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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0087

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3. Das städtische Botenwesen als Organisationsform

musste, hätten Treueverpflichtungen den Übermittlern sogar gefährlich werden
können.34

3.2.2. Finanzielle Aspekte
Die Übernahme eines niederen Stadtamtes lohnte sich trotz des damit verbundenen,
teils hohen Aufwandes. Den Anreiz schufen materielle Vorzüge: Bereits um 1400
umfassten diese nicht nur ein regelmässiges Festgehalt, sondern zahlreiche andere,
amt- oder auftraggebundene Entschädigungen und den Bezug von Dienstkleidung.
Während viele dieser Gratifikationen unabhängig von der tatsächlichen Leistung
der Amtsträger gewährt wurden und daher auch als Entschädigung für deren stän-
dige Verfügbarkeit angesehen werden müssen, war das Weggeld der Übermittler
immer vom jeweiligen Auftrag abhängig. Das Gleiche galt für Wartegelder, die der
Bote im Falle eines unvorhergesehenen Aufenthaltes am Zielort beanspruchen
durfte. Doch auch von Gratifikationen haben nicht alle auf gleiche Weise profitiert.
Ihre ungleichmässige Verteilung lässt unter den niederen Ämtern eine deutliche
Hierarchie erkennen: Die meisten Entschädigungen erhielten wohl Weibel, gefolgt
von den berittenen Boten. Erst dann kamen die Läufer.35 Da die festen Entschädigun-
gen bei Letztgenannten verhältnismässig gering ausfielen, mussten selbst langjäh-
rige städtische Dienstleute bei eingeschränkter Nachfrage mit finanziellen Eng-
pässen rechnen. Allerdings durften Stadtläufer ihre Dienste auch externen
Auftraggebern anbieten, was ihre Verdienstmöglichkeiten bedeutend erweiterte.36
Für Gelegenheitsläufer war die Situation anders, der Stadtdienst war für sie
häufig nur ein Zubrot. Nicht selten wurden sie zu tieferen, je nach Auftrag ausge-
handelten Ansätzen entschädigt, die deutlich unter jenen ihrer fix bezahlten Kolle-
gen liegen konnten. Doch auch diese wurden von ihrer Stadtführung eher stiefmüt-
terlich bedacht: Noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts berechnete jede Stadt in der
Alten Eidgenossenschaft Botengänge nach eigenen Tarifen, deren Höhe sich oft-
mals nicht mit den Vorstellungen der Übermittler deckte. Die Stadtführungen be-
klagten sich, dass häufig keine offiziellen Läufer verfügbar waren und Aufträge
daher allzu oft an nicht autorisierte Übermittler vergeben werden mussten.37 Zu-
dem würden viele vereidigte Amtsträger Preistreiberei betreiben und im Rahmen
der verbreiteten Schenkpraxis vom Empfänger immer unverschämtere Geldge-
schenke für ihre Dienste verlangen. Als erfolg- und daher ergebnislos muss aller-
dings der Versuch des Berner Rates vom 8. Februar 1522 angesehen werden, die

34 Dazu auch Kap. Choses secreites - Übermittler als Kundschafter, Geheimboten und Spione.
35 Dies galt insbesondere für Weibel, deren Anwesenheit bei Verhandlungen aus rechtlicher Sicht
sogar erwünscht war, ausführlicher in Kap. Weibel, Aufgaben in Nachrichtenübermittlung und
Diplomatie, Aufgaben in Kriegszeiten und Jenseits des Übermittlungsalltages, fürstliche He-
rolde.
36 Siehe Kap. Läufer, die halböffentliche Stellung der Läufer.
37 Müller, Fischersche Post, 1917, S. 17. Mehr dazu auch in Kap. Stadtläufer, Löhne, Wartegelder
und allerlei Geschenke.
 
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