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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0199

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5. Die Übermittler unterwegs

je nach Region bereits im 13. Jahrhundert nachweisbar sind.91 Doch auch die frühen
Botenstafetten der Englischen und Französischen Könige waren weit von der Struk-
tur des Taxis'schen Postwesens im 17. Jahrhunderts entfernt, das auf festen Kurierli-
nien und anonymisierter Übermittlung basierte. Selbst königliche Pferdewechsel-
stationen gab es bis 1450 verhältnismässig wenige, da der Pferdeverleih oft über
lokale Anbieter erfolgte. Zudem wurden die meisten Botenposten auf kurzen Stre-
cken eingesetzt.92 In ähnlichem Rahmen bewegte sich zunächst auch das 1494 ge-
gründete kaiserliche Postwesen Maximilians I.93 Zwar waren seine Postreiter über-
all zwischen Venedig und Flandern präsent, die Übermittlung stellte jedoch noch
zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Mischform aus zentral organisierten Kurier-
und lockereren Postenlinien dar.94 Auf ähnliche Weise, über locker organisierte Bo-
tenposten, verständigten sich auch die grösseren europäischen Handelsgesellschaf-
ten.95 Mindestens eine dieser Botenlinien, die Findauer bzw. Fussacher Boten die
erstmals 1445 urkundlich erwähnt wurden, berührten dabei auch den eidgenössi-
schen Raum: Sie bewegten sich nämlich auf der Handelsroute zwischen Bodensee,
dem Bistum Chur und Mailand.96
Neben diesen weitgehend professionalisierten Formen der Nachrichtenüber-
mittlung existierten auch einfachere, weniger dauerhafte Ausprägungen von Bo-
tenposten, die zumeist an die Strukturen der indirekten Übermittlung anknüpften.
Diese personell beschränkten, häufig auf kürzeren Strecken eingerichteten Posten-
linien bestanden sowohl aus Reitern wie auch aus Fäufern. Obwohl ihr Einsatz
ausschliesslich an besondere Ereignisse - zumeist Kriege - gebunden war, funktio-
nierten sie wie dauerhafte, zentralisierte Kurierlinien ebenfalls auf der Basis der
sicherst- und schnellstmöglichen Nachrichtenübermittlung, die gerade in Krisen-
zeiten von allen Herrschaftsträgern besonders erwünscht war. Die Idee, Briefe über
Kurierketten zu übermitteln, war vermutlich im späten 14. Jahrhundert aus Nord-
italien oder Frankreich, wo solche seit dem 100jährigen Krieg verbreitet vorkamen,
in den eidgenössischen Raum gelangt.97 Im Gegensatz zu den norditalienischen
Herrschaftszentren - etwa der Stadt Venedig oder den Mailänder Visconti - die gut
organisierte Kurierlinien in der täglichen Nachrichtenübermittlung einsetzten,
sind im eidgenössischen Raum Stafetten fast ausschließlich im Kontext militäri-
scher Expeditionen bekannt. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Infra-
struktur, allerdings auch der Kleinräumigkeit der Alten Eidgenossenschaft, genüg-
ten noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts in solchen Ausnahmefällen Strukturen der
indirekten Nachrichtenübermittlung - was entweder auf der Weitergabe von Brie-
fen unter Bündnispartnern oder auf die Mitbenutzung seiner Boten hinauslief. So
wurde die Nachricht vom zunächst positiven Verlauf der Schlacht vom Marignano
am 13. September 1515 nicht etwa durch eine Botenstafette weitergeleitet, sondern
über die üblichen, lockeren Nachrichtennetze zwischen den verbündeten Orten,
91 Zu England und Frankreich siehe: Hill, Messengers, 1961, dies., Messengers - list, 1994, dies.,
Messengers, 1996, S. 63-96.
92 Ochsenbein, Postwesen, 1925, S. 17, Anm. 1.
93 Lutter, Kommunikation, 2003, S. 191-225, dies. Kommunikation, 1998.
94 Lutter, Kommunikation, 1998, S. 109.
95 Gerteis, Reisen, Boten, Posten, 1989, S. 22f., Werner, Nachrichtenwesen, 1975, S. 8.
96 Wyss, Post, 1988, S. 39, ders., Schweizer Post, 1978, S. 106.
97 Szabo, Botenwesen, 1999, Sp. 486.
 
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