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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0029

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1. Entstehung der organisierten
Nachrichtenübermittlung
1.1. Städtische Botenwesen - »avant la lettre«

Wann wird aus einem regelmässig beanspruchten Übermittler ein offizieller Amts-
träger? Auch in den Städten des schweizerisch-oberdeutschen Raumes war der
Zeitpunkt der Amtwerdung nicht mit der ersten schriftlichen Erwähnung von Bo-
ten identisch. Zwischen der ersten Nennung von Gelegenheitsläufern und der fes-
ten Einrichtung städtischer Läuferämter vergingen in den meisten Städten zumin-
dest mehrere Jahrzehnte. Dem ältesten erhaltenen Schriftbeleg kommt daher die
Rolle einer Momentaufnahme in der Entwicklung des Amtes zu, dem eine nicht
schriftlich fassbare Konsolidierungsphase vorausging. Wann Läufer, Reiter oder
Ratsboten als solche in den städtischen Akten genannt werden, hängt von mehre-
ren Faktoren ab: Ihr Auftauchen ist in erster Linie Ergebnis der verfassungspoliti-
schen Entwicklung der Stadt - denn nur ein selbstbestimmtes Herrschaftsgefüge
braucht geregelte Aussenkontakte. Eine Unterscheidung der Ämter deutet ausser-
dem auf einen gewissen Differenzierungsgrad ihrer Verwaltung hin. Dazu gehörte
insbesondere ein regelmässig ergänztes, physisch eigenständiges Finanzschrift-
gut.1 Zudem wurde die Regelung des Boten- und Gesandtschaftswesen erst durch
eine Intensivierung der städtischen Aussenpolitik notwendig. Einigermassen ver-
festigte Kommunikationsstrukturen dienten in der spätmittelalterlichen Informati-
onsgesellschaft nicht nur der Demonstration eigener Herrschaftspräsenz - was bis
zur Nachrichtenkontrolle gehen konnte - sondern auch der Abgrenzung gegenüber
anderen Informationsforen. In erster Linie der Gerüchteküche der städtischen Öf-
fentlichkeit sowie den offiziellen und informellen Informationskanälen anderer
Herrschaftsgefüge, die grösstenteils über deren eigne Botennetze verliefen.2
Nicht zuletzt war es aber das politische Umfeld der Stadt, die geographische
Nähe zu anderen Herrschaftszentren und deren wechselseitige Beeinflussung auf
dem Gebiet der Schriftlichkeit, die über den Zeitpunkt entschieden, in dem Kompe-
tenzen und Einsatzbereiche von Läufern und Reitern niedergeschrieben wurden.
Dies ist auch an den Formulierungen und dem Umfang dieser ältesten Nieder-
schriften zu erkennen, die als Gradmesser für die Wertschätzung dienen konnten,
die der Rat seinen Amtleuten entgegenbrachte. Beides erklärt, warum sich die ers-
ten Schriftbelege in den Städten eines Raumes häufig stark gleichen, auch wenn
sich daraus zumeist keine Aussage über die Qualität ihrer ältesten Botenwesen ab-
1 Pitz, Aktenwesen, 1959, S. 127-130, Landolt, Finanzhaushalt, 2003, ausführlicher dazu: Kap.
Stadtrechnungen.
2 Schmitt, Gesellschaft, 2008, S. 275-306, Wüst, Reichsstädtische Kommunikation, 1999, S. 681-
707, ders., Netzwerke in Franken, 2005, S. 107-128, Sieber-Lehmann, Nationalismus, 1991,
S.347-363.
 
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