Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0080

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3. Das städtische Botenwesen als
Organisationsform
3.1. Charakteristiken offizieller Nachrichtenwesen

Es ist nicht mit Sicherheit feststellbar, woher die Anregung für organisierte Nach-
richtenübermittlung stammte. Doch lässt sich spätestens um 1350 bei den meisten
europäischen Mächten ein weitgehender Konsens darüber feststellen, durch wen
und auf welche Weise Informationen zu übermitteln waren. Im Gegensatz zu den
zahlreichen Formen freier Informationsweitergabe durch mobile Gruppen oder der
»privaten« Nachrichtenübermittlung durch Bedienstete oder Freunde der Auftrag-
geber, galten im Bereich des herrschaftsgebundenen Nachrichtenaustausches ei-
gene Regeln, insbesondere was Regelmässigkeit, Geheimhaltung und Umgangsfor-
men angeht. Diese hingen vom jeweiligen Nachrichtenbedarf spätmittelalterlicher
Herrschaftsgefüge ab, waren gleichzeitig aber auch Abbild politischer Wirklichkei-
ten: Steter oder sogar regelmässiger Nachrichtenaustausch mit Untertanen und
Verbündeten wurde zunehmend zum Mittel der Herrschaftsmanifestation und -
durchdringung.1 Auch das Vorenthalten von Informationen, beziehungsweise das
Streuen falscher Nachrichten wurde nach 1350, als sich Frühformen bewusst betrie-
bener Informationspolitik auch auf Reichsgebiet nachweisen lassen, zu einem im-
mer häufigeren Mittel der Herrschaftspraxis.2 Neben der immer wichtiger werden-
den Diplomatie wurde auch die Frequenz des Nachrichtenaustausches, die
Möglichkeiten der Botenwesen und die Ausstattung der offiziellen Übermittler
zum Abbild der politischen Kultur einzelner Herrschaftsträger.3 Rein äusserlich
hatte sich bis ins 15. Jahrhundert eine Standardisierung offizieller Nachrichtenbo-
ten vollzogen.4 Diese Entwicklung fand trotz zahlreicher Unterschiede in Kanzlei-
praxis und Überlieferung sowohl an Höfen als auch in Städten statt.

3.1.1. Charakteristiken der Botenwesen in eidgenössischen Städten
Die Nachrichteninstitutionen der Städte im eidgenössischen Raum glichen jenen
der Orte im oberdeutschen Raum.5 Allen war eine lockere Struktur eigen, alle wa-
1 Siehe dazu Kap. Raumwirkung und Informationspolitik.
2 Dazu auch Kap. Funktionen und Aspekte des Nachrichtenaustausches mit dem Untertanenge-
biet. Zum politischen Hintergrund der Besuchsfrequenz siehe: Seggern, Herrschermedien,
2003, S. 115-117.
3 Kintzinger, Messageries, 2008, S. 191-195, Pohl, Einführung, 1989, S. 14f.
4 Siehe dazu ausführlich Kap. Stadtläufer, die Zeichen ihres Dienstes.
5 Siehe dazu Kap. Städtische Botenwesen - »avant la lettre«. Zu den Städten in Franken und
Schwaben siehe: Wüst, Reichsstädtische Kommunikation, 1999, S. 681-707. Das bisher am bes-
ten untersuchte Beispiel aus dem Raum ist Nürnberg: Sporhan-Krempel, Nachrichtenzent-
 
Annotationen