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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0142

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4.5. Der statt Sachen und geschafft getruwlich ze fertigen

129

4.5.2. Begriff, Bedeutung und verbriefte Aufgaben
Wie beim vom Kanzleipersonal benutzten Begriff Reiter, der sich auf Ratsboten, ver-
eidigte Stadtreiter und Gelegenheitsreiter beziehen konnte, galt die Bezeichnung
louffender botte, läuffer oder louffender kriecht häufig eher der Beschreibung einer
Fortbewegungsart als dem Dienstverhältnis zwischen Auftragnehmer und Auf-
traggeber. Im Gegensatz zur Bezeichnung Reiter bezog sich der Terminus Läufer nur
auf niederes Dienstpersonal und Gelegenheitsübermittler, nie aber auf höhere
Amtsträger. Anders die Bezeichnung Bote oder Botte, die für alle sozialen Gruppen,
synonym für Übermittler und Gesandte genutzt wurde. Gerade letzteres zeigt, dass
aus der Sicht des Kanzleipersonals alle Personen, die ihre Stadt nach aussen vertra-
ten, vergleichbaren Zielen dienten. Dies wirft die Frage auf, inwiefern dabei die Tä-
tigkeiten der einzelnen niederen Amtsträger überhaupt differenziert werden müs-
sen. Viele Studien machen zwar die berechtigte, sozial begründete Unterscheidung
zwischen den Zuständigkeiten höhergestellter Gesandter und jenen des niederen
Dienstpersonals.233 In welchen Tätigkeiten sich jedoch Letztere unterschieden wird
nur selten dargestellt. Dies ist angesichts der zahlreichen Kompetenzüberschnei-
dungen zwischen ihren Dienstbereichen nicht falsch. In der alltäglichen Übermitt-
lung spielten die in den Eiden festgeschriebenen Unterschiede zwischen Läufern,
Weibeln und Reitern tatsächlich eine untergeordnete Rolle. Umso stärker kamen sie
jedoch in Krisenzeiten zu tragen.234
Eine grundsätzliche Minderachtung der Läufer im Vergleich zu den Reitern
kann in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zumindest in den Städten des eid-
genössischen Raumes nicht beobachtet werden. Nicht nur, dass ihre Zahlen bis um
1500 anstiegen, auch ihre Eide wurden ebenso regelmässig erneuert und erweitert
wie die ihrer berittenen Kollegen. Genau wie bei diesen, tauchen erste Kodifikatio-
nen bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts auf, gehäuft aber erst zwischen 1470 und
1510, als in vielen Stadtkanzleien neue Akten angelegt werden.235 Mehrere Überar-
beitungen älterer Eidtexte waren auch bei den Läufern keine Seltenheit, was mit der
Ausdifferenzierung der niederen Ämter zusammenhing, die bis zum Ausgang des
Mittelalters jedoch stets funktionsgebunden blieb. Die Erweiterung der Läufereide
war Zeichen gestiegener Wertschätzung, allerdings auch eines allgemein zu beob-
achtenden obrigkeitlichen Regelungsbedarfs - wenn man bedenkt, dass etwa der
Berner Läufereid von 1473 in seiner Drittfassung von 1492 fast auf den doppelten
Umfang ausgeweitet wurde. Unterschiede im Umfang der Kodifizierung bestan-
den höchstens zwischen Läufer- und Weibeleid.236 Nur die innere Sicherheit, deren
Aufrechterhaltung zu den zentralen Aufgaben der Weibel gehörte, wurde von den
Stadtführungen höher eingeschätzt als die Belange von Kommunikation und Nach-
richtenwesen: Am deutlichsten wird dies in Luzern, wo der Weibeleid im Alt Eyd

233 Dies ist vor allem auf die gelegentlich als verwirrend empfundene Quellenbezeichnung Bote
zurückzuführen, die zumindest im eidgenössischen Bereich für beide - Ratsgesandtschaften
und Übermittler - benutzt wurde. Eine Distinktion ist häufig nur mit Hilfe von Amtsträgerlis-
ten zu machen, zu diesem Problem siehe auch: Jucker, Gesandte, 2004, S. 80.
234 Mehr dazu in Kap. Nachrichtenübermittlung in Konfliktzeiten.
235 Siehe auch Kap. Die städtischen Akten, Eidbücher.
236 Zu den Details dieses Prozesses siehe Kap. Botenwesen - avant la lettre, Bern.
 
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