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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0271

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8. Jenseits des Übermittlungsalltages - Perspektiven und Ausblicke

den aber auch vereidigte niedere Amtsträger zu informellen Kundschafterdiensten
herangezogen. Der dritte und vierte Aspekt - die veränderte Sicherheitslage und
die Geschwindigkeit der Übermittlung - sind eng miteinander verknüpft: gerade
weil Boten auch als Kundschafter unterwegs waren, auf jeden Fall aber als Informa-
tionsträger der Gegenseite wahrgenommen wurden, gerieten sie gerne zwischen
die Fronten, was ungeahnte Folgen haben konnte. Eine erhöhte Geschwindigkeit
diente daher auch der Sicherheit der Übermittler. Zudem war sie für die politischen
Entscheidungsträger von höchster Bedeutung. Auch wenn gerade zur Nachrichten-
übermittlung im Krieg noch Grundsatzforschung aussteht, ermöglichen die Quel-
len doch eine erste Annäherung.

8.2.1. Kriegsbedingte Nachrichtenflut
Kriege waren für jede Kanzlei ein Ausnahmezustand. Dabei muss allerdings zwi-
schen kleineren Konflikten unterschieden werden, die keine grosse zusätzliche Ar-
beitsbelastung mit sich brachten, und solchen, die die Schriftproduktion nachhaltig
belasteten und sich damit auch auf die Übermittlung auswirkten.48 Die Flexibilität
der Stadtkanzleien im Westschweizer Raum war nach 1470 jedenfalls so gross, dass
Kriegshandlungen von beschränkter Dauer in den städtischen Akten kaum fassbar
werden. Ein solcher »kleiner Konflikt«, der sich kaum im täglichen Briefausstoss
niederschlug, war etwa der 1486 unternommene Versuch Solothurns, sich der Feste
Münchenstein zu bemächtigen. Betrachtet man die Abrechnungen für Botengänge
im besagten Jahr, so hängen nur acht der insgesamt 60 ausgeführten Aufträge mit
dem zunächst verunglückten Kauf der Burg durch die Stadt zusammen. Aus den
übrigen Botenläufen spricht eher der Alltag einer spätmittelalterlichen Kleinstadt:
Beinahe gleich viele Briefe entfallen auf das Problem der französischen Pensio-
nen, die der Berner Werner Löubli - welcher zwischen dem Solothurner Rat und
dem französischen König vermittelte - zwar versprochen, jedoch noch nicht ausbe-
zahlt hatte. Ähnlich wichtig schien die Beilegung des Streites um die ehemals thier-
steinische Herrschaft im Gebiet von Beinwil gewesen zu sein, mit welcher auch die
Öffnung der Burgen Thierstein, Pfeffingen und Angenstein zusammenhing: Der
Läufer Henman Bercki war zu diesem Zweck bereits mit dem tritten brieff zu Wil-
helm, dem Bruder des Grafen Oswald von Thierstein gelaufen, ohne dass sich die-
ser zu einem Verzicht auf seine Herrschaftsrechte bewegen liess.49 Grosse Aufmerk-
samkeit galt auch den Kornabgaben aus den niederen Vogteien, weshalb Benedikt
Fürsprung zum Solothurner Vogt auf die Falkenstein gesandt wurde. Ferner wurde
Simon Sattler zusammen mit einem Zürcher Läufer ausgeschickt, um sich dem po-
litischen Dauerbrenner Reisläuferei zu widmen, da der Solothurner Rat in Erfah-

48 Zu dieser zusätzlichen Belastung der Kanzlei siehe auch: Esch, Alltag, 1998, S. 48-53. Spezifi-
sche Studien zur personellen Vorgehensweise der Kanzleien im Falle grösserer Konflikte fehlen
jedoch bisweilen.
49 Item xiii henman berckin gan pfeffingen zu graf Wilhelm von tierstein mit tritten brieff von der offnung
wegen der schlossen, in: StaSO, BB 25/29 (1486), S. 134 und 136. siehe dazu auch: Christ, Koope-
ration und Konkurrenz, 1998, S. 320f.
 
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