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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (7) — 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.42479#0209

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Der Neckar-Do t e erscheint
wöchentlich zweimal, Dienstag»
u. Freitag» Bestellungen kön-
nen bei der Expedition in Hei-
delberg , bei Kautm. Lcmpp
in Mosbach, Kanfm. Frank in
Adelsheim, Ilbeaham Stumps
in Eberbach und bei allen Post-
Acmtcrn gemacht werden.

Neckar-Bote.
Dienstag, den 20. Juni 1843.

Der dihonncmentsprcl» betragt
für ein Jahr i fl, 36 kr, für
ein halbes Jahr 5/, kr. für
ein Vierteljahr 3o kr. Die
EinrückungSgcbühr für die ge-
spaltene Zeile od. deren Raum
betrügt 2 kr. Bei Anzeigen,
worüber die Expedition Aus-
kunft enhcilt, 3 kr.


Meine Abenteuer auf der Leipziger Messe.
Noch bischer Leipzig handelnd reich vor allen,
Dort an der Elster nnd der Pleisse Rand,
Die Messen winken — nnd von Ferne wallen
Nun Tausende zum hochbeglückten Strand.
Mustersammlung.
Einmal in Leipzig zur Messe gewesen — und
nie wieder! — Es gibt im Menschenleben Un-
glückslage, wo Alles, was man ansängt, verkehrt
gehl. Leider hab' ich diese bittre Erfahrung Ge-
stern nur zu sehr gemacht. Seit vielen Jahren
schon von Leipzig getrennt, war cs mein schn-
iichsscr Wunsch, mich wieder einmal in dem Ge-
wühl einer Messe hcium zu treiben. Beschränkte
Lage und Verhältnisse wollten es nie erlauben.
Mit einem Mal lächelte mir das Glück — ich
gewann >o Thalcr in der Lotterie — und die
Reise ward bestimmt.
Da ich blcs sechs Stunden von der berühmten
Kauf- und Handelsstadt entfernt lebe, auch der
Barometer gutes Wetter anzcigtc, fo war' cs
Sünde gewesen, theurcs Fährlohn zu zahlen; ick
beschloß also stolz zu Fuße zu gehen, meine
Sparpfennige sorgfältig in dem fcidcnen Beutel,
welchen mir meine liebe Frau zum Geburtstage
verehrte, cingepackt. Nachdem ich den Sonntags-
rock angelegt, und meinen fchöncn Mccrschaumkopf
gestopft hatte, ergriss ich heiter und wohlgcmuthet
den Wandcrstab.
Aber wahrlich! recht zum Hohn lief mir gleich
vor dem Thore unfcrS Städtchens ein Haase über
den Weg, — Das ist alle Mal eine üble Vor-
bedeutung, pstegtc immer meine selige Großmutter k
zu sagen — und zum Unglück sollten sich wenig- S
stens diesmal die Worte der guten Frau voll-
kommen bestätigen. Schon war ich Leipzig um
eine gute Stunde näher, da fiel mir plötzlich ein,
Lebrccht, du hast ja den Brief vergessen, den du
an ein dortiges Haus N. N. und Eompagnic,
Gewürzkrämcr und Cigarrcnsabrikant, abgcbcn
sollst! — Was war zu thun? Der Brief, viel-
leicht von Wichtigkeit, durfte durchaus nicht liegen
bleiben — ich mußte also nolens volens wieder
umkehren.
Meine Frau machte große Augen Nach mei-
ner Erklärung, und ihrem herzlichen Bedauern
zog ich wieder ab. Bis eine Stunde vor Leipzig
ging Alles glücklich; da bekam der Fußreisende,
durch das ungewohnte Gehen, den heftigsten Hun¬

ger. Die Gegend war anmuthig, ein grüner
Rasen lud zum Sitzen ein, und hier beschloß ich
denn auch die frilchc Wurst und den Kirsch, wel-
chen mir meine Frau mitgcgcbcn, zu Verzehren.
Das Ligeurstaschen war da — aber die Wurst
nirgends zu finden. Wahrscheinlich halt' ich ste
beim Einstcckcn des Briefes, aus der Tasche ge-
nommen, auf den Tisch gelegt und in der Eile
vergessen. Alberne Zerstreuung! — der Kirsch
mit zwei Bissen Brod mußte also allein genossen
werden.
Lebrccht trank und trank, bis die Flasche leer
war — und fühlte stch immer behaglicher; cs
schmeckte im Grünen gar gut. Stets gewohnt,
sehr mäßig zu leben, hatte ich wirklich etwas über
die Schnur gehauen — und spazierte in förmlicher
Schlangenlinie bis Leipzig. Nahe am Thor mach'
ich mir noch ein Pfeifchen an, und rauche durch
die Vorstadt. Schnell kommt ein Mensch in grauer
Uniform, reißt cs mir ungestüm aus dem Munde,
und will mich mit Gewalt aufs Polizciamt schleppen.
Nach meiner de- und wchmülhigcn Verbitte ließ
er mich zwar endlich frei, ich mußte aber die schöne
Pfeife im Stich lassen. Ein Verlust, der mich
ungemein schmerzte — denn fo einen Meerschaum-
kopf kann ich mir im Leben nickt wieder erzeugen.
Verdrießlich ging der Geplünderte durch die
Alle, und sah an einem netten Haufe gegenüber
mit großer Schrift: Kaffcgartcn. Der ziemlich
leere Magen mahnte an seine Rechte — ich ver-
fugte mich deshalb hinein, fand einen angenehmen
Ort bekam sehr gut zu essen. Die zahlreichen
Gäste tranken alle Wciobier. Ich ließ mir auch
einen Krug geben; es schmeckte vorttcfflich. Beim
zweiten soll dir ein Pfeifchen Tabak munden,
dachte Lebrccht, griff in die Tasche — aber leider!
— sein brauner Mccrschaumkopf lag ja auf der
Polizei. Ich bat daher um eine Cigarre. Da
man bei uns nie dergleichen raucht, so mochte ich
mich wohl etwas kindisch damit benehmen. Mein
Gott! schrie ein alter Herr, der neben mir saß,
Sic brennen ja! Mit Schrecken sehe ich einen
glimmenden Funken auf meiner fcidncn Weste,
will hastig auffpringcn, um mehr Schaden zu
verhüten, und stoße in der Eile meinen Bicrkrug
um. Der edle Trank strömte auf meine neu
gcwafchncn cnglifchcnNauguinbcinkleidcr,und durch-
näßte ste dergestalt, daß an's Fortgehen sobald
nicht zu denken war. Ich blieb noch zwei Stunden^
 
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