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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Pichler, Fritz: Römischer Grabstein von Jennersdorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0341

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298

Römischer Grabstein von Jennersdorf.
Von Prof. Dr. Friedrich Pichler.

Am Tage der Eröffnung der Grätz-Raaber Eisen-
bahn wurde mir im Joanneum zu Grätz die Auffindung
eines römischen Grabsteines zu Jennersdorf in Ungarn
an der steierischen Gränze gemeldet. Später über-
brachte mir der Bürgermeister dieses Ortes eine Copie
der Reliefs und Schriftzeilen des Monumentes, deren
Fehler bei einer näehstnachgefolgten Besichtigung des
in Jennersdorf aufbewahrten Denkmals sich behoben.
Das Grabmal aus dem weissgelblichen krystalli-
nischen Kalke des Bachern-Gebirges in Untersteiner,
1-74 Met. hoch, 73-8 Cm. breit, 10-5 Cm. dick, zeigt im
Frontispiz einen linkssehenden Adler mit ausgebreiteten
Flügeln, in den zwei unteren Frontispiz-Winkeln je
ein Epheublatt und als Seitenaufsätze je einen kauern-
den Löwen, von denen der rechte abgebrochen, doch
vorhanden ist. Über dem Frontispiz setzt sich eine
kleine Basis an, welche eingehöhlt und als der
eines noch aufzusuchenden bärtigen Kopfes entweder
oder des aufstrebenden Ikarus zu betrachten ist. Unter
dem Frontispiz folgt zunächst ein Ornament von je
drei Epheublätter-Paaren mit einem oben und unten
dreigetheiltenBlumen-Motiv (Lotos?) inmitten. Zwischen
den beiden Seitensäulen , deren Capitäle vernutzt, die
Schäfte gewunden sind, und dem Untersatz-Relief die
links gewendete zurückschauende Wölfin mit den Zwil-
lingen, befindet sich die siebenzeilige Inschrift. Voraus-
zuschicken ist noch, dass die Steinplatte in der Rich-
tung der zweiten Zeile gebrochen und zu unterst mit
einem Einsatzstücke versehen ist, zu einem breiteren
und dickeren Sockel, der auch erst aufgefunden wer-
den muss. Die Aufgrabungsstelle ist, wie gesagt, Jen-
nersdorf bei St. Gotthard und Neumark, in dem Wald-
liiigel-Complexe östlich vom steierischen Schlosse Ho-
henbruch und zwar von Jennersdorf (Gyanifalva) nörd-
lich aufwärts jenseits der lehmichten Aufschüttungen
innerhalb des eine halbe Stunde entfernten Waldthäl-
chens in einem kleinen Ackergrunde. Bei den Aus-
hebungen am 6. April 1873 soll der Stein schon gebro-
chen, von Münzen und Töpfergeräthen nichts vorfindig
gewesen sein.
Die Inschrift , mit Siegeln von der Grösse 8’5 bis
4-5 Cm., in schönen theilweise zierlichen Zügen, gegen
Ende sich verjüngend, zwar mit Abkürzungen, aber
ohne Ligaturen, lautet:
QVARTO
ADNAMATI
F AN . LXXX
ET CATYLLAE
COI F . CON
AN . LX . VPPV
LIBERTA . F . C
Quarto Adnamati filio annorum octoginta et Catul-
lae Coi filiae coniugi annorum sexaginta Uppu liberta
faciendum curavit. — Wir haben also hier einen Quartus,
Sohn von Adnamat, eine Catulla, Tochter des Coi, lati-
nisirt Coius, des Quartus Gemalin, dann Uppu, die
Freigelassene der Beiden, die Denkmalsetzerin.

Die landeseigenthümlichen pannonisehen Namen,
die grosse, gute, noch nicht sehr läugliche und noch
ziemlich tiefe Schrift, das Absein der Ligaturen fordern
für dieses Denkmal noch eine frühere Zeit, als deren
Gränze etwa die Hälfte des ersten und die Hälfte des
zweiten christlichen Jahrlmndertes zu erachten wären.
Es scheint, dass, fänden sich nachmals fundbegleitende
Münzen, diese nur Traiane, Hadriane, Aelier, Antonine
sein könnten.
Dem übrigen norisch - pannonisehen Inschriften-
wesen schliesst sich der jennersdorfer Schriftstein so
verwandt an, dass er kaum wie ein neuer erscheint.
Geht doch zunächst an der steierischen Ostgränze gegen
Ungarn eine Reihe von Römer-Fundorten herab von Fried-
berg* bis Polsterau als : Hochstrasse, Dechantskirchen*,
Ehrenschachen, Grafendorf*, Kaindorf* Löffelbach*,
Penzendorf, Sf. Johann bei Hartberg, Hartberg*, (in der
Breite von Steinamanger), weiterhin Ebers-, Walters-*
und Hainersdorf*, Altenmarkt*, Riegersburg*, Feld-
bach*, Gleichenberg*, Kohlberg, Straden, Hummers-
dorf, Radkersburg, Kerschbach*, Grosssonntag*, Friedau
und Polsterau, von denen 14 Schriftdenkmal-Fundorte
(*) sind. Speciel im und nächst dem Raabgebiete
finden sich solche Monumente von Heilbrunn, Rossegg
(Mitth. d. h. V. XV. 186, 204), Fladnitz, Weiz, Pischels-
dorf, St. Ruprecht, Freiberg, Gleisdorf (Steiner corp.
inscr. D. u.Rh. 2924, 2926, 2922—23, 2901, 2927, 2899,
2900, Mitth. XV. 187) abwärts bis Feldbach, Riegers-
burg, Gleichenberg (Nr. 2928, 2930, 2929), welche
letzteren Fundpunkte im Westen die jennersdorfer
Stelle umschliessen.
In Betreff der Namens-EigenthUmliclikeiten stimmt
die oben angeführte Inschrift zu einer grossen An-
zahl derer, wie sie sich in Steiermark, Kärnten, Krain,
Österreich und Salzburg finden. Die Vermuthung, dass
ein guter Theil der römischen Zahlnamen auf die er-
sten Generationen nach den noch keltisch Benannten
der Eroberungszeit hinweise, eine Vermuthung, wie sie „
bisher allzu wenig in Betracht gezogen worden, erhält
auch hier ihre Bestätigung. Quartus heisst der Sohn
des keltisch, oder sagen wir allgemeiner einheimisch
benannten Adnamat. Der Name Quartus erscheint auf
steierischen Schriftsteinen zu Cili, Geisthal, Leibnitz,
Quartius zu Cili, Quarta zu Cili, Judenburg, Leibnitz,
St. Stephan bei Tüffer, Strass, Quartiua zu Cili, Stra-
nitzen, auch Quadratus zu Cili. Wollte man unter sol-
chen Zahlnamen bis Decimia (Cili) Umschau halten,
so würden Beispiele, dass mit Zahlnamen Benannte von
keltischen Alfern sind, der Vermuthung eine sichere
Unterlage geben. So ist Secundus von Veracus (Admont),
von Magimarus (Cili), Seeunda von Catullus (Gallen-
hofen), Secundinus von Quispitulus (Gams), Secundina
von Seccon (Einöd) ; Tertius sicher eines Kelten Sohn,
ist Genial der Atepodua und diese die Tochter eines
Quartus (Leibnitz); Quarta von Damion (St. Stephan
bei Tüffer), Quarta, die Freigelassene der Camula
(Judenburg), Quadratus heist der Sohn des Trogimar
(Stranitzen), Quintianus der von Citton (Eppenstein),
 
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