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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (7) — 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.42479#0201

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Der Neckar-Bo te erscheint
wöchentlich zweimal, Dienstag»
u. Freitags Bestellungen kön-
nen bei der Erpcdition in Hei-
delberg , bei KauU»- ä-empp
in Mosbach, Kaust»- ^rank in
Adelsheim, Abraham Stumps
in Ebcrbach und be, allen Post-
Acmtcrn gemacht werden.

Neckar-Bote.
Diellstag, den 13. Ium 1843.

Der Abonncmcntspreis betragt
für ein Jahr r fl. 36 kr, für
ein halbes Jahr 5/, kr. für
ein Birrteljahr 3o kr. Die
Eimückungsgcbühr für die ge-
spaltene Zeile od. deren Raum
betrüg, 2 kr. Bel Anzeigen,
worüber die Erpcdition Aus-
kunft kithcilt, 3 kr.

Die Nachtwandlerin.
Wie ick aus meiner Träume Noch
Auch frei will den Gedanken retten,
Gefangen halt mich das Gesichr,
Und wie ein Vampyr klammert sich's
An meine Seele.
Wahrscheinlich der letzte Wanderer des Jahres,
irrte ich im Herbst durch das kalte Harzgcbirg
und arbeitete mich eines Tages, der sch lckon zu
neigen ansing, auf einem einsamen schlüpfrigen
Waldwege fort, um ncch Alcxisbad zu erreichen
Der Himmel lag mit schweren Nebeln auf der
Erde; die rauschenden Fichten warfen große
Tropfen auf mich herab, und mein Körper be-
gann zu frösteln. Unter diesen Umstanden ver-
lor ich die Lust, in der trüben Atmosphäre noch
einige Stunden zu leben, und sehnte mich nach
einem warmen Obdache. Lille Beschwerden pstegl
der Mensch doppelt zu empfinden, sobald er die
Möglichkeit siebt, sie abzuwcrfen; meine Lage
ward mir unleidlich, als mich ein kleines Waid-
haus ansah, das eine Nacht mich gegen den
Himmel schützen konnte. Ich werde nicht weit-
läufig ein Ereignis erzählen, das uns alle Tage
begegnen kann, und das hier nicht einmal seinen
Helden interessant macht; ich eile, andere Bege-
benheiten und andere Personen auf die Bühne
zu bringen. Mein Wirth unterhielt mich, fo gut
er konnte, und ich weiß bis heute noch nicht, an
wem von uns Beiden die Schuld lag, daß bald
sehr langweilige Paulen cintralcn, die in mir
den Wunsch erregten, allein zu sein. In dieser
Verlegenheit griff ter gefällige Jäger nach einem
Schlüssel, entfernte stch und frat bald wieder mit
einer bestaubten Pcrgamcntrolle herein; die er
mir mit der Bemerkung darrcichte, daß die Na-
men des Geschlechtes, von welchem in dem Ma-
nuskripte Nachricht stände, für die Vergessenheit
geschrieben wären. Ich verstand diesen Wink,
und werde ihn ehren; hier ist der Inhalt ohne sie:
Nachlaß eines alten Kastellan's.
Hast du diese Blätter mit einem geheimen
Schauern zugefchlagcn, Fremdling, fo wandle an
den Mauern der Burg "" nach den Eichen hur,
steh' still auf dem Hügel daneben und wisse, daß
drese Hand voll Erde meine Glückseligkeit begrub.
Emsig beschleunigte ich meine Schritte nach der
Heimalh, die ich seit langen Jahren hatte verlassen
müssen, und sc naher ich dem bekannten Boden,

dem Strome, durch den ich oft geschwommen, den
Bucken, unter denen ich oft geruht hatte, und der
väterlichen Hütte trat, desto froher schlug cs im
Herzen, denn am folgenden Tage konnte ich schon
meine Irma umarmen und an ihren Lippen die
Onal einer langen Trennung vergessen. Der Reiz
der Ucberrasck ung, oder unerkannt eine Stimme
über stch selbst zu vernehmen, ein Reiz, dem selten
ein Mensch widersteht, wenn ihm die Gelegenheit
einen günstigen Moment gewahrt, bewog mich, in
ein Haus cinzutrctcn, in dem stch die nahen Ge-
birgsbewohner Abends zu versammeln pflegten,
und das unter den Mauern des verwitterten Schlos-
fes lag, wo ein alter Forster, der Vater meiner
Irma, das einsame Amt eines Kastellans ver-
waltete; ein Amt, das man mir endlich als ein
trauriges Vermächtnis; für meine Erinnciungen
geschenkt hat. Alle Gestalten traten wieder aus
der Vergangenheit in mein Gedächtnis;, die Züge
wurden mir bekannt, die Stimmen befreundet;
aber kein Auge verweilte neugierig auf mir; ich
schien den Menschen einer der Fremdlinge zu sein,
wie sie in den Monaten des Sommers zu Hunder-
ten durch diese Berge ziehen. Laß doch hören,
was man erzählt! dachte ich bei mir selbst, und
drückte mich am Ofen auf eine Bank nieder, ohne
die geringste Theilnahmc an der Gesellschaft zu
vcrrathcn. „Ja," fing mein Nachbar bald dar-
auf an zu sprechen, „glaubt ihr, was ihr wollt,
klügere Menschen, als wir zusammen sind, haben
die Gestalt um Mitternacht gesehen, wie sie auf
den Mauern der Ruine herumläust und ungehin-
dert durch verschlossene Pforten geht."
„Ich selbst," nahm ein Anderer das Wort,
weiß mir die Sache nicht zu erklären und aus dem
alten Förster und seiner Tochter ist keine Rede
herauszubnngcn.
Die Neugier preßte mir schnell die Frage
über die Lippen, was man meine und was ge-
schehen sei.
„Das wißt Ihr noch nichtantwortete mir
der Erste, „man hat seit einiger Zeit ein Gespenst
auf der Burg bemerkt, das zu einer bestimmten
Stunde der Nacht kommt, die Mauer umschreitet
und lautlos verschwindet. Ein Weib ist es, so viel
steht unbczwcifclt, aber noch kein Mann des Lan-
des hat bisher den Muth gehabt, die Erscheinung zu
fragen; wer sie sei und was sie wolle. So wie
der Hahn kräht, ist sic weg. Heute sind wir ver-
 
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