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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0270

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8.2. Charakterzüge der Nachrichtenübermittlung in Konfliktzeiten

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8.2. Charakterzüge der Nachrichtenübermittlung in Konfliktzeiten

Die territorialen Streitigkeiten zwischen Bern, Solothurn und den Eidgenossen ha-
ben aufgezeigt, wie allgegenwärtig die Gefahr kleinerer aber auch grösserer kriege-
rischer Konfrontationen nach 1450 war und wie dieses Bündnis durch ein recht
komplexes System schiedsgerichtlicher Zuständigkeiten bemüht war, den labilen
Frieden unter den einzelnen Mitgliedern zu sichern.43 Das 15. und frühe 16. Jahr-
hundert war für den eidgenössischen Raum nicht nur die Zeit der inneren Kon-
solidierung, sondern auch eine Epoche mit besonders hoher Dichte kriegerischer
Aktivitäten. So war einerseits die Aufteilung der Gebiete und Rechte der zurück-
weichenden Habsburger und der Savoyer immer wieder Grund für kürzere und
längere Konflikte.44 Andererseits begründete der abschliessende Sieg der eidgenös-
sischen Heere gegen Karl den Kühnen im Jahre 1477 ihren Ruf als Krieger, was zu
einem exzessiven Söldnerwesen führte, dessen Spitze in die Jahre zwischen 1487
und 1522 gelegt werden muss. In dieser Zeit wurden die Eidgenossen mehr oder
weniger bewusst in den Norditalienischen Konflikt zwischen Frankreich und
Habsburg-Spanien hineingezogen - mit den bekannten verheerenden Folgen für
die in europäischer Politik ungeübten Schweizer.45
Kriegshandlungen bestimmten seit dem Alten Zürichkrieg den politischen
Alltag vieler Orte im eidgenössischen Raum, was letztlich die Diplomatie und da-
mit auch Nachrichtenübermittlung intensivierte.46 Selbst wenn alltägliche und kon-
fliktgebundene Informationsverbreitung nicht grundsätzlich getrennt werden kön-
nen, zeichnete sich Letztere doch durch Besonderheiten aus, die sich unter vier
Gesichtspunkten zusammenfassen lassen: Der erste bezieht sich auf ein deutliche
Zunahme des Korrespondenzausstosses. Neben der täglichen Briefproduktion
musste jede Kanzlei nun auch kriegsspezifische Belange - Reislaufverbote, Aufge-
bote, Sieges- oder Verlustmeldungen, Weiterleitung von Informationen an Verbün-
dete etc. - in entsprechender Zahl ausfertigen. Der zweite bestand in der erhöhten
Geheimhaltung. Diese ging mit der Verkürzung zeremonieller Abläufe in der Dip-
lomatie einher. Im Bereich der Information ging es nun darum, möglichst diskret,
möglichst viele glaubwürdige Nachrichten über Verhandlungen und Kriegsverlauf
einzuholen und zu verbreiten - was auch gewissen Formen des Schriftguts wie
etwa den ingschlossen zeddel Vorschub leistete. Dies geschah meistens über entspre-
chend instruierte Mittelsmänner, die sich als Spione anboten.47 Gelegentlich wur-

43 Monnet, Frankfurts Aussenbeziehungen, 2000, S. 208f.
44 Dazu gehören nach der Schlacht bei Sempach (1386), v.a. die Eroberung des Aargaus durch
Bern (1415), der Alte Zürichkrieg und der Savoyerkrieg (1447/48), siehe: Marchal, Sempach,
1986, S. 15-108, Niederstätter, Zürichkrieg, 1995. Zusammenfassend siehe auch: Stettler,
Eidgenossen, 2004, S. 135-184.
45 Esch, Söldner, 1998, S. 254. Grundlegend zur Rolle der Eidgenossen bei den norditalienischen
Kriegen: Schaufelberger, Marignano, 1993, Usteri, Marignano, 1974, Brücher, Mailänder-
kriege, 1949, Gagliardi, Der Anteil, 1919, ders., Novara und Dijon, 1907.
46 Dazu zuletzt: Zeilinger, Lebensformen, 2007, S. 121-134.
47 Dazu die Arbeit von Walter, Informationen, Macht und Wissen (erscheint 2012 in den Beihef-
ten der VSWG), Diss, Allmand, Intelligence, 1992, S. 32-47.
 
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