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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0225

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212

5. Die Übermittler unterwegs

ten Raum selten. Dennoch waren sich wohl alle Stadtführungen der Problematik
von Gasthäusern als öffentlichem Raum bewusst, in welchem nicht nur Verhand-
lungen geführt, sondern auch Nachrichten und Gerüchte ausgetauscht werden -
vor allem wenn Wein im Spiel war.240 Doch auch die Rolle des Wirtes hatte seit dem
14. Jahrhundert einen Wandel vom Dienstleister zur Vertrauensperson erfahren,
was besonders in Städten verbreitet war. Als Beispiel sei hier der Berner Wirt auf
dem Rathaus Ludwig Krummenacher genannt, welcher für das leiblich Wohl der
Ratsherren und ihrer Gäste zuständig war, während sein Bruder zugleich auch das
städtische Weibelamt bekleidete.241 Wie Wirte und Fussboten jenseits der Beher-
bungspflicht zu einander standen, wäre Gegenstand einer eigenen Untersuchung.

5.6.4. Pferdemiete unterwegs und allerlei Führer
Gesandte konnten der Stadt die Miete eines Pferdes in Rechnung stellen, falls ihr
eigenes unterwegs stark ermüdete oder gar erkrankte.242 Übermittler mussten im
gleichen Fall die Kosten für die Pferdemiete selber tragen, weshalb sich keine ver-
gleichbaren Einträge in den Freiburger oder Solothurner Rechnungsquellen nach-
weisen lassen.243 Nur die Berner Obrigkeit entschied in diesem relativ seltenen Fall
nach eigenem Ermessen. Im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts übernahm die Stadt
die Pferdemietkosten für externe Pferde, wenn der Bote nachweisen konnte, dass er
sonst sein Ziel nicht erreicht hätte. Hauptursache waren Unwetter. Um seinen Auf-
trag erfüllen zu können, musste der Stadtläufer Melchior Müller, der im Frühjahr
1519 zum Bernischen Verwaltungssitz nach Trachselwald ritt, ein Reittier mieten.
Die über die Ufer getretene Emme liess sich offenbar nur zu Pferd sicher überque-
ren.244 Auch der Zubote Ulrich Wirt, erhielt im Jahr 1522 zwei mal alle Kosten für ein
Mietross von der Stadt rückerstattet - einmal als er ins voralpine Obersimmental
geritten war und einmal für einen Botengang nach Lausanne. Beide Male musste er
dabei offenbar durch Bäche und Flüsse reiten, die Hochwasserstand hatten.245
Kulanter waren Städte, wenn Boten Führer brauchten. Letztere dienten aller-
dings nicht der Orientierung vor Ort, denn die meisten Übermittler fragten auf un-
bekannten Strecken entweder bei anderen Reisenden nach oder informierten sich
in Herbergen und Wirtshäusern.246 Die Gründe, dass Boten zusätzliche Begleitperso-
nen engagierten, waren zum einen witterungsbedingt: So verpflichtete der Freibur-
ger Übermittler Swendimann im Frühjahr 1440 bei einem Botengang ins Unterwal-
240 Zum Problem des Alkohols bei Vertragsabschlüssen im Wirtshaus siehe: Peyer, Gastfreund-
schaft, 1987, S. 243
241 Besonders in der Schweiz und in den Niederlanden wurden Wirte als Zeugen, Siegler oder auch
als Schreiber bei Geschäften beigezogen, siehe: Peyer, Gastfreundschaft, 1987, S. 244, zu Krum-
menacher siehe Kap. Weibel, Aufgaben in Nachrichtenübermittlung und Diplomatie.
242 Bartlome, Die Rechnungsbücher, 1988, S. 99f.
243 Siehe dazu Kap. Reiter, Bedeutung und Kosten der Pferde.
244 Denne har er ein ross gedingot gan trachsewald durch die emmen zuriten, in: StaBE, B VII453, Stadt-
rechnung 1519/1, S. 24.
245 Denne iili wirt zu obersibental ein warttag unnd ein mietross durch die bäch zufarenn, denne iili wirt zu
losan ii warttag ouch ein ross zu mietten, durch die wasser zuriten, StaBE, B VII 454, Stadtrechnung
1522/11, S. 27f.
246 Kümin, Wirtshaus, 2007, S. 342f.
 
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