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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0182

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5. Die Übermittler unterwegs
5.1. Der Umfang des Nachrichtenausstosses und seine Kosten -
ein Deutungsversuch

Der Umfang des Gesandtschafts- und Korrespondenzwesens einer Stadt ist immer
auch Gradmesser für ihre aussenpolitische Ausstrahlung. Aus der Menge lässt sich
nicht nur auf das Verhältnis der Führungsschicht zum Herrschaftsgebiet schlies-
sen, sondern auch die überregionale wirtschaftliche und politische Vernetzung der
Stadt deuten. Beobachtet man diese Entwicklung über längere Zeiträume hinweg
gibt sie Einsicht in Strukturwandel aller Art.1 Doch wie muss man die Frequenz
von Aussenkontakten deuten? Orte von überregionaler Präsenz wie etwa Nürn-
berg, die zudem über ein umfangreiches Territorium verfügten, hatten im 15. Jahr-
hundert ein sehr umfangreiches Korrespondenzwesen. Allein der Briefausstoss
konnte mehr als tausend Schreiben pro Jahr umfassen, was selbst im Fall, dass Bo-
ten und Gesandte mehrere Briefe auf einmal transportierten, noch Hunderten von
Übermittlungsaufträgen entsprach. So wurden in den Jahren 1450/51 1093 Briefe
verschickt, zwischen 37 und 132 Schriftstücken pro Monat.2 Entsprechend kleiner
war das Gesandtschafts- und Botenwesen in Städten mit begrenzter Aussenwir-
kung: In Görlitz beispielsweise wurden zwischen 1404 und 1437 Schnitt nur 144
Übermittler und Ratsbotschaften pro Jahr ausgesandt, was ungefähr der aussenpo-
litischen Aktivität Nürnbergs in einem Monat entsprach.3 Ähnlich bescheiden nah-
men sich die aussenpolitischen Aktivitäten auch in Lüneburg aus. Der Rat sandte
und empfing zwischen 1443 und 1450 681 Gesandte und Boten, was im Schnitt 76
Aussenmissionen pro Jahr ausmachte.4 In Regensburg, das im Spätmittelalter seine
politische und wirtschaftliche Vormachtstellung eingebüsst hatte, lässt sich dies
auch an der Anzahl Botengänge zu Fuss ablesen. Zwischen 1393 und 1498 wurden
nur rund 3'000 abgerechnet, was einem Durchschnitt von 28 Läufen pro Jahr ent-
sprach.5 Für eine mittelgrosse Stadt mit entsprechend grossem Umland und massi-
ger aussenpolitischer Bedeutung waren diese aus Nürnberger Perspektive eher be-
schiedenen Zahlen nicht ungewöhnlich. Sie lassen sich auch im Süden des Reiches
beobachten. Aus den sechs zwischen 1443 und 1466 erhaltenen Konstanzer Stadt-
rechnungen kann man einen Durchschnitt von etwa 159 Botenläufen und 79 Ge-
sandtschaften pro Jahr ermitteln. Damit verfügte die Bodenseestadt ausserhalb ih-
1 Müller, Fischersche Post, 1917, S. 24.
2 Rübsamen, Briefeingangsregister, 1997, S. 21f., dazu auch: Sander, Haushaltung, 1902, S. 526-
556, 558-613.
3 Insgesamt wurden in den hiesigen Rechnungsquellen 4'759 solcher Posten erfasst. In: Monnet,
Rue, 2001, S. 77, Hlaväcek, Kommunikation, 1998, S. 27, Matous, Görlitzer Boten, 1994, S. 501,
Schuster, Görlitz, 1919.
4 Ranft, Basishaushalt, 1987, S. 77-107.
5 Braun, Finanzwesen, 1995, S. 109.
 
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