserManuel
Komnenos Unterstützung gegen den König Wilhelm von
Sicilien, weshalb ihm seine Schiffe in Byzanz confiscirt
wurden. Zur Bache nahmen im Jahre 1202 die Vene-
zianer unter dem Dogen EnricoDandolo Constantinopel
im Sturme, errichteten dort das lateinische Kaiserthum,
und bemächtigten sich der besten griechischen Provin-
zen. Der Hauptvortheil dieser Eroberung war für den
Handel die Verpflanzung der Seidenzucht nach Ita-
lien, eine Industrie, die nach Byzanz und Griechenland
unter Justinian durch List aus Persien ein geführt wor-
den war.
Durch Genua’s Eifersucht wurde im Jahre 1261
das byzantinische Kaiserreich wieder hergestellt, worauf
sich Venedig anfangs nach Syrien, und als auch dieses
verschlossen ward, nach Ägypten und nach Tunis
wandte.
Byzanz war im frühen Mittelalter der Markt für
das Morgen-und Abendland, sowie für den germanischen
XVII r.

und slavischen Norden. Ausserdem bezog das Abend-
land die morgenländischen Producte auch noch in
Syrien, Alexandrien etc. Zugleich fanden die abend-
ländischen Producte in diesen Gegenden ihren besten
Absatz. Vom Oriente bezog man Seide, Gewürze, Edel-
steine, Elfenbein und tauschte dagegen Wollen-, Leinen-
stofle, sowie Eisen-, Holz- und Lederwaaren des Nor-
dens ein. Auf diese Weise entstand in Constantinopel
der grösste Geldmarkt des frühen Mittelalters, und
darum suchten die italienischen Handelsstädte mit sol-
cher Erbitterung und Eifersucht sich gegenseitig den
Orient zu versehliessen. Venedig lebte fast ganz nur
vom Trafik und bezog seine Manufacturen theils von
der Lombardei, theils von Deutschland, das sogar eine
eigene Factorei in Venedig besass.
Die heftigste Bivalin Venedigs war Genua. Beide
strebten nach dem Monopol des orientalischen Handels.
Als das lateinische Kaiserreich in Constantinopel wieder
fiel, beging Genua denFehler, seine Stellung zu lange in
Byzanz behaupten zu wollen, während unterdessen Pisa
und Venedig in Syrien und Ägypten fast allen Handel an
sich rissen, so dass Genua später dortkeinen festenFuss
mehr fassen konnte. Später verlor es auch seine Stel-
lung im schwarzen Meer durch Venedig.
Eine andere, sehr arge Todfeindin Genua’s war
Pisa. Beider Interessen stiessen einmal in dem Handel
mit Frankreich und Spanien, von wo sie Wollenstoffe
bezogen, sodann im Oriente, ausserdem wegen des
Besitzes der mittelländischen Inseln, und endlich in
Bezug auf ihre Production auf einander. In Pisa nahm,
wie in Genua, besonders die Seidenmanufactur einen
grossen Aufschwung.
Pisa’s Blüthezeit fällt in das XL und XII. Jahr-
hundert und datirt seit dem Untergange seiner Bivalin
Amalfi, welche es, wie ein Hecht den Gründling, ver-
schlang. Amalfi’s Seemacht war im Kampfe mit den
Sarazenen erstarkt, und schon im X. Jahrhundert waren
amalfitenische Kaufleute nach Beiruth, nach Alexandrien,
nach Byz-anz und Griechenland gedrungen.
Auch Pisa erstarkte im Kampfe mit den Sarazenen,
denen es nach einander Sardinien (1017), Corsica,
sowie die Balearen (1114) entriss. Mit Barcelona und
Sicilien begann Pisa seinen Handel, dann drang es nach
Nordafrika vor, und begann endlich mit Amalfi, Venedig
und Genua in Byzanz zu rivalisiren. Auch in Syrien
und Jerusalem legte es Factoreien an. Ausserdem
wurde Pisa bald der erste Handelsplatz Italiens und
eröffnete mit Liberalität fremden Schiffen seinen Hafen.
Wodurch Pisa besonders im Vortheil war, das war
die ungeheure eigene Waarenproduction, die bald dort
aufblühte und reichlich Export-Artikel lieferte. Beson-
ders Wollen- und später auch Seiden- Fabrication
fanden in Pisa ihre Pflege. Die Bohwolle wurde aus
Südfrankreich, sowie auf dem Wege über Frankreich
aus England bezogen; die feinere Wolle musste Spanien
liefern.
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