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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0047

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2. Die städtischen Akten

Die Differenzierung städtischer Botenwesen hatte unterschiedliche Gründe: Sie
konnte mit den diplomatischen Notwendigkeiten Zusammenhängen, welche die je-
weilige Verfassungs- oder Herrschaftsentwicklung der Stadt notwendig machten.
Allerding kann sie auch als Rationalisierungsversuch gedeutet werden, wenn die
Informationsverbreitung über private Dienstleister einzelner Ratsherren nicht
mehr ausreichte. Stets war sie aber auch ein Versuch dem ungebremsten, von Ge-
rüchten durchwachsenen Informationsaustausch, welcher im Spätmittelalter in al-
len öffentlichen Räumen der Stadt stattfand, Paroli zu bieten.1 Welcher dieser
Gründe entscheidend war, kann letzlich nur über die schriftliche Überlieferung er-
schlossen werden, die einer grossen Varianz unterliegt. In keiner der untersuchten
Städte wurde der Übermittlung allerdings eine eigene Aktengattung - etwa umfas-
sende Botenbücher - gewidmet, wie sie sich zum Beispiel in Frankfurt am Main er-
halten haben.2
Die auf das Wesentliche konzentrierte Verschriftlichung, wie sie insbesondere
für die Städte des eidgenössischen Raumes galt, zeigt einen pragmatischen Um-
gang mit der Erfassung ihres Nachrichtenaustausches, zumal es sich dabei um ei-
nen alltäglichen Aspekt der Herrschaftspraxis handelte. Die vorhandenen Akten
wurden dafür als genügend ansehen. Überdies haben hier die städtischen Entschei-
dungsgremien Schriftlichkeit und Mündlichkeit bis ins frühe 16. Jahrhundert hin-
ein für komplementär erachtet.3
Das Schrifttum, welches über die unmittelbaren Aufgaben der Amtsträger be-
richtet sowie die Briefe, welche eine Stadt mit all ihren Kommunikatonspartnern
austauschte, lässt zweierlei erkennen. Zum einen lässt sich an beiden die Differen-
zierung dieser Ämter verfolgen. Zum andern sind sie auch Produkt verschiedener
Kanzleitraditionen, welche stets vom Hintergrund ihrer Produzenten, des Kanzlei-
personals, abhängig waren.4 Dessen Herkunft und Ausbildung prägten sie mindes-
tens so sehr, wie gewisse Moden in der Formulierung oder sprachliche Vorlieben
der Entscheidungsträger, was besonders in den periodisch erneuerten Eidbüchern
auffällt. Die starke Präsenz der Mündlichkeit in der vormodernen Nachrichten-
übermittlung bedingt zudem, dass gerade die technischen Aspekte der Übermitt-
lung häufig nur aus einer Lektüre zwischen den Zeilen erkannt werden können.

1 Zur kommunikativen Konkurrenz zwischen den »Öffentlichkeiten« von Kirchen, Gastäusern,
Marktplätzen oder Gesellschaftshäusern im urbanen Raum siehe auch: Rüther, Integration,
2009, Einleitung, S. 33-37.
2 Monnet, Rue, 2001, S. 71-90, ders., Diplomatie, 2000, S. 73-101.
3 Jucker, Gesandte, 2004, S. 26-27.
4 Vergleichende Studien zur Ausbildung des Kanzleipersonals - insbesondere der Schreiber - in
den eidgenössischen Städten sind nach wie vor ein Forschungsdesiderat, für einzelne Städte
siehe etwa: Jucker, Gesandte, 2004, S. 110-130 (Vergleich mehrerer Städte, basierend auf älterer
Literatur), Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 453-479 (Bern), Glauser, Die Schreiber, 1961, S. 86-
111 (Luzern), Schnetzer, Stadtkanzlei (1470-1500), 1979/80, S. 85-135 (Freiburg i. Ue.).
 
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