5.6. Reise(hilfs)mittel und Infrastrukturfragen
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übernachten musste, nur 4 Konstanzer Pfennig zugesprochen.233 Als wenig privile-
gierter Amtsträger konnte er sich aber glücklich schätzen, denn vier Pfennig ent-
sprachen damals dem Wartegeld für zwei Tage.
Dass Boten von ihrer Obrigkeit auf Reisen finanziell kurz gehalten wurden,
hatte mehrere Gründe, die auch mit dem öffentlichen Charakter spätmittelalterli-
cher Gashäuser Zusammenhängen.234 Zum einen sollte sie das knappe Wartegeld zur
Eile antreiben, zum anderen verhindern, dass sie in Weinschenken oder in den be-
sonders verschrienen Tavernen einkehrten, wo sie mehr oder weniger freiwillig
vertrauliche Einzelheiten über ihre Aufträge preisgeben konnten, unnötig Zeit ver-
schwendeten und sich sogar ihre Briefe klauen Hessen, was für einen Dienstmann
als ernsthaftes Vergehen galt.235 Zudem bestand die Gefahr, dass sie sich betranken
und danach in Raufhändel, oder gar in Messerstechereien gerieten. 1509 wurde in
Basel auch ein Solothurner Läufer mit der relativ hohen Summe von 1 Pfund und 5
Schilling entschädigt, nachdem er infolge eines Streites offenbar zu Unrecht aus
dem Gasthaus zum lözven harusz gefallen war.23b
Ähnlich zwiespältig wurden die Übermittler offenbar von Wirten wahrge-
nommen: An Fussboten, die man eh zu einem festen Preis unterzubringen hatte
und die sich höchstens über Nacht aufhielten, liess sich weniger verdienen als an
den kostenintensiveren Reitern oder Gesandten. Im Rahmen von Gesandtschaften
hatten Reiter nämlich auch die Aufgabe, für ihre reisenden Dienstherren eine wür-
dige Unterkunft zu organisieren.237 Bei offiziellen Übermittlern die sich ausweisen
konnten - auch hier kamen ihre Wappenschilder ins Spiel238 - waren Wirte prinzipi-
ell verpflichtet, sie unabhängig von freien Kapazitäten aufzunehmen. Davon, dass
diese Praxis nicht überall auf Gegenliebe gestossen war, berichten etwa die Nürn-
berger Flugschriften des frühen 16. Jahrhunderts, auf denen häufig ein imaginärer
Fussbote dargestellt wird, der sich bitterlich über saueren Wein, unfreundliche Be-
wirtung und überrissene Preise für ein Nachtlager auf blossem Stroh beklagt.239
Diese Art von Pflichtvergessenheit von Seiten der Boten ist wohl mehr Topos, als
tägliches Vorkommnis. Gravierende Zwischenfälle sind zumindest im untersuch-
233 Item hansen rämen xviii dn gen Überlingen als man im den recht tag ufain mal ab kunt von der lindine
wegen und im och sant der von spir und von basel brief gemain fryen und richstett antreffent er musst
über nacht uss und ze Überlingen sin da der burgermaister nit da haim waz, in: StaKN L 1358 (1443),
fol. 30r, Nr. 6. Eine Reise nach Überlingen wurde damals mit 1 s 2 d vergütet, siehe: Frieden,
Nachrichtenwesen, 1996, S. 57.
234 Teuscher, Bekannte, 1998, S. 194-197.
235 Eine Stillschweigeklausel war in den meisten Eiden des niederen Stadtpersonals formuliert, vgl.
etwa Kap. Stadtläufer, Begriff, Bedeutung und verbriefte Aufgaben. Konkrete Strafen nennen
etwa die Strassburger Botenordnungen von 1443 und 1484, siehe: Gachot, Louffende Boten,
1964, S. 4 und 6.
236 Item ilb v s dem botten von solothurn der zum lowen harusz gefallen ist geschenkt, in: Harms, Stadt-
haushalt, 1913, Bd. 3, S. 203, Moser, Basler Postwesen, 1971, S. 61.
237 Durch das Vorausschicken von Boten sicherten sich v. a. reisende Herrscher ab, die bei Wirten
besonders unbeliebt waren, da sie nicht nur das ganze Wirtshaus in Beschlag zu nehmen pfleg-
ten und meistens nicht in bar, sondern mit Schuldscheinen zahlten. Für englische und savoy-
ische Beispiele siehe: Peyer, Gastfreundschaft, 1987, S. 211.
238 Siehe Kap. Stadtläufer, Botenbüchsen und Geleitschreiben.
239 Heimann, Visualisierung, 1993, S. 29.
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übernachten musste, nur 4 Konstanzer Pfennig zugesprochen.233 Als wenig privile-
gierter Amtsträger konnte er sich aber glücklich schätzen, denn vier Pfennig ent-
sprachen damals dem Wartegeld für zwei Tage.
Dass Boten von ihrer Obrigkeit auf Reisen finanziell kurz gehalten wurden,
hatte mehrere Gründe, die auch mit dem öffentlichen Charakter spätmittelalterli-
cher Gashäuser Zusammenhängen.234 Zum einen sollte sie das knappe Wartegeld zur
Eile antreiben, zum anderen verhindern, dass sie in Weinschenken oder in den be-
sonders verschrienen Tavernen einkehrten, wo sie mehr oder weniger freiwillig
vertrauliche Einzelheiten über ihre Aufträge preisgeben konnten, unnötig Zeit ver-
schwendeten und sich sogar ihre Briefe klauen Hessen, was für einen Dienstmann
als ernsthaftes Vergehen galt.235 Zudem bestand die Gefahr, dass sie sich betranken
und danach in Raufhändel, oder gar in Messerstechereien gerieten. 1509 wurde in
Basel auch ein Solothurner Läufer mit der relativ hohen Summe von 1 Pfund und 5
Schilling entschädigt, nachdem er infolge eines Streites offenbar zu Unrecht aus
dem Gasthaus zum lözven harusz gefallen war.23b
Ähnlich zwiespältig wurden die Übermittler offenbar von Wirten wahrge-
nommen: An Fussboten, die man eh zu einem festen Preis unterzubringen hatte
und die sich höchstens über Nacht aufhielten, liess sich weniger verdienen als an
den kostenintensiveren Reitern oder Gesandten. Im Rahmen von Gesandtschaften
hatten Reiter nämlich auch die Aufgabe, für ihre reisenden Dienstherren eine wür-
dige Unterkunft zu organisieren.237 Bei offiziellen Übermittlern die sich ausweisen
konnten - auch hier kamen ihre Wappenschilder ins Spiel238 - waren Wirte prinzipi-
ell verpflichtet, sie unabhängig von freien Kapazitäten aufzunehmen. Davon, dass
diese Praxis nicht überall auf Gegenliebe gestossen war, berichten etwa die Nürn-
berger Flugschriften des frühen 16. Jahrhunderts, auf denen häufig ein imaginärer
Fussbote dargestellt wird, der sich bitterlich über saueren Wein, unfreundliche Be-
wirtung und überrissene Preise für ein Nachtlager auf blossem Stroh beklagt.239
Diese Art von Pflichtvergessenheit von Seiten der Boten ist wohl mehr Topos, als
tägliches Vorkommnis. Gravierende Zwischenfälle sind zumindest im untersuch-
233 Item hansen rämen xviii dn gen Überlingen als man im den recht tag ufain mal ab kunt von der lindine
wegen und im och sant der von spir und von basel brief gemain fryen und richstett antreffent er musst
über nacht uss und ze Überlingen sin da der burgermaister nit da haim waz, in: StaKN L 1358 (1443),
fol. 30r, Nr. 6. Eine Reise nach Überlingen wurde damals mit 1 s 2 d vergütet, siehe: Frieden,
Nachrichtenwesen, 1996, S. 57.
234 Teuscher, Bekannte, 1998, S. 194-197.
235 Eine Stillschweigeklausel war in den meisten Eiden des niederen Stadtpersonals formuliert, vgl.
etwa Kap. Stadtläufer, Begriff, Bedeutung und verbriefte Aufgaben. Konkrete Strafen nennen
etwa die Strassburger Botenordnungen von 1443 und 1484, siehe: Gachot, Louffende Boten,
1964, S. 4 und 6.
236 Item ilb v s dem botten von solothurn der zum lowen harusz gefallen ist geschenkt, in: Harms, Stadt-
haushalt, 1913, Bd. 3, S. 203, Moser, Basler Postwesen, 1971, S. 61.
237 Durch das Vorausschicken von Boten sicherten sich v. a. reisende Herrscher ab, die bei Wirten
besonders unbeliebt waren, da sie nicht nur das ganze Wirtshaus in Beschlag zu nehmen pfleg-
ten und meistens nicht in bar, sondern mit Schuldscheinen zahlten. Für englische und savoy-
ische Beispiele siehe: Peyer, Gastfreundschaft, 1987, S. 211.
238 Siehe Kap. Stadtläufer, Botenbüchsen und Geleitschreiben.
239 Heimann, Visualisierung, 1993, S. 29.