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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0284

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Epilog: Botenwesen als Vorläufer
von Postdiensten?

Um 1500 existierten sowohl die offenen Nachrichtenstrukturen städtischer Herr-
schaftsträger als auch erste Formen organisierter, regelmässiger Kurierdienste ne-
beneinander. Der Preis- und Verdrängungskampf zwischen fürstlichen Stafetten
und städtischer Nachrichtennetzwerken sollte erst mit der Konfessionalisierung
einsetzen.1 Die soziale Neuordnung, welche Fürsten und ihre Herrschaftsinstru-
mente stärkte, wirkte der Offenheit der städtischen Übermittlungssysteme entge-
gen und führte - zumindest in der Fernkommunikation - zu einer langsamen Ver-
drängung städtischer Nachrichteninstitutionen zu Gunsten der straffer, privat
organisierter Postbetriebe.
Die Verdrängung der offenen Übermittlungssysteme hing allerdings auch mit
der Popularisierung der Medien zusammen, die sich aus der besseren Bildung der
Stadtbevölkerung, dem grösseren politischen und wirtschaftlichen Gewicht städti-
scher Öffentlichkeiten, der Verbreitung von Flugschriften, der Erschwinglichkeit
von Schreibstoff und dem stärkeren Bedürfnis nach privatem Austausch über Dis-
tanzen hinweg, ergab.2 Da die Übermittlertätigkeit keinerlei Spezialwissen benö-
tigte und sie daher von jedermann (und auch -frau) ausgeübt werden konnte,
scheint diese im Verlauf des 15. Jahrhunderts auch zum Tummelfeld unzähliger
Abenteurer gemacht zu haben. Zugleich zeigt die unterschiedliche Deutung des Be-
griffes zeitung, nuere zitung oder nüwe mer, wie schwierig es selbst für Zeitgenossen
war, den faktischen Gehalt mancher Nachrichten zu überprüfen und zu beurteilen,
und wie einfach, diese für eigene Zwecke zu manipulieren. Man denke dabei etwa
an die Weise, mit welcher Maximilian I. versuchte, durch die Verbreitung propa-
gandistischer Flugblätter nach den Burgunderkriegen politische und fiskalische
Zugeständnisse von einigen südwestdeutschen Städten zu erzwingen.3
Die Polyvalenz des Boten in der vormoderner Nachrichtenübermittlung
machte ihn überdies zu einem dankbaren Mittel propagandistischer Lenkung, die
ihren Ausdruck auch in mehreren, durch Schriftquellen nur schwer zu stützende
Bildstereotypen fand. Ohne bei der gegenwärtigen Forschungslage ein abschlies-
sendes Urteil fällen zu können, lassen sich doch zwei Richtungen ausmachen, die
sich unabhängig von geographischer Verbreitung nahezu gesamteuropäisch mani-
festierten: Die satirisch-populäre Überhöhung des Boten und seine Darstellung als
williges Herrschaftsinstrument und -medium. Letzteres ist durchweg der Grund-
ton vieler Abbildungen in der fürstlichen und städtischen Chronistik des Mittelal-
ters. Ob im Liber ad honorem Augusti des Petrus de Ebulo im ausgehenden 12. Jahr-
hundert, der mit der Darstellung der cursores die raumübergreifende Effizienz
sizilianisch-staufischer Königsherrschaft verdeutlichte, oder den Bildern in den
1 Vgl. dazu etwa: Dallmeier, Postwesen, 1977.
2 Im Überblick dazu: Faulstich, Medien, 1998.
3 Dazu etwa auch: Hirschi, Wettkampf, 2005, S. 243-252.
 
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