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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

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Dehio, Georg: Ein Beitrag zur vergleichenden Ornamenten-Kunde
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Kellner, Karl: Die Wandgemälde der Georgskirche in Prag
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https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0317

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wir daraus sofort auf eine historische Verwandtschaft
sehliessen dürfen. Wenn es sich um einzelne primitive
Zierformen handelt, wie sie zu jeder Zeit und an jedem
Orte selbständig erfunden werden können, ist eine solche
Folgerung gewiss bedenklich; wenn es dagegen be-
stimmt charakterisirte Motive sind, die sich zugleich als
Glieder eines festen Ornamentsystem.es erweisen, so
wird man nothwendig einen gemeinsamen Ursprung an-
nehmen müssen. Dieses letztere findet in unserem Fall
unstreitig statt. Somit wäre der Beweis des germani-
schen Ursprunges jener ravennatischen Ornamente
positiv erbracht und wir stehen vor der denkwürdigen
Thatsache, dass in dem norwegischen Volke, dem von
fremden Cultureinflüssen am wenigsten berührten ger-
manischen Stamm, ein Stück uralt nationales künstleri-
sches Erbtheil lebendig ist, welches den Deutschen
schon vor dreizehnhundert Jahren verloren ge-
gangen ist.
Es sei uns gestattet, noch eine Vermuthung laut
werden zu lassen über die mögliche Entstehung jenes

Ornamentes aus einer noch einfacheren Urform. Auf
den ältesten, vom orientalischen Styl noch nicht beein-
flussten griechischen Vasen bilden ein häufiges Ziermotiv
horizontale Reihen von scharfwinkligen Zickzacken und
von Kreisen mit einem Punkt oder kleineren Kreis in
der Mitte. (Beispiele giebtConze in den Sitzungsbe-
richten der Wiener Akademie v. 1870.) Dasselbe findet
sich auch zahlreich auf nordischen Alterthümern der
Bronzezeit. Zuerst Semper, dann Conze haben diese
Ornamente als indogermanisches Gemeingut in Anspruch
genommen. Man denke sich nun zwei solcher Reihen
von Zickzacken und Kreisen unmittelbar aneinander
gerückt (vergl. Sacken, Leitfaden zur Kunde des
heidnischen Alterthums Fig. 41 a) und unser Zangen-
Ornament ist fertig. Dass diese, wenn man so sagen
soll, Erfindung nicht überall gemacht worden ist, dass
sie vielmehr ausser bei den'Gothen nur bei den Nor-
wegern vorkommt, das erklärt sich daraus, dass die
ersteren der den Scandinaviern am nächsten verwandte
germanische Stamm waren.

Die Wandgemälde der Georgskirche in Prag,
Besprochen von Karl Kellner,

Die Geschichte bezeugt, dass die St. Georgskirche,
nahezu das älteste Baudenkmal romanischer Kunst in
Böhmen, vom Herzoge Vratislav, dem Vater des heil.
Wenzels, etwa anno Ul6 erbaut worden ist.
Eines der ältesten Bautheile derselben ist die im
rechten Seitenschiffe angebaute, etwa 30 Fass lange
und 15 Fuss breite Capelle sammt Apside und sein-
altem und höchst einfachem Steinaltare. Ueber dieser
Capelle wurde (1142) später ein steinerner Thurm auf-
gebaut. Die Capelle selbst wurde von den hier ange-
siedelten Benedictinerinen im vorigen Jahrhunderte zur
Sacristei adaptirt, wobei die daselbst befindlichen
uralten Wandgemälde, mit denen die Capelle übersäet
ist, mehrmals übertüncht wurden. In diesem Zustande
blieb die Capelle bis zum Jahre 1865, in welchem der
Berichterstatter als damaliger Rector der Kirche durch
einige von übertünchten Nimben an der Wand verur-
sachte Unebenheiten auf das Vorhandensein von Wand-
gemälden aufmerksam gemacht worden ist. Sofort
begann man mit aller Vorsicht weitere Nachforschungen,
und wurden die meisten Bilder aus der mehr als zoll-
starken Verweissnung- herausgekratzt, so dass in der
Apside Christus in der Mandorla, umgeben von den
4 apokalyptischen Thieren, dann von den Aposteln
einerseits, andererseits von heiligen Frauen ersicht-
lich wurde. Nach Beseitigung des angebauten Ziegel-
werkes trat auch der oberwähnte Altar zu Tage. Ober-
halb der Apside erblickt man Wälle und Stadtthore
mit Spruchbändern und abbrevierten Inschriften in
Majuskeln. Die südliche Fensterwand zieren von der
Wölbung bis zur Kniehöhe Darstellungen, theils von
Bischöfen theils von Herzogen und Jagdpartien. Der
Fensterwand gegenüber befindet sich der noch ver-.
mauerte frühere Bogeneingang; die angränzende Mauer
wurde zur Gewinnung einer ldeinern Sacristei-Thüre
und behufs der Anbringung einer Ofenheizung ausge-

brochen, und hiedurch die Wandmalerei arg beschädigt.
Die rückseitige, der Apside zngekehrte und sich abwöl-
bende Schlusswand trägt in 3 Abtheilungen ebenfalls
Heiligengemälde, unter welchen ein Herzog inmitten
von zwei Chorherrn und die Figur des Künstlers mit
dem Pinsel in der Hand, der Kopf fast unverletzt, die
anderen Körpertheile hingegen sehr beschädigt, erhalten
sind. Sämmtliche Gemälde überragt die etwa 10 Fuss
hohe Christophorus-Abbildung, das Jesukind mitten durch
Wellen tragend. Conservator Benes eh, Wocel und
Zap schrieben diesen Gemälden den vor-karolinischen
Charakter zu. Professor Gr ueber versetzt wohl die
Aspid und Mauergemälde in die vor-karolinischeZeit, die
Wölbungsmalerei jedoch ins XIV. Jahrhundert, da sie
den Charakter der Wandgemälde im Emautiner Kreuz-
gange zu tragen scheinen.
Leider ist der Bestand der älteren Wandgemälde
besonders an der Gassen- resp. Fensterwand sehr ge-
fährdet; der angränzende Fahrweg bewirkt nämlich
viele Erschütterungen, wodurch einzelne Theile der
Wandgemälde, sich abbröckeln; die Gefahr der gänz-
lichen Abrutscliung derselben ist so gross, dass eine
niet- und nagelfeste Befestigung clerselben sich
sofort als unabweisbare NotliWendigkeit dar-
stellt, falls diese uralten böhmischen Kunstgebilde
gerettet werden sollen.
Wäre es dem Berichterstatter vergönnt gewesen,
in seiner Stellung (als Rector der St. Georgskirche) zu
verbleiben, so hätte er die Conservirung dieser Wand-
gemälde selber durchgeführt; doch durch die Auf-
hebung des mit dieser Kirche in Verbindung stehenden
geistlichen Corrections-Hauses musste derselbe das ihm
so lieb gewordene alterthümliclie Gotteshaus verlassen,
das nun seinem innern Vorfälle immer mehr entgegen
geht; und doch wäre dieses Gotteshaus vorzüglich be-
rufen gewesen, bei der 900jährigen Gründungsfeier des
 
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