Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0280

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8.2. Charakterzüge der Nachrichtenübermittlung in Konfliktzeiten

267

8.2.3. Sicherheit der Übermittlung - Krieg gegen Boten und Briefe
Konflikte richteten sich nicht nur gegen die materiellen Grundlagen des Gegners,
sondern auch seine Infrastruktur.91 Damit waren nicht nur seine wirtschaftlichen
Grundlagen oder die Stützpunkte bzw. handlungsberechtigten Vertreter seiner
Macht gemeint, sondern auch seine Kommunikationsmittel.92 Trotz ihrem Schutz
durch Eide oder Insignien, galten Übermittler in Kriegssituationen als Agenten der
Gegner. Dadurch gerieten sie buchstäblich zwischen die Fronten: Die Boten seines
Feindes abzufangen, gehörte zur spätmittelalterlichen Kriegsführung, wie das Auf-
brechen ihrer Briefe oder das Foltern des Überbringer, um an zusätzliche Informati-
onen zu gelangen. Allerdings wurden auch gezielt »falsche« Boten und Briefe ein-
gesetzt, um den Gegner in die Irre zu führen.93 Da also dem geheimeren Teil der
Informationsverbreitung und -Beschaffung in Kriegszeiten anderes Gewicht zu-
kam, waren jene Boten, die zwischen Heereskontingenten und Entscheidungsträ-
gern Neuigkeiten austauschten, am stärksten von Übergriffen gefährdet. Die dichte
Überlieferung des 15. Jahrhunderts macht den unterschiedlichen Umgang der
Kriegsparteien mit den Boten des Gegners in all ihren Facetten sichtbar.
Zu den ersten, die im Reichsgebiet durch konsequente Übergriffe auf die Über-
mittlung des Gegners auch seine Kriegstüchtigkeit stören wollten, gehörten ver-
mutlich die Hussiten in den Kämpfen der 1420er und 1430er Jahre. So richtete im
März 1425 der antihussitische Olmützer Rat ein Schreiben an Herzog Albrecht VI.
von Österreich, worin dieser gebeten wurde, sich bei der Schilderung seiner militä-
rischen Tage zurückzuhalten, da etliche Briefe in die Hände der hussitischen
Kämpfer gelangt seien. Unvorsichtigerweise habe er darin auch auf die zweifel-
hafte Wehrtüchtigkeit einiger Städte angespielt, was diese in eine missliche Tage
gebracht habe.94 Persönlich angegriffen wurde auch ein Bote König Sigismunds, der
1431 auf dem Weg zum Nürnberger Rat von hussitischen Kriegshaufen abgefangen
wurde. Im Bewusstsein ihrer Überlegenheit öffneten und lasen diese alle Briefe,
zerrissen jene des Königs und schickten den Täufer mit den übrigen, geöffneten
nach Nürnberg weiter. Da sich der Übermittler hier nicht ausweisen konnte - auch
die Hussiten pflegten offenbar die Taktik der falschen Boten - wurde er kurzerhand
eingekerkert und der König schriftlich ersucht, seine Identität zu bestätigen.95
Im eidgenössischen Raum beginnen sich die überlieferten Fälle von Übergrif-
fen auf Boten etwa in die Zeit des Alten Zürichkrieges zu mehren. Er gilt als erster
unter den grossen Konflikten des 15. Jahrhunderts an welchem die Eidgenossen-
schaft und alle umliegenden Mächte wie das Reich, Savoyen, Burgund aber auch
Frankreich beteiligt waren.96 Der Krieg gegen die Übermittler des Gegners erreichte
damit einen ersten Höhepunkt. Noch 1513 bewog dies den Fuzerner Diebold Schil-

91 Contamine, La guerre, 2000, S. 35-52, Himmelsbach, Renaissance des Krieges, 1999, Alla-
mand. War, 1998, S. 161-174, Heiduk, Verbrechen, 1997.
92 Ausführlicher bei: Armstrong, Examples (1948), 1983, S. 429-469 und 97-122.
93 Ausführlicher siehe in Kap. Stadtläufer, Geleitschreiben.
94 Palacky, Hussitenkrieg Bd. 1,1873, S. 384, Nr. 329.
95 Palacky, Hussitenkrieg Bd. 2,1873, S. 214, Nr. 738.
96 Berger, Zürichkrieg, 1978, S. 105-133.
 
Annotationen