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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (7) — 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.42479#0357

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Der Neckar-Bote erscheint
wöchentlich zweimal, Dienstags
u. Freitag». Bestellungen kön-
nen bei der Erpcdition in Hei-
delberg , bei Kaufm. Lempp
in Mosbach, Kanfm. Frank in
Adelsheim, Abraham Stumpf
in Eberbach undbeiallenPost-
Acmtcrn gemacht werden.

Neckar-Bote.
Freitag, dm 27. Oktober 1843.

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Wuntes aus der Leit»
Ueber die geheimen Fäden der griechischen Re-
volution oder Volkserhebung ist man nvck uneinig. Ei-
nige und die Meisten behaupten, sie seien aus russi-
schem Hanf gedreht; die ganze Sache sei von den
Napisten, d. h. der russischen Partei ausgegangen,
Kalergi selbst sei ein guter Moskowiter und gedenke
Griechenland in die weiten, langen, offenen russischen
Schutzarme zu führen. Andere dagegen wollen in den
Fäden feines englisches und französisches Gcspinnst er-
kennen, das bald vom russischen Schwert werde zer-
hauen werden. Rußland könne das nicht ruhig mit an-
sehen, und lege König Otto die Krone nieder, so passe
diese nur auf einen großfürstlich-russischen Kopf. Alle
stimmen aber überein, daß es diesmal dem großen öster-
reichischen Spinner, der am europäischen Rade sitzt, schwer
werden wird, den verworrenen Rocken friedlich abzu-
spinnen und zu einem dauerhaften Gewebe zu verarbei-
ten.— Auf den Wunsch des Ministerpräsidenten Me-
taras hat der König den neuen Gouverneur von Athen,
Kalergi, zu seinemFlügeladjutanken ernannt, sodaß
dieser ihn auf Tritt und Schritt begleitet. In der er-
sten griechischen Revolution ist dem Kalergi von den
Türken auf dem Schlachtfclde, wo er sich unter die
Erschlagenen nicderwarf, nm sich vom Tode zu retten,
ein Ohr abgehauen worden. Der Türke wollte sehen,
ob er wirklich todt sei, und Kalergi soll bei der Ope-
ration mit keiner Ader gezuckt haben.
Der afrikanische Emir Abd-El-Kader hgt auch
wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben und mit sei-
ner Reiterei die Franzosen angegriffen. Es kam zu ei-
nem hitzigen Gefecht, wobei viele Araber und Franzosen
auf dem Kampfplatz blieben und das mit der Nieder-
lage des Emir endigte, der sich in die Wälder zurück-
zog und dem General Lamorciere ein leeres Lager
und einige unbrauchbare Fahnen als Beute überließ.
Wieder eine neue Art von Schulen: Eisenbahn-
schulen. In England ist eine große Schule zur Bil-
dung von Locomotivführern gegründet worden. Jeder
Schüler muß zwei Jahre studiren, sich mit dem Bau
der Maschine genau bekannt machen, die Theorie des
Dampfes kennen lernen und dann mehrere Monate un-
ter Aufsicht praktischen Dienst auf der Eisenbahn thun.
Die Schule ist stark besucht.
Wahrscheinlich wird's in Griechenland bald eben so
sein wre in Spanien, Bürgerkrieg und jahrelanges
Elend. Die Stadt Barcelona wird fortwährend von
den Forts aus beschossen und ist halb zerstört; die Ver-
wundeten sterben ohne Pflege, die Fremden haben sich
eingeschifft. In diesen Tagen versammeln sich die Reichs-
stände, um zu berathen, ob die Königin volljährig sei
und etwa heirathen solle. Sie ist begierig auf den Beschluß.
Da Alles im Preise steigt, so machen die Besen
die Mode auch mit. Als ein Besenbinder in Regens-
burg gefragt wurde, warum er denn mit seinen Besen

gestiegen sei, versicherte er, die Besen seien dieses Jahr
nicht gut gerathen.
Die Vereine vermehren sich. In Stuttgart kommt
am 29. d. M. ein großer und zweckmäßiger Handels-
Verein, und in Mainz ein noch größerer Ad voka-
len-Verein zusammen. (D.Z.)

E-er-acher Zustände.
(Schluß.)
In so rauher Wirklichkeit sich dem Zauber der Täu-
schung hingcben zu können, ist großer Gewinn, und
dieser Vortheil war uns geboten, indem es uns frei-
stand, uns bald in eine anmuthige Landschaft des Früh-
lings, bald an den üppigen Hofhalt eines Mächtigen
zu versetzen, oder an unserem Äuge bald den Sieg der
Tugend, bald das Bild beglückter Liebe vorübergehen
zu lassen. Es weilte nämlich in unserer Mitte die
Schauspielergesellschaft unter der Direktion des Herrn
Bittler, und dankend rühmen wir das Bestreben der-
selben, in ihren Aufführungen eine Auswahl zu treffen
und ihren Darstellungen eine Wahrheit zu geben, die
uns seltene Genüsse bereitete. In einem Theater, wo
nur mäßiger Aufwand an Dekorationen herrscht, wo
also der Phantasie weniger Nahrung gegeben ist, sind
die Ansprüche an das Spiel um so größer; wir füh-
len uns verpflichtet, der uns verlassenden Gesellschaft
das Lob zu ertheilen, daß sie diese Ansprüche befriedigt
hat, und wir werden die Erinnerung an ihr Wirken
um so gerner bewahren, als sie auch durch ihr sittli-
ches Benehmen sich die volle Achtung Jedermanns er-
warb. Ohne auf die Leistungen der einzelnen Mitglie-
der einzugehcn, bemerken wir, daß wir durch den Abgang
dieser Truppe um einen schönen Genuß ärmer werden;
bald wird auch der Dämpfer aufhörcn, den Vermitt-
ler geistigen und gewerblichen Austausches zu machen,
denn vor seinem grimmigen Feinde, dem Winter, wird
sein Schnauben verstummen, doch hat der Zeitgeist vor-
gesorgt, daß wir durch diese Verluste nicht ganz auf's
Trockene gelegt werden. Der Zeitgeist zeigt sich nickt
nur in großartigen Verhältnissen, er gibt sich auch im
Kleinen kund, und wahrhaftig nickt weniger ohne Nach-
halt oder Nutzen. Wer das Terrain kennt, wird uns
die Berechtigung nicht absprechcn, es einen Fortschritt
zu nennen, der dem Zeitgeiste angemessen ist, daß die
Heidelberg-Milttenberger Post ihren Weg jetzt über hier
nimmt. Diese Abänderung aber hebt unfern geselligen
Verkehr, und daß es uns nicht an geistiger Nahrung
mangelt, verdanken wir der neu errichteten Leseanstalt;
möge der Gründer derselben sich bemühen, seinem In-
stitute eine Ausdehnung zu geben, daß es für alle Stände
s zugänglich wird. Möge überhaupt aber der Zeitgeist
L fottfahren segensreich über unserm Städtchen zu wal-
1 ten, daß wir dem Ziele gerechter Wünsche, oder was
k gleichviel bedeutet, der Abwesenheit derselben immer
1 näher gerückt werden!
 
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