Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

DOI Artikel:
Gradt, Johann: Die ewige Lichtsäule von Wels
DOI Artikel:
Kerschbaumer, Anton: Die Restaurirung der alten Drei-Königs-Capelle zu Tulln
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0322

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
279

der in der Nähe von Wels bricht. Die Lichtsäule, jene
in architectoniselier Beziehung sinnig concipirte Zierde
des Friedhofes, ist von den zerstörenden Einflüssen der
Atmosphärilien im hohen Grade ausgewittert und restau-
rationsbedürftig geworden, es wäre aber immerhin
Schade, ein so ehrwürdiges Denkmal christlicher Pietät,
welches die stolzen und reckenhaften Traunfahrer ge-

schaffen hatten, der völligen Zerstörung Preis zu geben.
Eine kleine Anregung seitens der hochwürdigen Seel-
sorger würde sicherlich hinreichen, die anerkannte
Opferwilligkeit der Bürger des alten Handels-Emporiums
Wels zur Erhaltung und Restaurirung des Denkmales
und Wahrzeichens in Thätigkeit zu bringen.

Die Restaurirung der alten Dreikönigs-Capelle zu Tulln.
Von Dr. Kerschbaumer.

Zur Zeit der alten Römer soll in Tulln ein heid-
nischer Tempel des Jupiter Dolichenus sich befunden
haben, auf dessen Trümmern später eine christliche
Capelle gebaut wurde, welche den Namen Dreikönigs-
Capelle erhielt, weil sie zu Ehren der heiligen dreiKö-
nige geweiht war. Dass diese Capelle sehr alt ist, be-
weisst ihre Bauart und wird durch geschichtliche Docu-
mente ausser allen Zweifel gestellt. Am Festtage der
heiligen drei Könige (6. Jänner) fand in Tulln alljähr-
lich ein grosses Zusammenströmen von Leuten aus der
ganzen Umgebung statt, weil an diesem Tage das
Kirchweihfest der genannten Capelle begangen wurde.
Erst später (1362) wurde dieses Fest wegen der Un-
gunst der kalten Jahreszeit auf den ersten Sonntag nach
dem Feste Maria Himmelfahrt (im August) verlegt.
Wer die Capelle eigentlich erbaute, kann nicht an-
gegeben werden, weil sich darüber gar keine Aufzeich-
nungen in den alten Archiven finden. Nach der Bauart
zu schliessen, dürfte die Capelle aus dem Anfänge des
XIII. Jahrhunderts stammen; denn der romanische Bau-
styl ist unleugbar an den aus gerollten Blättern gebil-
deten Capitälen der Hauptsäulen, an dem mit Zahn-
schnitten verzierten Hauptgesimse und dem sogenann-
ten Rundbogenfries zu erkennen.
Das 5' dicke Gebäude besteht aus Sandstein-
Quadern, die in ungleichen Schichten aufeinander ruhen.
Nach aussen hat die Capelle die Gestalt eines fast
gleichseitigen construirten Eilfecks, wovon jedoch zwei
Seiten durch die halbrunde Apsis an der Ostseite und
zwei andere an der Nordseite durch das Portale ver-
baut sind. Die untere, zum Theile unterirdische Räum-
lichkeit bildet ein Rundgewölbe, das zur Aufbewahrung
der Todtengebeine bestimmt war, denn die Capelle
stand mitten im Friedhofe, welcher einst die Pfarrkirche
umgab. Als letztere durch den Ausbau des Presbyte-
riums (1486—1513) vergrössert wurde, kam die Drei-
königs-Capelle so nahe der Pfarrkirche zu stehen, wie
wir sie erblicken, ln der Capelle ober den Todten-
gebeinen wurde das heilige Messopfer für die verstor-
benen Gläubigen verrichtet, und dadurch den Lebenden
ein ernstes Memento mori in die Seele gerufen.
Von dankbarer Liebe zu den Verstorbenen durch-
drungen machten zwei Dechante von Tulln fromme
Stiftungen für den Karner. Der erste, Namens Heinrich,
wollte, dass auf dem „Charner“ des Friedhofes zu Tulln
ein ewiges Licht unterhalten werde (1321); der zweite
Namens Heinrich Oschel, ein geborner Tullner, stiftete
einen eigenen Priester an dem Karner, dass er daselbst
XVIII.

täglich für die Verstorbenen Messe lese (1357). Seinem
Wunsche gemäss, sollte der jeweilige Dechant zu Tulln
diesen Priester (Caplan) ernennen, auch sollte beijeder
Seelenmesse im Karner von der Wandlung an bis nach
dem Agnus Dei eine Wandlungskerze brennen. Der
Kaplan aber hatte die Verpflichtung, beijeder Seelen-
messe der Verwandten des Stifters und insbesonders
„seiner guten Katrein“ (so hiess seine Mutter) zu ge-
denken. Auch andere Tullner Bürger stifteten zu dem
Karner-Beneficium fromme Legate. Obgenannter De-
chant, Heinrich Oschel, errichtete überdies in der Ca-
pelle einen neuen Altar zu Ehren der heiligen Katharina.
Diese Caplan-Stiftung bestand fast 200 Jahre. Seit
der Reformationszeit wird kein eigener Beneficiat am
Karner in den Urkunden erwähnt; doch erhielt sich der
alte Gebrauch, dass alljährlich am heiligen Dreikönigs-
feste eine anderthalbpfündige weisse Wachskerze bei
der ersten Vesper des Festes und am Festtage selbst
während des Hochamtes und während der zweiten Ves-
per des Festes auf dem Friedhofe brannte , bis zum
Jahre 1770. Die Einkünfte des Beneficiums, welche im
Laufe der Zeit auf jährlich 95 fl. 45 kr. 1 ya Pfennig
herabgesunken waren, bezog der jeweilige Pfarrer von
Tulln.
Das altehrwürdige Kunstdenkmal erlebte allerlei
traurige Geschicke. Im XVI. Jahrhundert wurde es als
Pulverthurm, im XVIII. als Waffen- und Salzmagazin,
im XIX. als kirchliche Rumpelkammer benützt. Bei der
grossen Feuersbrunst am 21. März 1752 brannte das
Dach der Capelle ab, so dass sie viele Jahre lang als
Ruine dastand, indem niemand die Kosten der neuen
Bedachung tragen wollte, bis sich endlich der damalige
Weihbischof von Passau und Dechant von Tulln Philipp
Graf von Daun „aus Rücksicht für das Alterthum und
ohne Präjudiz für seine Nachfolger“ dazu herbeiliess.
Mit Ausnahme einer längeren Unterbrechung im
XVI. und XVII. Jahrhundert blieb die Capelle fort-
während dem Gottesdienste gewidmet; wenigstens
wurde derselbe einmal im Jahre, nämlich am Feste der
heiligen drei Könige darin abgehalten. Weihbischof
Martin Geiger, der 1671 Dechant zu Tuln war, hatte
die Capelle auf seine Kosten durchgehends renoviren
lassen. Erst am Ende der vorigen Jahrhunderts wurde
die Capelle als entbehrlich für den Gottesdienst ge-
schlossen und im höheren Aufträge von dem damaligen
Dechant Franz Mösle am 4. Jänner 1787 entweiht. Die
Kirchensachen und die Capelle selbst wurden öffent-
lich licitando (letztere um den Schätzungspreis von
37
 
Annotationen