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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0228

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6.1. Botenwesen zwischen Raumpräsenz und Informationspolitik

215

Zum Anderen informierte Bern seine Nachbarn auch dann, wenn zwischen den
Orten gerade schwerwiegende politische Differenzen bestanden.6 Regelmässiger
Informationsaustausch muss daher als Produkt aller Verflechtungen - der Wirt-
schaft, der Eliten, der Verwaltung - angesehen werden, welche diese nahräumli-
chen Herrschaftseinheiten zusammenhielten.
In der acht, später 13-örtigen Eidgenossenschaft einen einzigen Informations-
raum zu sehen wäre allerdings übereilt. Auch in diesem Flickwerk aus bilateralen
Herrschaftseinheiten, taten sich - ähnlich wie zwischen den finanzkräftigen Städ-
ten des oberdeutschen Raumes7 - einige Orte besonders hervor. Begünstigt durch
ihre Verkehrslage, eine entsprechende Infrastruktur oder politische Freiräume
wurden Städte wie Luzern, Bern oder Zürich ebenfalls zu Verteilzentren bündnis-
relevanter Informationen - wobei auch hier nicht von gleichmässiger Nachrichten-
verbreitung ausgegangen werden kann. Diese Aufgabe wurde von der Tagsatzung,
die als Koordinationsforum erst in den 1440er Jahren politische Sichtbarkeit er-
langte, erst während des Alten Zürichkrieges für gewisse Zeit übernommen.8 Die
Mehrzahl der Informationen wurde allerdings noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts
linear, von Allianzpartner zu Allianzpartner, weitergereicht.9 Ein dauerhafterer, lo-
ckerer Informationsraum zwischen den Zentren entwickelte sich erst unter dem
Einfluss der Konflikte nach 1470, insbesondere in Folge der Auseinandersetzung
mit Burgund und den Kriegen in Norditalien ab 1487.10
Doch wie sichtbar waren solche Informationsräume und wie wurde darin
Herrschaft über Informationsverbreitung umgesetzt? Nachrichten wirkten nur
punktuell. Ferner sahen sie schon die Zeitgenossen als flüchtige Herrschaftsme-
dien, die ihre Wirkung nur entfalten konnten, wenn sie am Zielort entsprechend
verbreitet wurden. Letzteres bedingte einerseits regelmässige Nachrichtenversor-
gung, andererseits die Wahl des entsprechenden Übermittlers.11 Dies ist letztlich
wohl auch einer der Gründe, warum sich die Ämter, die mit der Informationsver-
breitung beschäftigt waren, ausdifferenziert haben. In manchen Städten führte dies
bis zu einer Spezialisierung auf Ziele, Nachrichten mit bestimmtem Inhalt, Räume
oder Trassen. In Nürnberg wurden 1476 zwischen vier unspezifischen Botenläufern,
vier Fronboten, drei Landboten allerdings auch weiteren sieben Boten unterschieden,
deren Hauptaufgabe darin bestand, das Nürnberger Untertanengebiet mit Nach-
richten zu versorgen. Ähnliches gilt für Hamburg oder Duderstadt.12 Auch wenn

Nach Freiburg und Solothurn wurden 80, bzw. 76 Botengänge abgerechnet. Zwischen 1503 und
1527 intensivierten sich die Kontakte: Freiburg wurde 524 mal, Solothurn 427 mal zum Ziel der
Berner Übermittlung.
6 Zum wechselvollen Verhältnis zwischen Bern und Freiburg auch: Joho, relations, 1955, S. 10-52
7 Monnet, Aussenbeziehungen, 209, siehe auch Kap. Im Netz gegenseitiger Abhängigkeiten.
8 Jucker, Gesandte, 2004, S. 73-78.
9 Christ, Kooperation und Konkurrenz, 1998, S. 153-156.
10 Im eidgenössischen Raum löst die Intensität der Kontakte grob drei Informationsgebiete erken-
nen: Die westliche Eidgenossenschaft mit den Zentren Bern, Fribourg und Solothurn; die Zent-
ralschweiz mit Luzern und den Innerschweizer Orten Uri, Schwyz und Unterwalden; die Ost-
schweiz mit Zürich, Appenzell, Glarus, St. Gallen und Konstanz.
11 Als Medien mit raumdurchdringender Wirkung galten im Spätmittelalter Reihenbriefe, sofern
sie regelmässig ausgesandt wurden, mehr dazu bei: Seggern, Herrschermedien, 2003, S.227-
236.
12 Monnet, Rue, 2001, S. 79.
 
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