Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1873

DOI Artikel:
Ilg, Albert: Ein Haus-Altärchen von altspanischer Lederarbeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25450#0013

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

leichten Brettchen und Pappe zusammengefügt und
aussen mit schwarzem Leder überzogen, welches an
den Flügeln und am Hauptbilde nachbeschriebene Dar-
stellungen enthält. Unsere Abbildung gibt das Werk
in seiner natürlichen Grösse wieder.
Die Aussenseiten der beiden Thürchen zeigen frei
mit der Hand ausgeführte Gravirungen, und zwar auf
jedem Flügel in einfacher Linien-Umrahmung ein sehr
geschmackvolles gothisches Ranken-Ornament mit Blu-
men und Blättern der bekannten, distelartigen Gestal-
tung, welche die Flächen nach Art eines Teppichmusters
bedecken. Diese Verzierungen sind sehr frei und sicher
hingezeichnet. Auf jedem Thürchen nimmt ferner den
Hauptplatz in der Mitte ein unten nur wenig in Bogen
zugespitzter Schild ein, dessen Wappenbild auf dunkel-
grün aufgemaltem Grunde zwei gekreuzte, oben und
unten in dreiblättrige Lilien ausgehende Scepter zeigt.
Helme oder andere Bekrönungen der Wappen sind nicht
angebracht.
Oeffnen wir nun die Flügel. Das Mittelbild stellt
Christus am Kreuze dar, zwischen Maria und Johannes.
Das Marterholz, an welchem die Textur des Materials
angedeutet ist, oben aber das Täfelchen mit den
gothischen Capitalen I. N. R. J. sich befindet, steht auf
grasigem Hügelgrunde, den ein seitwärts liegender
Schädel und zahlreiche Gebeine als Golgatha bezeichnen.
Am Fuss des Kreuzes lehnt senkrecht ein Wappenschild
von ähnlicher Form wie die beschriebenen, dessen
Fläche indess blos am Rande ein Ornament von
Halbbogen hat, ohne, wie ich glauben muss, je ein
Wappenzeichen getragen zu haben. Christus trägt den
Kreuznimbus, das Haupt ist gesenkt und lächelt uns
wehmüthig im Tode entgegen. Das Nackte an der
Gestalt ist etwas schwächlich in der Zeichnung, die
Beine steif und gebogen, übrigens ohne den Typus
der Hagerkeit. Maria in weitem faltigen Mantel, die
zusammengefaltenen Hände niedersenkend, mit dem
Blicke zum todten Sohne emporsehend, ist eine sehr
würdige Gestalt mit matronenhaft ernstem, doch
ruhigem Gesichtsausdrucke. Die zahlreichen Falten des
Gewandes sind mit Fleiss und Liebe gezeichnet, unten
stark gebrochen, jedoch gleichfalls ohne störende
Ecken und Härten. Das Haupt umgibt ein ornamentirter
Nimbus. Aehnliches gilt von der Figur des Jüngers,
welcher die weinenden Augen mit der Linken trocknet,
während der andere Arm das weife, bauschige Gewand
bis zur Hüfte emporhält. Seinen Kopf umgeben reich-
liche, wie beim Christus zierlich gezeichnete Locken.
Hinter diesen Gestalten füllt ein schönes und dichtes
Rankenmuster mit mannigfachen Kelchen und Blüthen
den Grund, den obersten Rand bildet eine Soffite von
strengstylisirten Kräuselwolken, aus denen zahlreiche
Sonnenstrahlen herniederzielen. Rechts und links aber
grenzt ein Schriftstreifen mit gothischen Initialen auf
rothem Grunde die Darstellung ab, dessen Worte
lauten: Zur Linken Christi: TVÄ . GLOISA . RECOLI-
MVS . PASSIONEM; zur Rechten: TV AM : CRVCEM:
ADORAMVS:
Auf der Innenseite des Flügels neben Johannes
sehen wir unter einer schönen gothischen Architektur,
einen mit Figuren-Consolen, Engelsköpfchen, Krabben
und Rosen geschmückten Wimperg, den Besitzer des
Altares, im Gebete knien. Es ist ein älterer Mann in
einfacher Tracht, die nichts besonderes zeigt, als am

Halse eine Borte, im übrigen fliesst der weite Mantel
reichfaltig zur Erde nieder. Das Haupt ist entblösst, die
Hände gefaltet emporgehoben. Das Schriftband vor
seinem Antlitze ist leider ganz zerstört und lässt keinen
Buchstaben mehr erkennen. Hinter ihm steht sein
Heiliger, ein Bischof mit rubinengeschmückter Mitra,
die Rechte emporgehoben, in der Linken einen präch-
tigen gothischen Kreuzstab. Die Säume des Mantels
zieren einfache Ornamente. Den Fond des Ganzen
unterhalb der Architektur füllen Punkte und heraldische
Lilien aus. Ganz oben sind zwei Greife als Abschluss
der Umrahmung angebracht.
Die Architektur des gegenüber stehenden Flügels
unterscheidet sich von der geschilderten durch das
Abgehen der Figürchen an den Consolen und durch
Vertauschung der oben liegenden Greife mit Blumen-
zweigen. Den Hintergrund bedecken hier Ranken-
zierathe. Die dargestellte Figur ist eine weibliche,
eine Aebtissin mit Lilienkrone, Nimbus und Scepter,
jedoch fehlt hier eine kniende zweite Gestalt. In der
linken trägt sie ein aufgeschlagenes Buch, der Mantel
ist mit heraldischen Lilien bestickt. Vor der Heiligen
steigt ein Schriftband empor, welches in gothischen
Minuskeln besagt: SANCTA . RADEGVNDIS . ORA .
PRO . NO BIS.
Während an der Aussenseite das Material in
dunklem Schwarz gehalten ist, von welchem sich die
eingegrabenen Ornamente in keiner anderen Färbung
abheben, so dass das Ganze lediglich durch die
grünen Felder der Wappenschilde in dem Tone etwas
variirt wird, leuchten die Innenseiten in reicher Ver-
goldung. Alles Figurale und Ornamentale hebt sich in
diesem Schmuck von dem dunkelgrünen Hintergründe
ab, in die Vergoldung sind dann die Innenconturen,
Schatten und Schraffirungen eingegraben, so dass sie
durch den Goldbeleg hindurchdringen und auf diese
Weise wieder in dunkler Färbung wirken. Nebst diesen
beiden Hauptfarben, Gold und dunkelgrün, ist ferner
noch ein helleres Goldgrün in den Gloriolen der
Figuren neben dem Kreuze, und ein Braunroth zur
Anwendung gekommen, welches im gegenwärtigen
Zustande des Werkes — das übrigens sehr wohler-
halten genannt werden darf — an manchen Stellen
metallischen Schimmer angenommen hat. Es ist an den
Füllungen der Architektur* sehr wirkungsvoll benützt,
bedeckt ferner den Grund sämmtlicher Spruchbänder und
Inschriftstreifen, das Kreuzzeichen im Nimbus Christi
und das herabftiessende Blut an dessen Körper. Wenn
ich nicht irre, scheint der angewendete Farbstoff Bolus
zu sein.
Alle Körper haben eher etwas gedrücktes als
Schlankheit in ihren Verhältnissen, die Gesichter sind
ziemlich rund und voll. Sehr reich in der Erfindung und
im Style der spätem Gothik auch geschmackvoll ge-
zeichnet ist das Ornament, welches, wie immer bei
Lederarbeiten, textile, tapetenartige Formen hat. Diese
breiten Blumenköpfe, diese zahlreichen Blätter und
Ranken, die dicht in einander verschlungen, den Raum
gänzlich überspinnen und füllen, erinnern sogleich an
die Decoration der gepressten Ledertapeten Spaniens
oder der Niederlande. Ihr gothischer Habitus, die alter-
thümlich stylisirten Wolken, die Schriftzeichen und die
wichtigsten Theile der Architekturen gehören der Kunst
des Mittelalters an, indessen machen sich auch schon
 
Annotationen