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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Gradt, Johann: Die schmiedeisernen Leuchter der Stiftskirche zu Heiligenkreuz
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0379

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334


Die schmiedeisernen Leuchter der Stiftskirche zu Heiligenkreuz.

Von Joh. Gradt.

(Mit 1 Holzschnitt.)

9
nach dem Ritus derselben für die Verstorbenen eingehalten
werden, im Gebrauch waren. Obgleich an diesen Werken
kein ausgesprochenes figurales oder ornamentales Merk-
mal vorkommt, durch welches sich dieselben als Er-
zeugnisse des frühen Mittelalters kennzeichnen würden,
so legitimiren sie sich nichtsdestoweniger als solche
in prägnanter Weise. Darin liegt eben das Eigentümliche
an den selten mehr vorfind]iclien Resten des Kunst- und
Gewerbefleisses unserer vor vier und noch mehr Jahr-
hunderten thätigen Werkmeister, dass die aus ihrer
Hand hervorgegangenen Arbeiten, mögen sie für höhere
Zwecke oder den alltäglichen Gebrauch bestimmt ge-
wesen sein , in naiver schlichter Auffassung gebildet
und dabei die Formschönheit bei Inhaltung der Um-
stände, die von der Eigenschaft des Materiales und der
Gebrauchsverwendung des Gegenstandes bedingt waren,
nicht ausser Acht gelassen war. Darin liegt zum
wesentlichen auch ihr unmittelbarer fortwährender Reiz,
dass diese Werke, bei deren Anfertigung lange noch
nicht jene vervollkommneten Werkzeuge vorhanden
waren, die dem in der Gegenwart schaffenden Werks-
künstler zur Verfügung stehen, mit voller Präcision
und aller Solidität und in der ureigenen durchgeistigten
Form hervorgegangen sind, wobei der Reiz durch eine
mitunter harte und steife Ausbildung einzelner Theile
nur noch erhöht wird und an die Gebundenheit der
alten Ägypter erinnert. Aus diesem Grunde verdienen
solche Werke mit dem ausgeprägten Typus ureigener
Erfindung und nationaler Technik, welche noch nicht
von der aus der Antike überkommenen Formenaus-
bildung angekränkelt sind, eine eingehende Würdigung,
welche ihnen derzeit auch von den in der Kunst-Indu-
strie am weitesten fortgeschrittenen Culturvölkern Eu-
ropa’s dadurch wieder zu Tlieil wird, dass man auf die
nationale Technik und ureigene Ausbildung des Mittel-
alters zurückgreift, wie diess die Arbeiten hervorra-
gendster englischen Firmen beweisen, die aber der
Liebhaber stvlvoller Arbeiten auf der gegenwärtigen
Ausstellung leider vermisst hat.
Der vorliegende Leuchter entwickelt sich , von
einem dreifüssigen, kräftig geformten Untersatze gehal-
ten, der ihm die erforderliche Stabilität gibt, als drei-
mal durch Knäufe unterbrochene cylindrisehe Röhre,
die sich mit ihren geschlitzten und umgebogenen vier
Ausläufen nach unten auf dem Untersatz anschmiegt
und vermittelst einer im Innern der Röhre angebrach-
ten Durchzugsstange befindlichen Schraube in steter
Spannung gehalten werden kann, zu einer Höhe von
vier Fuss, wozu wohl noch die Schale, nicht aber mehr
der Dornspitz gerechnet ist. Am oberen Auslauf der
cylindrischen Röhre von iya" Durchmesser liegt, durch
einen Knauf vermittelt, die flach gehaltene Schale von
6" Diameter auf, aus der die Durchzugsstange mit dem
Dornspitz herausragt. Die Ausarbeitung der Schale, der
Röhre, des Fusses und des Beiwerkes ist tadellos, und
das Ganze mit einem schwarzen Lack überzogen. Zier-

Fig. 1.

In der Stiftskirche des Cistercienser - Ordens zu
Heiligenkreuz haben sich vier gleiche schmiedeiserne
Leuchter von der in Fig. 1 ersichtlichen Form erhalten,
welche Leuchter bei den kirchlichen Functionen, wie sie
 
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