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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Henszlmann, Imre: Die altchristliche Grabkammer in Fünfkirchen
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Ilg, Albert: Fund in Grado
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0100

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das mit der Taufe beginnt und mit der Seligkeit das
endlose höhere Leben erreicht.
Am Ende unserer Erörterung angelangt, haben wir
blos den warmen Wunsch auszusprechen: möge uns
dieses diesseits der Alpen einzige Denkmal aus alt-

christlicher Glaubenszeit, wenn auch nur in seinem
jetzigen Zustande erhalten bleiben, als Zeugniss des-
sen , welch’ wichtige Rolle unserem Vaterlande im
IV. Jahrhundert im welterobernden Staate zugetheilt
ward.

Fund in Grado.
Von Albert Ilg.

Den Mittheilungen des Bulletino di Archeologia
cristiana (3. Jahrgang Nr. IV, pag. 155) zufolge wurde
am 5. August des Jahres 1871 in dieser Stadt ein inte-
ressanter Fund gemacht, welcher nun näher untersucht
und in der genannten Publication auch durch Abbil-
dungen veranschaulicht ist. Es sind ausgezeichnet merk-
würdige Reliquienkapseln der altchristlichen Aera, aus
Gold und Silber gearbeitet. Der Entdecker war der
Pfarrer des Ortes,Signor D.GiovanniRodaro.Bisker
kannte man kein so lehrreiches Exemplar alter Reli-
quienkapseln, weshalb der Fund zu den bedeutenderen
neuern Entdeckungen auf dem Gebiete der altchrist-
lichen Archäologie gezählt werden darf.
Das eine dieser Gefässe, von runder Form, hat
einen Deckel, geschmückt mit der Darstellung der heil.
Jungfrau, welche auf dem Throne sitzend mit dem Kinde
am Schoss en relief dargestellt ist. Die Rechte hält
das Scepter mit dem Kreuzzeichen, hinter dem Haupte
wird der mit dem Monogramm versehene Nimbus sichtbar.
Der glückliche Auffinder dieser werthvollen Gegen-
stände berichtet selbst über das Ereigniss und die Eigen-
thiimlichkeiten der beiden Kapseln. Wir vernehmen
hiebei, dass an besagtem Tage bei Aufgrabung der Fun-
damente des Hauptaltars in der Basilica, auf der Epistel-
seite circa 60 Centimeter unter der Fussbodenfläche
des Presbyteriums, unter einer grossen Platte vonPari-
schem Marmor in einem hohlen Raum eine Cassette des-
selben Materiales entdeckt wurde, deren Länge 40,
deren Höhe sowie Breite 21 Centimeter betrug. Ihre
Form ist ganz schlicht, Inschriften oder Bilderzeichen
sind daran nicht zu bemerken, die Decke bildet eine
Platte desselben Steines. Das Kästchen war bei der
Auffindung in vollständig trockenem Zustande, im In-
nern fanden sich die beiden Reliquiengefässe, das eine
kreisrund, das andere elliptisch. Nach Beseitigung ihrer
Deckel sah man, dass sie ganz mit Wasser gefüllt
waren, als dessen Bodensatz sich eine dunkle, schmut-
zige Masse zeigte, welche von den Reliquien herrühren
mochte. Die Mantelfläche des einen büchsenförmig cy-
lindrisch gebildeten Behälters trägt keinen anderwei-
tigen Schmuck als ein ziemlich breites Schriftband, in
welchem die Worte in zwei Zeilen, durch eine Linie
von einander getrennt, eingeschrieben sind. Wir lesen
die Namen der Heiligen, denen die im Innern enthal-
tenen Reliquien zugehörten : SANC . MARIA . SANC .
VIT VS . SANC C AS SAN VS . SANC . PANCRATIVS
SANC . YPOLITVS . SANC . APOLLINARIS . SANC.
MARTINVS. Im Innern ist in der Mitte, in der Achse des
Cylinders, durch eingelöthete Bleche von Silber ein klei-
nerer concentrischer Cylinder angebracht, um welchen
ringsherum durch weiterePlatten, welche radienförmig ein-
gefügt stehen, noch sechs Compartimente hergestellt sind.

In dem mittleren Raume waren sechs Goldblättchen von
der Dicke eines halben Millimeters, welche wieder mit
Heiligennamen bezeichnet sind, in den sechs übrigen
Abtheilungen deren fünf. Auch fand sich hier ein kleines
cylinderförmiges Goldgefäss mit einem Deckel, scheinbar
aus einzelnen, übereinander gesetzten Ringen bestehend,
im Innern desselben aber ein Glasfläschchen von etwas
geschweifter Gestalt. Ferner eine zierliche kleine Gold-
cassette, an den Aussenseiten mit Kreuzen und Rauten-
mustern verziert, deren Deckel gleichfalls das Kreuz
aus dunkelgrünem Email als Schmuckzeichen trägt. Da-
zu kommt endlich noch ein aus einer zerbrechlichen
Cementmasse geformter Gegenstand, vom Verfasser
pulla genannt, dessen Gestalt etwa an eine Kugel von
gedrückter Form erinnert. Auf dem oberen Theile des
gypsartig aussehenden Gegenstandes ist ein griechisches
Kreuz eingedrückt.
Die Inschriften sind eingegraben; wir fügen noch
hinzu, dass auf denen der äusseren Mantelfläche die
einzelnen Worte durch Palmenzw^eige, eine Taube mit
dem Zweig im Schnabel, ein Kreuz etc. unter einander
abgegrenzt sind. Die S auf den Goldlamellen sind aus
zwei in dieser Weise zusammengesetzten C gebildet : °
Der Deckel der Kapsel ist Ciselirarbeit, das Gewicht
sämmtlicher Goldgegenstände beträgt 223 Karat.
Die elliptische Kapsel, bei weitem gebrechlicher
als die erste, ist ganz in Ciselirarbeit ausgeführt. An
den vier Seiten befindet sich Bildwerk und Schrift-
zeichen in basso rilievo, an der Hauptseite lesen wir:
f SANCTVS CANTIVS SANTIANVS SANCTA CAN-
TIANILLA SANTVS QVIRINVS SANTVS LATINV.
Ferner auf der unteren und folgenden Seite: f S LAV-
RENTIVS SVS IOANNIS VS NICEFORVS S ANTIS
REDDEDIDBOTVM. Ringsherum in der Mitte sieht man
Medaillonbilder von Männer- und Frauenköpfen, wahr-
scheinlich die angezeigten Heiligen darstellend. Der
Deckel dieser Kapsel ist gleich dem eines Koffers erhöht
und zwar im Mittel 25 Millimeter. Dargestellt sind dar-
auf zwei Lämmer und zwischen denselben das mit
Gemmen besetzte Kreuz. Die Thiere stehen auf einem
Hügel, aus dem die vier Paradiesesflüsse entströmen.
Alles wurde im zertrümmerten Zustande gefunden, auch
in dieser Kapsel befand sich eine zweite aus Silber, an-
gefüllt mit Wasser und einigen Reliquienresten, bei der
Berührung zerbrach sie augenblicklich. —
Der Conservator der Baudenkmale in Triest Herr
Kandier hat die Ansicht aufgestellt, dass der runde
Reliquienbehälter aus der Kirche Santa Niceta in Aqui-
leja stamme und bei der Invasion des Attila im Jahre
452 mit den übrigen Schätzen der Kirche auf jene Insel
in Sicherheit gebracht worden sei. — Die andere Kapsel
ist aus den Zeiten des Patriarchen Elias, welcher im
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