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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (7) — 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.42479#0334

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in einer Sprache, von der er wußte, daß die Prin-
zessin sie nicht verstand. Dabei flogen seine Blicke
zwischen dieser und dem Fürsten in kurzen Zwischen-
räumen hin und her. Als er nach langem Zögern
das Ende seiner Botschaft verkündigt hatte, verlor
er plötzlich seine ganze Haltung, er verbeugte sich
tief vor dem Könige und stotterte die Bitte um
Gewährung einer Gunst hervor.
„Eine Gunstbezeigung?" fuhr Stanislaus im
frohen Erstaunen auf. „Sie hatten eine Gunst
von mir zu erbitten, mein Freund? Es wird mich
glücklich machen, wenn ihre Erfüllung in meiner
Macht steht. Es ist lange her, daß ich irgend Je-
manden eine Gunst erweisen konnte; ich hatte auf
dieses Vorrecht des Königthums schon für immer
Verzicht geleistet. Reden Sic also, lieber Graf, und
ich werde für einen Augenblick wieder König sein, um
noch einen Glücklichen in meinem Leben zu machen."
„Sire!" entgegnete der Graf Estrecs mit Za-
gen, „den König müssen Sie in diesem Augenblick
ganz vergessen, so wie ich mich zwingen will, nicht
daran zu denken; nur der Gedanke an die große
Güte und Nachsicht, die Sie mir stets schenkten,
macht mich so kühn, meine Bitte auszusprechcn.
Ich liebe Ihre Tochter, und ich habe keinen sehn-
licheren Wunsch, als Ihr Sohn zu heißen."
Stanislaus zitterte, als er diese Worte ver-
nahm; er zog seine Hand, die er dem jungen Manne
dargercicht hatte, stolz zurück, erhob sich in seiner
ganzen Majestät und sagte: „Sie lieben die Prin-
zessin, Herr Graf?"
Und mit der eisigen Kalte des Tones bezeichnete
er den Unterschied zwischen den Worten Graf und
Prinzessin auf eine fast verletzende Weife.
„Es ist wahr, Sire!" entgegnete der Offizier.
„Mein Ehrgeiz riß mich unbedachtsam hin, da ich
mein Auge auf Ähre erhabene Tochter richtete.
Aber den Kehler, den ich begangen, verschulden
Sie und die Dame eben so sehr als ich."
„Empfange ich zuerst das Geständnis; Ihrer
Unklughcit, mein Herr?"
„Halten Sie sich davon überzeugt, Sire. Als
ich nach Weißenburg kam, als ich Sie das erste
Mal sah, fand ich in Ihnen einen Monarchen, der
nichts von seiner Majestät eingcbüßt hatte, und in
Ihrer Tochter eine Dame, meiner innigsten Ver-
ehrung würdig. Aber haben Sie nicht seit jenem
Tage Alles gethan, mir gegenüber Ihren Rang zu
verlaugnen, und mich den Abgrund vergessen zu
machen, der sich zwischen uns ausdehnt? Haben
Sie mir nicht zutraulich die Hand gedrückt? Haben
Sie mich nicht Ihren Krenad genannt? Ihren
Freund! In diesem einen Worte liegt meine Recht-
fertigung, meine Vertheidigung. Wie hatte ich
mich daran erinnert, daß Sic König sind, da Sie
selbst sich besten nicht mehr erinnern wollten, und

mich wie ein Kind des Hauses behandelten? Und
Ihre Tochter? Nachdem ich sie wie eine Fürstin
verehrt, wie das Meisterstück des Schöpfers in Ehr-
furcht angebetet hatte, hat sie mich nicht in ihrer
großen Milde und Sanftmuth fo sehr zu sich her-
aufgezogen, daß ich sie endlich für das lieblichste
und bescheidenste aller Erdenweiber hielt? Noch
einmal, Sire! Ich berufe mich aufSie selbst! Wenn
meine Kühnheit Sic beleidigte, so erkennen Sie
mindestens den Grund derselben und beklagen mich."
Der Zorn des Königs legte sich nach und nach,
seine gewohnte Gutmüthigkeit kehrte zurück und ver-
scheuchte die Strenge von seinem Gesicht. Er blickte
in die feuchten Augen des jungen Offiziers, reichte
ihm auf's Neue die Hand und ließ ihn neben sich
sitzen. „Ja," sagte er, „dies ist wahrhafte Liebe,
das edelste, das erhabenste Gefühl, das in dem
Herzen des Menschen wohnen kann. Wird sic auch
ausdauernd sein? Sie sind ein wackrer Mann,
d'Estrses, wcrth einer Königin sich zu vermahlen,
wie meine Tochter der Hand eines Königs würdig
ist. Aber ich bin ja kein König mehr; es war Un-
recht, mir noch einmal einzubilden, ich sei es. Ach
darf nicht aufhörcn, Ihnen ein Krcund, meiner
Tochter ein Vater zu fein; das sind die einzigen
Wunden, die mir geblieben sind; sic sind zum min-
desten meinem Herzen am heiligsten, und ich werde
ihre Pflichten erfüllen.^ Er fuhr mit der Hand über
die Stirn und Thränen traten ihm in die Augen.
„Reden Sie, Sire!" bat Esters, vor Furcht
und Hoffnung zitternd.
Stanislaus sah feine Tochter an, und da er
aus ihrem Anblick die Starke geschöpft hatte, de-
ren er so sehr bedurfte, fragte er den Eapitain:
„Lieben Sic meine Tochter wahrhaftig und innig,
mein Kreund?"
„Bis in die Ewigkeit!" rief der junge Mann
mit einem Tone der Leidenschaft, der ein Lächeln
des Königs veranlaßte.
„Nun denn," fuhr Stanislaus fort, „da meine
Tochter, gleich mir, auf die Ehre eines Thrones
verzichten muß, fo will ich mich darauf beschränken,
ibr Glück zu machen, und ich glaube in der That,
daß Niemand mehr im Stande ist, mir darin bei-
zustehn, als gerade Sie selbst."
„Sie geben mir das Leben wieder!"
„Hören Sie mich zu Ende. Ich genehmige Ihren
Antrag unter einer Bedingung. Wenn ich auch
von der Höhe des'Throns herabsteige, darf ich doch
nicht zugebcn, Laß die Prinzessin allzutief unter
ihren Stand hcrabsteige; ich bin das ihr und ihrer
Nachkommenschaft schuldig. Erwerben Sic sich dem-
nach den Hcrzogstitel und die Pairswurde, so ist
die Prinzessin die Ihrige."
(Fortsetzung folgt.)
 
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