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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (7) — 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.42479#0413

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Der Neckar-Bote erscheint
wöchentlich zweimal, Dienstage
».Freitags Bestellungen kön-
nen bei der Erpcdition in Hei-
delberg , bei Kausm. Lcmpp
in Mosbach, Kaufm. Frank in
Adelsheim, Abraham Stumpf
in Ebcrdach und beiallcnPost-
Aemtern gemacht werden.

Neckar-Bote.
.4°,». «8.
Freitag, den 8. Dezentbcr 1843.

Der Abonnementöpreis betragt
für ein Jahr r fi. 36 kr, für
ein halbes Jahr 5/, kr. für
ein Vierteljahr Zo kr. Die
Einrücknngsgcbühr für die ge-
spaltene Zeile ad. deren Raum
beträgt 2 kr. Bei Anzeigen,
worüber die Erpcdition Aus-
kunft crtheilt, 3 kr.

Wuntes aus der Leit.
Von Würzburg ist eine Deputation nach Bamberg
abgereist, um daselbst mit Abgeordneten des Leipziger
Handelsstandcs wegen Erbauung einer Eisenbahn von
Bamberg über Würzburg nach Frankfurt zu unterhan-
deln. Manche zweifeln noch, ob der Plan auszufüh-
ren sei, wir aber glauben, daß wenn Hessen nicht die
Hand bietet, nichts weiter übrig bleiben wird, und
Noth bricht Eisen und schafft Eisenbahnen.
Im Peloponnes sind die Wahlen zur National-
versammlung nicht so friedlich vor sich gegangen, als
anderwärts. Die aus dem Felde geschlagenen Parteien
veranstalteten Gegenwahlen, die keine Anerkennung fan-
den und blutige Auftritte herbeiführten.
Den Engländern haben die Chinesen einen gewal-
tigen Strich durch die Rechnung gemacht, worüber sie
vor Neid und Eifersncht gelb wie. die Chinesen werden
möchten. Der Kaiser hat bekannt 'machech lasseikh
die vier Hafen nicht für die Engländer alffin», sondbfd-
für den Handel aller Nationen geöffnet waren.
Die Herrlichkeit der Fabrikarbeiter in England
hat nicht lange gedauert. Seit einigen Mouatcn gab's
wieder vollauf zu thun und die alte Noth war verges-
sen. Die Fabrikarbeiter ließen flott aufgehelk, so daß
Alles, was sie verdienten, von der Hand in den Mund
ging- Jetzt sitzen abermals an 20,000 Weber brod-
los und wären froh, wenn sic sich in guten Tagen ei-
nen Nothpfennig zurückgclegt hätten.
An dem Festungsbau zu Rastatt wird noch immer
rüstig gearbeitet und es fehlt nicht mehr an Arbeitern,
seit der Lohn besser geworden ist. Von den Außenwer-
ken ist schon ein großer Theil vollendet.
Im Königreich Würteinberg ist die neue Straf-
prozeßordnung ins Leben getreten und mit ihr auch die
theilweise Mündlichkeit und Oeffentliebkeit im Gerichts-
verfahren. In den vier Kreisgerichtshöfen ist ehrbaren
Männern der Zutritt zu dem Schlußverfahren bei Ver-
handlungen über Verbrechen höherer Art gestattet. In
einigen Wochen wird ein solcher Fall in dem Gerichts-
hof zu Eßlingen cintretcn.
Der König der Franzosen Hat der Mutter des
Aliband, der ihm nach dem Leben trachtete, eine le-
benslängliche Unterstützung zugesagt, weil sie sich in
Marseille in sehr elenden Verhältnissen befinden soll.
Auf dem atlantischen Ocean haben die Engländer
ein Sclavenschiff weggenommcn, an dessen Bord sich
360 Neger, Manner, Weiber und Kinder befanden, die
wie Häringe auf einander geschichtet und von denen be-
reits einige gestorben waren. Man hat die Unglück-
lichen in Nio-Janeiro ans Land gesetzt und ins dortige
Spital gebracht. Es sind 80 kleine Mädchen darun-
ter, die kaum 7 Jahre alt sind. (D.Z.)

Das Diadem.
Mvollotts ü la li'muMso.
I.
Louis Philippe halte eben sein Meisterstück voll-
bracht. Der königliche Taschenspieler hatte in die
eine Hand die Freiheit, in die andere den Fürsten-
hut genommen; ganz Europa sah begierig auf ihn,
und ehe man es gewahren konnte, war die Freiheit
unter dem Fürstenhute verschwunden. Hinter steh
hatte er seinen stinken Gehilfen Casimir Perrier
stehen, der die Operationen unter dem Tifche lei-
tete. Gleich vorn am Orchcstcrsitze befand sich die
Dcputirtcnkammcr, die, wenn sic klug und umsich-
tig gewesen wäre, so manches Kunststückchen hatte
crrathen und analysiren können. Sie war aber
weder klug noch umsichtig. Weiter hinter faß die
lenhtfertige Stadt Paris und tändelte, plauderte
uizd coquettirte wahrend des ganzen Actes. Nur
hic und da warf sie einen erschrocken-erstaunten
Blick auf den darstellenden Fürsten.
Der Marquis C. war einer von denen Deputa-
ten, welche die schärfsten Augen und die stärkste
Stimme besaßen, und der König und die Minister
fürchteten seine Augen und feine Stimme. Der
Marquis C. war heute mit feiner schönen Gemah-
lin zu einer Soiree bei einem der Minister geladen.
Der schöne Mann stand, seine Gattin erwartend,
in glanzender Toilette an seinem Bureautifche.
Er war ernst, nachdenklich; weder eine Festtags-,
noch eine Diplomaten-Miene sprach aus seinem
Antlitze. Die rücksichtslose, übcrmüthigc Freude,
die Sonntags das Gesicht des Handwerkers oder
Commis verklart, und ihm die vollen Backen auf-
bläst und die bescheidenen Augen stolz macht, wenn
er die Clmmp8 cssises dahinschreitet, oder gar in
das Lois cke kouloAne fährt — denn er hat ja ein
20 Francs-Stück in der Tasche und eine Grisctte
am Arm — konnte sich begreiflicherweise nicht in
die, Züge eines gewandten Staatsmannes verirren.
Aber auch das schlaue, zuckersüße Lächeln, das ge-
winnt, ohne zu überzeugen, das Freunde wirbt,
ohne etwas zu versprechen, diese erborgte Dcmo-
kritos-Miene der Philosophen-Diplomaten kuckte
noch nicht zwischen den schön gespaltenen Lippen
hervor, hatte sich noch nicht tückisch-süß um die
zuckenden Mundwinkel gelagert. Der Ausdruck sei-
nes Gesichtes war beinahe zuerst für einen Staats-
mann. Was Wunder! es war ja auch nicht das
Gesicht des Diplomaten; es war das Gesicht des
 
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