Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

DOI Artikel:
Ilg, Albert: Aus Anlass der vollendeten Renovirung des Stephansthurmes
DOI Artikel:
Fronner, Karl: Kirchliche Baudenkmale in Ober-Österreich, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0103

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
86

den neuen Statuenschmuck des Münsters betrifft, so
haben wir dagegen mit Bedauern wahrgenommen, dass
an Stelle der alten, unter den Baldachinen des Ein-
ganges angebracht gewesenen Standbilder neue, gar
schlimm nazareniscli aussehende hineingesetzt wurden,
was um so weniger nöthig gewesen wäre, als die vor-
maligen, wenigstens theilweise, sich in fast wohlerhal-
tenem Zustande befanden. Und dann: wenn eine Er-
neuerung stattfinden musste, weshalb copirte man die
alten nicht, warum setzte man sogar ganz andere
Heilige an ihre Stelle? So erinnere ich mich seit Knaben-
Zeiten eines sehr schönen Annabildes auf diesem Platze,
das nun verschwunden ist. Wo sind diese Gebilde ?
Werden sie im Dome aufgestellt, oder in einem Museum
deponirt?
Dass die interessanten Glasgemälde mit den Bil-
dern österreichischer Fürsten aus der Thurmhalle an
ihren ursprünglichen Aufstellungsort in der Bartholo-
mäus-Capelle zurückgebracht werden, ist zwar voll-
kommen gerechtfertigt; es wäre aber in Folge dessen
um so wünschenswerther, dass dieser bisher verschlos-
sene Baum künftighin zugänglich gemacht würde, da
die Malereien sonst so gut wie vergraben bleiben.
Um das Jahr 1380 scheint man den Bau des Hoch-
thurmes begonnen zu haben, um 1404 starb der greise
Meister Wenzla, dessen Gothik noch ganz die Weihe
reinsten Stylgeistes besessen zu haben scheint, dessen
Nachfolger aber in structura turris praefatae ita devia-
verunt, quod omnia, quae pluribus annis sumtuose in ea
structa sunt, viceversa ad id, ubi primus reliquerat,

ammota sunt. Scheint sich solches auch zunächst auf
die Technik und Solidität der Bauführung zu beziehen,
so haben diese Meister, ein Peter von Prachatitz und
Hanns von Brachadicz, gewiss auch Antheil an der #
stylistischen Veränderung, und sicher nicht Verbesse-
rung, des Wenzlaisclien Ideals. Denn dieser Meister des
XIV. Jahrhunderts, der Blüthezeit unserer Gothik also,
konnte nicht den Gedanken derjenigen Schöpfung gefasst
haben, als welche der Hochthurm am 3. October 1433
vollendet dastand. Trägt dieser Bau ja doch schon gar
merkbar das Gepräge eines mehr decorativen als eon-
structiven Styles, wobei die wuchernde Überfülle des
Ornamentes die Architektur und ihre Gliederung ver-
hüllt, so, dass von dem ursprünglichen Plane des ersten
Meisters wohlhauptsächlich nur die grandiose Conception
des Ganzen herrühren dürfte. Aber auch von dem Ge-
sichtspunkte dieser späteren Entwickelung des Styles
gehört der Bau zu den schönsten, namentlich zu den
prunkvollsten Schöpfungen des Mittelalters, ein erha-
benes Denkmal vaterländischer Kunstblüthe. Erhebend
und erfreuend ist die Beobachtung, wie der Genius der
Neuzeit, anerkennender Bewunderung voll, vor diesem
Biesenwerke einer grossen Vergangenheit nun einmal
den Flitterkram seiner eigenen kleinen Kunst vergessen
hat, und in bescheidener Demuth seine Ehre suchte in
liebevoller Erneuerung dessen, das allen Zeiten in un-
bezweifelter Grösse entgegentreten wird, weil echte
Kunst, aus echtem begeistertem Antriebe, die Quelle
gewesen ist, aus der diese wundersame Schöpfung allein
hervorgehen konnte.

Kirchliche Baudenkmale in Ober-Österreich.
(Schluss.)
Von Dr. K. Fronner.
(Mit G Holzschnitten.)

Die gothische Pfarrkirche des Marktes Käfer-
markt, dem heil. Wolfgang geweiht (Fig. 1), eine der
schönst angelegten gothisehen Landkirchen, hat eine
Länge von 114 Fuss und wird durch zwei Beihen von
je vier achteckigen Pfeilern in ein breites 45 Fuss
hohes Mittelschiff und zwei schmale, niedrige Seiten-
schiffe getheilt. Das Presbyterium ist 25 Fuss breit,
besteht aus zwei schmalen Jochen und dem aus fünf
Seiten des Achtecks construirten Chorschluss. Die Bip-
pen der reichen, mit tief einschneidenden Kappen ver-
sehenen Netzgewölbe im Langhause sitzen theils auf Con-
solen, theils ruhen sie auf an den Mauern empor-
steigenden Halbsäulen, welche Conslruction sich im
Presbyterium bei den Bippen des dasselbe überdecken-
den Netzgewölbes wiederholen. Die Gewölbslinie der
Kirche ist ein sehr gedrückter Spitzbogen, die Anlage
ausserordentlich kühn in Bezug auf die Würde der Wie-
derlagspfeiler, da die Wölbung eigentlich in Form einer
Tonne in Verbindung mit Schildern ausgeführt ist. Die
Fenster im Presbyterium und theilweise im Kirchen-
schiffe haben sehr schönes, gut erhaltenes Masswerk mit
zwei oder einem Pfosten (Fig. 2), die Gewänder sind
mit Hohlkehlen und Stab schön und reich profilirt; dadurch,
dass der Eingang in die Kirche auf die Seiten vertheilt

ist, hat sich für die Auflösung der Thurmverbindung
mit dem Musikchore das Motiv eines Mittelpfeilers in
Anwendung bringen lassen, wodurch die Gewölbslinie
des Hauptschiffes und des Musikchores in einem gutenVer-
hältniss zu jenem der Seitenschiffe stehen. Die beiden
Eingangsthüren, wovon jene links im Bechteck, die andere
im Spitzbogen construirt ist, sind sehr zierlich ausgeführt.
Die Musiktribüne, welche bis zum letzten Pfeilerpaar des
Langhauses vorgeht und mittelst Gewölben mit demsel-
ben verbunden ist, hat in der Mitte des Hauptschiffes eine
achtkantige Säule, welche den sonst zu breiten Mittel-
bogen theilt, an dessen Stelle zwei Spitzbogen treten
(Fig. 3). Das Parapet des Chores ist nicht durchbrochen,
aber durch vorgelegte Lisenen in kleine Felder getheilt;
im Mittelschiffe erscheinen diese Theilungen nur an der
Seite des Parapets, während die Mitte, wahrscheinlich in
Bücksicht auf beabsichtigte aber nicht zur Ausführung
gelangte Herstellung eines Orgelpodiums, freigelassen
blieb. An der rückwärtigen Abschlussmauer befindet
sich über dem Musikchor eine auf sechs Tragsteinen
ruhende Empore, deren Parapet mit jenem der Musik-
tribüne in gleiche Felder getheilt ist. Die Tragsteine
sind unter sich mit ansteigenden Kreuzgewölben ver-
bunden, an den Durchkreuzungsstellen der Kippen
 
Annotationen