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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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140

Bücher sc hau

Die christliche Kunst in ihren frühesten Anfängen.
Unter den speciell die christliche Kunst behandeln-
den Werken neuester Puhlicationen zieht das von
Dr. Franz Kraus hei Seemann in Leipzig heraus-
gegebene Buch dieses Titels mit Recht die Auf-
merksamkeit auf sich, weil hier ein Fachgelehrter
selbst eine populäre Darstellung des grossen Thema’s
versucht hat. Der Verfasser schickt eine Ausführung
über Entwicklung und Verfall der antiken Kunst
voraus, da ohne solche Grundlage die beginnende
christliche Kunst niemals verstanden und gewürdigt
werden kann. Dabei hält sich derselbe zunächst an
Lübke’s Geschichte der Plastik, der auch die Illustra-
tionen entnommen, ohne jedoch der Quellen wie Brunn,
Zahn und Anderer gänzlich zu vergessen. Wäre Re-
ber’s vorzügliche „Kunstgeschichte“ gleichfalls zuRathe
gezogen worden und unter der für den Leser empfeh-
lenswerten Literatur angegeben , möchten manche
Verstösse von selbst unterblieben sein, z. B. über die
sogenannte Aphrodite von Melos im Louvre, die ohne
Attribut und nähere Beziehung wohl schwerlich gedacht,
jedenfalls als Aphrodite schlechthin nicht qualificirt wer-
den kann, tvie unter Anderen Valentin durch seine
eingehende Schrift hierüber dargethan. Doch nur die
sonst vom Verfasser auf Archäologica verwendete Auf-
merksamkeit berechtigt zu solcher Bemerkung. Nach
übersichtlicher Charakterisirung der unter Myron, Poly-
klet und Phidias und später unter Skopas, Praxiteles
und Lysippos erreichten Vollkommenheit hellenischer
Plastik wendet sich die Erörterung der Nachblüthe und
endlich der römischen Sculptur zu, an welche zunächst
die christliche anknüpfte. Der Ausblick auf dieselbe
konnte den Schluss dieses Abschnittes, wie mir wenig-
stens scheint, auch ohne Hervorhebung der Schiller’-
schen Einseitigkeit in der Beurtheilung der Antike
bewerkstelligen. Es macht auf mich nie einen befrie-
digenden Eindruck, solchen Heroen unserer Literatur
ihre Schwächen, noch dazu in Ausdrücken wie „ganz
unhistorische Anschauung“ und dergleichen vorgehalten
zu sehen. Die Prahlerei des gegenwärtigen Geschlech-
tes mit seinen historischen und ästhetischen Studien
erscheint solchen Grössen der Vergangenheit gegenüber
immer zweifelhaften Werthes und jedenfalls überflüssig.
Den zweiten Abschnitt eröffnet die Behandlung der
Katakomben zu Rom, worüber derselbe Verfasser ein
ausführliches Werk zu publiciren im Begriffe steht. Hier
entwickelt sich das grosse Bild der durch Denkmäler
zuerst bezeugten christlichen Kunst, die freilich ohne
diese vorausgehende Archäologie nicht leicht gewürdigt
werden kann. Die genaue Kenntniss des Verfassers in
diesem ausgedehnten Gebiete ist zu bekannt, als dass
davon noch eigens zu sprechen sein könnte. Damit steht
der folgende Abschnitt über „Malerei“ im innigsten
Zusammenhänge, da wir ans frühester Zeit christlichen
Lebens nur in diesen Katakomben Denkmäler besitzen.
Der Verfasser beschränkt sich hiebei nur auf die aller-
dings wichtigsten Monumente der römischen Friedhöfe
und lässt die von Neapel und Alexandrien völlig ausser
Betrachtung, obwohl wir über jene in dem prachtvollen
Werke Salazaro’s „Studi sui monumenti della Italia

meridionale dal 1V° al XIII° Secolo, parte prima, Napoli
1871“ in Folio, und über diese durch Wescher’s For-
schungen belehrende Aufschlüsse und die richtige An-
schauung gewonnen haben. Da übrigens die Anlage,
Gräber-Ordnung und Beschaffenheit nicht überall die-
selben sind, so dürfte es dem Leser erwünscht sein,
hierüber doch im Hauptsächlichsten belehrt zu werden.
Seit dem berühmten Reisewerke P o c o c k e ’s gehören die
Katakomben von Alexandrien zu den interessantesten
Überresten frühchristlicher Grabstätten, über deren
bildlichen Schmuck auch de Rossi gehandelt hat. Im
folgenden, der Plastik gewidmeten Abschnitt wird mit
grosser Sorgfalt auch der Elfenbein-Arbeiten gedacht,
die vom Verfasser mit Recht zu den wichtigen Zeugen
frühchristlicher Sculptur gezählt werden; gleichwohl
wurde die Elfenbeintafel im k. National-Museum zu
München nicht erwähnt, die in der Kunst-Literatur nun-
mehr hinlänglich bekannt und selbst von Cav. de Rossi
gelegentlich der Heilig-Grabcapelle zu Jerusalem im
Bulletino 1865, Nr. 11, unter Bezugnahme auf meinen
Aufsatz in den Mittheilungen der k. k. Central-Com-
mission 1862, Nr. 4, besprochen ist. Das Capitel über
die Fabrication der Goldgläser ist eine werthvolle Bei-
gabe, die einen Kunstzweig beleuchtet, der nur wenig
Lesern bekannt sein wird. Erfreulich ist, dass der Ver-
fasser sowohl bei den Elfenbein- als auch bei diesen
Goldglas-Arbeiten die in Deutschland bekannt gewor-
denen Denkmäler specieller Aufmerksamkeit würdigt.
Dabei kann ich nicht verschweigen, dass ich mich
wundere, wie des vorzüglichen Medaillons ganz ver-
gessen werden konnte, dem de Rossi aus den gewich-
tigsten Gründen eine auch artistisch beachtenswerthe
Bedeutung vindicirt. Es ist das in Nr. 11 des Bullettino
1864 erörterte Erz-Medaillon mit den sich zugewendeten
Häuptern der Apostel Petrus und Paulus, das offenbar
nach der Natur gearbeitet, beziehungsweise einer sol-
chen Original-Aufnahme entnommen und spätestens im
Beginn des III. Jahrhunderts entstanden ist. Ich muss
gestehen, dass ich vor dem Original stehend R o s s i ’s Da-
tirung vollkommen gerechtfertigt und in diesem Bronze-
Medaillon ein Hauptwerk christlicher Bildnerei ausge-
prägt fand. Im VI. Abschnitt tritt endlich die Baukunst
in den Kreis der Betrachtung, womit sonst der Anfang
gemacht wird. Ohne hierüber zu streiten, darf ich diesen
Abschnitt für den wichtigsten erklären und aussprechen,
dass derselbe mich nicht befriedigt hat. Der Verfasser
knüpft einerseits mit mir an die Palastbasilica römischer
Grossen den Entwicklungsgang der christlichen Basilica
an, andrerseits behauptet er die Selbständigkeit des
christlichen Bauwerkes, indem er die Cultus-Bedürfnisse
als massgebend im Auge hat. Ich habe aber gezeigt,
dass eben in der Palastbasilica oder dem basilikenar-
tigen Saale (oecus, triclinium) der Römer zugleich die
Erklärung liegt, wie der christliche Cultus mit der ge-
nannten Bauform vertraut, später in den selbständigen
Bauwerken der Christen im IV. Jahrhundert seinen
natürlichen Ausdruck fand und somit mit dieser Ur-
sprungserklärung zugleich die Anforderung des Cultus
'Zu Seite 179 lemerkt Kraus, dass mit mir auch Wein g är t n e r die
Lateran-Basilica als ursprüngliche Palastbasilica betont habe. Ich finde bei
"Wein ga rtn er kein Wort davon.
 
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