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3. Das städtische Botenwesen als Organisationsform
der Verwaltung ausgenutzt, um den Nachrichtenfluss zu gewährleisten.26 Zudem
lassen sich die beschriebenen Kriterien nicht in allen Städten nachweisen, da sie
sich in der Praxis häufig überlagerten und einer zeitlichen Entwicklung unterlagen.
Eine nähere Betrachtung des Zusammenspiels der genannten Kriterien lohnt sich
allerdings:
3.2.1. Der Rechtsstatus der Übermittler
Die rechtliche Stellung des Übermittlers konnte bei der Auftragsvergabe die Aus-
wahl eines Übermittlers begünstigen. Entscheidend war, ob er das Bürgerrecht be-
sass und welche weiteren rechtlichen Verbindlichkeiten - Eide oder andere Ver-
sprechnungen - ihn an die Stadtverwaltung banden. Prinzipiell war das Bürgerrecht
für die Übernahme niederer Ämter unabdingbar. Die städtische Rechtspraxis war
in Anbetracht der Bedeutung des kontrollierten Nachrichtenaustausches jedoch
von bemerkenswerter Flexibilität: Mindestens einer der Stadtläufer, die in den
1430er Jahren in Konstanz seinen Dienst versahen, war zum Zeitpunkt seiner Wahl
noch kein Stadtbürger, auch wenn seine Aufnahme offensichtlich bereits in die
Wege geleitet worden war.27
Die Übernahme einzelner Aufträge durch Personen ohne Bürgerrecht war hin-
gegen kein Problem. Dies zeigt etwa eine Luzerner Satzung über »fremde«, d.h.
auswärtige Dienstknechte sowie bürgerrechtslose städtische Hintersassen aus dem
Jahr 1471. Nach dem Schwur eines Eides vor dem Schultheissen oder Ratsrichter
konnten auch diese Personen offizielle Aufträge ausführen, zumal sie sich damit
kurzfristig der städtischen Jurisdiktion unterstellt hatten. Konkret verpflichteten
sie sich mit der Formel unser statt nutz und ere zufiirdern und unsern schaden ze war-
nen und ze wenden, die im identischen Wortlaut die Eide aller städtischen Dienst-
leute einleitete.28
Im Gegensatz zu solchen Regelungen auf Zeit stellten Amtseide verbindli-
chere, mindestens auf ein halbes, meist jedoch auf ein Jahr angelegte Verpflichtun-
gen zum Ratsdienst dar. Die Besonderheit der Amtseide wurde durch den rituellen
Charakter des damit verbundenen Amtsschwurs vor dem Rat unterstrichen.29 Da-
durch wurde nicht nur eine ideelle Bindung zwischen Stadt und Amtsträger herge-
stellt, sondern auch ganz praktisch sein künftiges Wirkungsgebiet Umrissen. Für
den Dienstleister hatte dieser Platz in der städtischen Verwaltungshierarchie letzt-
lich höhere Bedeutung als das Bürgerrecht. Der vereidigte Bote war nicht mehr ein-
facher Bürger, sondern aktiver Vertreter des Herrschaftsgefüges. Als solches galt
auch sein Wort mehr als jenes eines nicht vereidigten Übermittlers. Diese Stellung
verschaffte ihm trotz seiner meist niedrigen sozialen Herkunft eine unmittelbare
26 Siehe dazu Kap. Stadtläufer, die halböffentliche Stellung der Läufer.
27 Frieden, Nachrichtenwesen, 1996, S. 48. Zur stärkeren Bewertung des Amtseides siehe auch
Kap. Weibel, die Freiburger Familie Giron.
28 Weber, Weissbuch, 1916, S. 35.
29 Studien zu städtischen Beschwörungen aus dem Blickwinkel des Rituals sind bisher vornehm-
lich zu den Podestä der italienischen Stadtkommunen im 13. und 14. Jahrhundert verfasst wor-
den, siehe: Dartmann, Schrift im Ritual, 2004,169-204.
3. Das städtische Botenwesen als Organisationsform
der Verwaltung ausgenutzt, um den Nachrichtenfluss zu gewährleisten.26 Zudem
lassen sich die beschriebenen Kriterien nicht in allen Städten nachweisen, da sie
sich in der Praxis häufig überlagerten und einer zeitlichen Entwicklung unterlagen.
Eine nähere Betrachtung des Zusammenspiels der genannten Kriterien lohnt sich
allerdings:
3.2.1. Der Rechtsstatus der Übermittler
Die rechtliche Stellung des Übermittlers konnte bei der Auftragsvergabe die Aus-
wahl eines Übermittlers begünstigen. Entscheidend war, ob er das Bürgerrecht be-
sass und welche weiteren rechtlichen Verbindlichkeiten - Eide oder andere Ver-
sprechnungen - ihn an die Stadtverwaltung banden. Prinzipiell war das Bürgerrecht
für die Übernahme niederer Ämter unabdingbar. Die städtische Rechtspraxis war
in Anbetracht der Bedeutung des kontrollierten Nachrichtenaustausches jedoch
von bemerkenswerter Flexibilität: Mindestens einer der Stadtläufer, die in den
1430er Jahren in Konstanz seinen Dienst versahen, war zum Zeitpunkt seiner Wahl
noch kein Stadtbürger, auch wenn seine Aufnahme offensichtlich bereits in die
Wege geleitet worden war.27
Die Übernahme einzelner Aufträge durch Personen ohne Bürgerrecht war hin-
gegen kein Problem. Dies zeigt etwa eine Luzerner Satzung über »fremde«, d.h.
auswärtige Dienstknechte sowie bürgerrechtslose städtische Hintersassen aus dem
Jahr 1471. Nach dem Schwur eines Eides vor dem Schultheissen oder Ratsrichter
konnten auch diese Personen offizielle Aufträge ausführen, zumal sie sich damit
kurzfristig der städtischen Jurisdiktion unterstellt hatten. Konkret verpflichteten
sie sich mit der Formel unser statt nutz und ere zufiirdern und unsern schaden ze war-
nen und ze wenden, die im identischen Wortlaut die Eide aller städtischen Dienst-
leute einleitete.28
Im Gegensatz zu solchen Regelungen auf Zeit stellten Amtseide verbindli-
chere, mindestens auf ein halbes, meist jedoch auf ein Jahr angelegte Verpflichtun-
gen zum Ratsdienst dar. Die Besonderheit der Amtseide wurde durch den rituellen
Charakter des damit verbundenen Amtsschwurs vor dem Rat unterstrichen.29 Da-
durch wurde nicht nur eine ideelle Bindung zwischen Stadt und Amtsträger herge-
stellt, sondern auch ganz praktisch sein künftiges Wirkungsgebiet Umrissen. Für
den Dienstleister hatte dieser Platz in der städtischen Verwaltungshierarchie letzt-
lich höhere Bedeutung als das Bürgerrecht. Der vereidigte Bote war nicht mehr ein-
facher Bürger, sondern aktiver Vertreter des Herrschaftsgefüges. Als solches galt
auch sein Wort mehr als jenes eines nicht vereidigten Übermittlers. Diese Stellung
verschaffte ihm trotz seiner meist niedrigen sozialen Herkunft eine unmittelbare
26 Siehe dazu Kap. Stadtläufer, die halböffentliche Stellung der Läufer.
27 Frieden, Nachrichtenwesen, 1996, S. 48. Zur stärkeren Bewertung des Amtseides siehe auch
Kap. Weibel, die Freiburger Familie Giron.
28 Weber, Weissbuch, 1916, S. 35.
29 Studien zu städtischen Beschwörungen aus dem Blickwinkel des Rituals sind bisher vornehm-
lich zu den Podestä der italienischen Stadtkommunen im 13. und 14. Jahrhundert verfasst wor-
den, siehe: Dartmann, Schrift im Ritual, 2004,169-204.