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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0066

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2.3. Zeugnisse des Korrespondenzwesens und der obrigkeitlichen Entscheidungsfindung 53

2.3.1. Ratsprotokolle und Schuldschreibrodel
Beide Quellengruppen sind im Wesentlichen an die laufende Tätigkeit des städti-
schen Entscheidungsgremiums gebunden. Die Ratsprotokolle dienten dem Stadt-
schreiber meistens zum skizzenhaften Festhalten einzelner Ratssitzungen sowie
aller dabei gemachten Beschlüsse. Zudem notierte er alle Schreibarbeiten, die dar-
aus erwuchsen. Daher sind die meisten Manualeinträge datiert.
Auch bei Ratsprotokollen handelt es sich um eine Quellengattung, die in vie-
len Städten erst im Verlauf des 15. Jahrhunderts auftaucht. Ausnahme war etwa Lu-
zern, wo sie bereits für das Jahr 1381 überliefert sind. Ihre Deutung ist allerdings
nicht unproblematisch, zumal sie zahlreiche Lücken aufweisen und teilweise nicht
richtig datiert werden können.84 Verhältnismässig früh, nämlich 1438, begann auch
die Überlieferung der Ratsmanuale in Freiburg i. Ue.85 Abgesehen von Berner Frag-
menten scheint dies im eidgenössischen Westen der früheste Zeitpunkt gewesen zu
sein. In Solothurn wurden Ratsmanuale erst im ausgehenden 15. Jahrhundert ange-
legt.86
Das Paradebeispiel stellen die Berner Ratsmanuale dar, die 1465 von Nikolaus
Fricker und seinem Sohn Thüring eingeführt wurden.87 Im Gegensatz zu den ältes-
ten Bänden der Solothurner Überlieferung, die wohl eher der Anwesenheitskont-
rolle der Ratsherren diente, zumal sie beinahe nur ihre Namen aufzählt, beinhalten
die Berner Manuale zahlreiche vom Rat abgehandelte Themen in grosser Ausführ-
lichkeit. Dies bezieht sich nicht nur auf die Details, die insbesondere Thüring Fri-
cker zusammen mit seinem späteren Kollegen Diebold Schilling d. Jüngeren und
weiteren Schreibern während der Sitzungen vermerkt hat, sondern vor allem auf
seine Kommentare und allfällige Querverweise - etwa die ausführlicheren Versio-
nen der Beschlüsse in den Missivenbüchern.88 Aus diesem Grund bietet sich das
Berner Beispiel für die Untersuchung der Abläufe im Gesandtschaftswesen und der
politischen Entscheidungsfindung besonders an.89 Die von Nikolaus und Thüring
Fricker begründete Verschriftlichungstradition trug nämlich den unterschiedlichs-
ten Korrespondenztypen Rechnung: Bereits im Manual unterschieden sie zwischen
einfachen Briefen, Urkunden, Instruktionen an Gesandte sowie allen anderen
Schriftstücken. Auch einfache Läufer und Reiter tauchen in den Manualen gele-
gentlich auf. Im Gegensatz zu den Ratsboten werden sie aber nur selten namentlich
erwähnt. Allerdings wird in Ratsmanualen manchmal auch vom Einsatz unkon-
ventioneller Übermittlungsarten berichtet, wie sie im besagten Raum etwa Stafet-
ten dargestellt haben.90
Für den Umfang der täglichen Briefübermittlung sind die Schreib- oder Brief-
rodel der Stadtschreiber hingegen aufschlussreicher. Diese besonderen Rechnungs-
bücher, die den gesamten Schreibaufwand der Kanzlei erfassten, geben nicht nur
84 StaLU, RP1, Ratsprotokolle I (1381ff.), siehe auch: Jucker, Gesandte, 2004, S. 136f.
85 StaFR, RM1, Ältestes Ratsmanual (15.7.1438-13.8.1447).
86 StaSO, Ratsmanual 1 (1498-1506).
87 StaBE, AII, Nr. 1 Ratsmanuale (1465).
88 Siehe dazu: Esch, Alltag, 1988, S. 21-34. Ausführlicher im Kap. Übermittler unterwegs, Funk-
tionsablauf.
89 Siehe Kap. Übermittler unterwegs, Funktionsablauf.
90 Siehe Kap. Übermittler unterwegs, Stafetten.
 
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