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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (7) — 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.42479#0313

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Ker Ncckar-Bo te erscheint
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u. Freitags, Bestellungen kön-
nen bei der Erpedilian in Hei-
delberg , bei Äaulm. Lcmpp
in Mosbach, Kausin, Frank in
Adelsheim, Abraham Stumps
in Ebcrbach nnd bceallen Poft-
Acmtern gemacht «erden.


Dienstag, den 19. September i843.

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kunft erthcilt, 3 kr.


Die Hinri ch t u rr g.
(Fortsehung.)
Die Donna Halle ausgcsungcn — Stöffcl trat
vor sic hin, siennntc die Arme, welche unter dem
abgeschabten, wellen, schwarzen Nocke schlolicricn,
in Vie Seile und sagte mit Pathos;
— „Das ülcden ilt
Nur ein Moment, der Tod isi auch nur einer!"
„Ickckio!" antwortete die Blandini mit einem
ScusZcr, und stichle das Keuschen auf die eine
Hand, wahrend die andere eine Locke ordnete.
,,Signor Swabc bleibt zu lange," warf Pult
gleichgültig hin.
,,Sb er ihn nur zu sehen bekommen hüt" —
siel die Blandini ein — „ich glaube beinahe, denn
er bleibt zu lauge. Wenn ich nur wüßte, was er
gechrochen haben wird — ob sie dem Schwabe nicht
vielleicht Umstande gemacht haben werden?" Diese
und ähnliche Fragen sagten sie zerstreut vor sich hin,
ohne daß sie bei den Andern große Theiinahme er-
regt hatten, oder diese Anstalt machten, zu ant-
worten
Stössel stand setzt mitten in der Stube, kreuzte
die Arme über der Brust, und sagte dumpf: „Er
war mein Freund, und heute soll er unterm Henker-
beile bluten. Wir furo unglücklich, und checken noch
diesen letzten herben Streich. Ha! wir müssen eö
auch sehen " Er nahte sich jetzt mit zwei Schril-
len der Donna, und ihre Hand ergreifend, sagte
er mit Pathos und nicht ohne wehmulhsvolstn Aus-
druck:
„Königin! das Leben ist doch schön!"
Dies Anbringen von Sentenzen konnte bei der
traurigen Situation, in welcher cs geschah, lächer-
lich erscheinen, Der pathetische Held a er konnte
sich selbst im Schmerz und unterm Druck des eige-
nen Unglücks nicht von seiner Weise und den Lieb-
lingsstellen seiner Rollen trennen.
Der Blandini traten bei der letzten Anrede
Thränen in die Augen; ihre Brust athmcte tief
auf — cs erfolgte eine dumpfe Pause, nur aus-
gefüllt von dem Geräusch des Marktes.
„Gleich muß die Stunde schlagen" — sagte
Putti jetzt, indem er nach der RalhhauSuhr sah
—- „Swabe kommt nicht."
Ächt richtete der zärtliche Vater am Ofen das
bleiche Gesicht in die Höhe, und die Hande fallend
sprach er: „Guter Gott! wer hätte das vor einem
Lahre geahnt. Damals noch im Wohlstände, in

Freudigkeit, in der schönen Kunst vereinigt—:
heute — arm, heimathlos, in Noth begraben, sind
wir Zuschauer eines Schauspiels, das in blutiger
Feierlichkeit einen aus unsrer Mitte dem Tode
werhl. Wir haben nicht nur Trauerspiele gespielt,
wir leben sie auch. Gelobt" sei Gott!"
Er senkte wieder das Haupt und schien zu be-
ten, der Donna Thränen stoffen häufiger — um
den Mund Stöffels bildete sich ein greller Zug von
Verzweiflung, nur Putti sah Lumps und fast thcil-
nahmkos herab auf seine abgenutzten grauen Ka-
maschen, die zu den Hellen Beinkleidern auf eine
grelle Weise abstachen.
Da polterte cs die Treppe herauf— die Thüre
wurde aufgerisstn, und erschöpft stürzte eine kleine
dicke Gestalt herein. Es war Schwabe, früher
Soufleur der Theatcrgcsellschaft.
Alle eilten ihm entgegen — er warf sich schwer
athmend in einen Scffcl, die Andern umstanden
ihn, und auf ihre vielen und heftigen Fragen:
„Wie ist's, Haben Sic ihn gesprochen? Was thut
er? Sst er gefaßt?" etc. — antwortete er mit einer
durchdringenden dünnen Stimme, in abgebrochenen
-aber hastigen Sätzen:
„Sa, ich habe ihn gesehen — habe ihn ge-
sprochen, bevor sie ihn noch abholten. Sie führen
ihn schon durch die Straße von der Stadtvogtei
her. Sch habe ihn gesprochen. Er ist sehr bleich
— sehr entstellt; aber er scheint ruhig. Er drückte
mir die Hand und sagte: „Amcnaide!" dabei
war sein Auge gen Himmel gerichtet. Wie ich ihn
trösten wollte — sprach er: Laß bas, guter, alter
Schwabe — ich weiß, welchen Gang ich gehe.
Grüße mir noch herzlich Alle, die beisammen sind.
Sch danke Euch für die Theiinahme, die Ihr mir
noch jetzt bewiesen. Möge es Euch recht wohl er-
gehen. — Denket manchmal meiner — was ich
that, das mußte geschehen. - Dann senkte er das
Haupt und sagte noch einmal: „Amcnaide!"
Sn dem Augenblicke riefen sie ihn ab. Er drückte
mir zum letztenmale die Hand. Sch stürzte mich
durch das Gewühl, von der Straßenecke sah ich
zurück, und erblickte ihn, den Wagen besteigend.
Sic haben ihm ein schwarzes Kleid gegeben statt
der Armensünders ckc; die Violine hat er mit Flor
umwunden, und von der rechten Schulter zur lin-
ken Hüfte wie ein Degen umgehängt, Er hat
sich dies ausgebcten, und man gewährte die Son-
derbarkeit. Er hat wahrend seiner Gefangenschaft
immer das Solo aus Tankred gespielt, wo sie —"
 
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