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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0213

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200

5. Die Übermittler unterwegs

schaftsreisen tagesweise abgerechnet wurden, ist jedoch ein Einblick in den
Übermittlungsalltag aus der finanziellen Perspektive möglich. Die Bandbreite der
ausbezahlten Tagessätze für die gleiche Strecke macht schnell deutlich, dass die
Kanzleiführung - je nach Sachfrage - konkrete Vorstellungen von Maximal-,
Durchschnitts- sowie Minimalgeschwindigkeiten ihrer Läufer und Reiter hatte.171
Dabei entsteht ein relativ genaues Bild der damaligen Geschwindigkeitseinschät-
zung. Dazu ein Beispiel: Die Stadt, die im ganzen 15. Jahrhundert häufigstes Ziel
der Freiburger Übermittler war, ist Bern. Beide Orte liegen rund 35 bis 40 Kilometer
auseinander und waren damit rund eine Tagesreise voneinander entfernt. Für die
Überwindung der Strecke boten sich damaligen Reisenden zwei Optionen: die län-
gere, bis 1470 geläufigere Route über Laupen, auf der man Freiburg nach einem
Selbstversuch des Historikers Jean-Jacques Joho172 in sieben Stunden zu Fuss er-
reichte. Sie konnten aber auch die Strasse über Neuenegg benutzen, auf welcher
man zwar eine Fähre über die Sense benutzen musste, dafür jedoch zwei Stunden
früher in Freiburg oder Bern ankam.173 Für einen Freiburger Fussboten, der eine
Nachricht nach Bern trug und unterwegs keine anderen Ziele hatte, war der Zeitho-
rizont von einem Tag für Hinreise und Rückweg knapp bemessen. Warten auf ei-
nen Antwortbrief in der Berner Kanzlei konnte mehrere Stunden oder einen gan-
zen Tag dauern, weswegen Läufer oft erst in der Nacht des Folgetags zurückkehrten.
Meistens wurden Freiburger Läufern deshalb zwei Tagessätze zugestanden.174 Viele
Fussboten waren auf dieser Strecke allerdings eher zweieinhalb bis drei Tage unter-
wegs.175 Der schnellste Läufer schaffte es in anderthalb Tagen. Schneller waren nur
berittene Boten, denen es wie dem Weibel Jehan Giron 1476 gelang, binnen eines
Tages mit einem Antwortbrief zurückzukommen.176 Wurden Fussboten und Reiter
mit mehr als vier Tagessätzen entschädigt, geschah dies meist im Rahmen von
Rundgängen, bei denen Bern nur eines von mehreren Zielen war.
Nach den Freiburger Rechnungsquellen dauerten die meisten Botengänge aber
nicht länger als einen Tag, was auch zeigt, dass sich die Ausrichtung des hiesigen
Botenwesens zu Fuss seit seiner der ersten Erwähnung seiner Organisation im
13. Jahrhundert nicht wesentlich verändert hatte. In diesem Aktionsradius lagen
nicht nur Botengänge in die nahe gelegenen Orte der kleinen Freiburger Land-
schaft, sondern auch solche nach Murten, Schwarzenburg sowie in die gemeinsam
mit Bern verwaltete Grasburg.177 Dem Schiffverkehr auf der Saane ist es wohl zuzu-

171 Dies war kein vereinzeltes Phänomen. Es lässt sich etwa auch am Botenwesen Karls des Küh-
nen beobachten, siehe: Seggern, Herrschermedien, 2003, 2. 227-236, dazu mehr im Anhang,
Tabellen und Diagramme.
172 Joho, Histoire, 1955, S. 16,23.
173 Hübner, chimins et pont, 2007, S. 284f., Böschung, Sensebrück, 1957/58, S. 5-96.
174 Statistisch überwiegt der Zwei-Tages-Übermittlungsrhythmus für die Distanz Bern-Freiburg i.
Ue. In den für das 15. Jahrhundert erfassten Freiburger Rechnungsquellen (1402-1410, 1430-
1452,1470-1485,1490-1526) werden 435 mal Botengänge mit diesem Zeithorizont erwähnt.
175 Im gleichen Zeitraum werden 115 mal drei Tagessätze für die gleiche Strecke ausbezahlt.
176 Item a jehan giron trammisa berneper ijora i ch(eval) allaret tornar-xiii s, in: StaFR, CT 147 (1476/1),
S. 40. Botengänge zwischen Bern und Freiburg, die in nur einem Tag ausgeführt wurden, sind
im vorher genannten Zeitraum 40 mal belegt.
177 Die Landschaft wurde dabei 68 mal in einem Tag besucht, Murten 54 mal, Schwarzenburg im-
merhin 9 mal und die Grasburg 23 mal, für letztere siehe auch Kap. Zwischen Konsens und
Desinteresse.
 
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