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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen — 1845

DOI Kapitel:
Nro. 18 - Nro. 24 (4. Maerz - 28. Maerz)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42424#0093

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Der Neckar x Botr erſcheint
wöchentlich zweimal , Dienstags
u Freitags Der U bonnements-
preis becrägt für ein Jahr 1 fl.
36 kr., für eim halbes Jahr 54
kr., sür ein Bierteljayr 30 kr.

Neck ar-BVote.

Vr o. 23.

Die Einrückungsgebühr für die -
qeſpaltene Zeile oder dereu
Raum beträgt 2 kr. Bei Anz
zrigen, worüber dir Expedition
Auskunſt ertheilt, 3 kr.

Freitag, den 21. März 1 845.





Buntes aus der Zeit.

Der Karlsruher Verein sür den Dombau in Koln
war im verfloſſenen Jahr im Staude, von ſeinen Ein-
nahmen 400 fl. an den Centralverein in Köln abzu-
ſchicken. Die Zahl der Bereinsglieder war 2514 (im
Jahr 1845 nur 145). – Herr von Bandell, dem
s. Z. die Ausführung des Hernmrann-Deukmals übertra-
gen worden iſt, hat Detmold verlassen, wo er seit ,7
Jahren seinen Aufenthalt genommen hatte. Der ſct öne
Unterbau des Deukmals iſt fertig, aber zur Vollendung
der koloſſalen Bildſäule des Befreiers der Deutſchen
fehlt noch dee Summe von 12,000 Talern.

Die Statuten des Berliner Lokalverieins sſür das Wohl |

der arbeitenden Klaſſen werden vom Staate voirgus-
ſichtlich nicht genehmigt werden, ,

Eine kürzlich in Poſen entdeckte geheime Verbindung,
welche die Regierung anfänglich als eine Kinderei zu
betrachten schien, muß doch in der Unterſuchung einen
ernſtern Charakter gezeigt haben. Zwei der Betheilig-
ken, junge Leute von 19 uud #46 Jahren, welche aus
der Hatt entlaſſen waren und sich gegen Caution bei
ihrem Vater aufhielten, ſind entwichen. Sie werden
in den Steckbriesen als »Landesverräther erſter Klaſſe«
bezeicbnet. ]

Der Domdechant Ritter hat dem Polizeipräſidium in
Breslau einen Buchdrucker aus Freiburg in Schlesien
zur Anzeige gebracht, der sich ihm erboten hat, gegen
eine Belohnung von 30 Thalern Ronge zu ermorden.

Die Luzerner Regierung hat die einberufenen vier
Infantcriebataillone bis auf wenige Compagnien entlaſ-
sen. Dagegen werden die Vertheidigungsanſtalten in
der Stadt und auf dem Lande fortgeselzt. – Judem die
A. Alg. Ztg. die Nachricht mittheilt, daß die Luzerner
Regierung eine Amnestie für die politiſchen Angeklagten
dann ertheilen werde, wenn das Freiſchaarenweſen ſie
nicht mehr immer im Kriegszuſtand halte, fügt ſie hin-
zu, z die Behandlung der Gefangenen jetzt eine sehr
milde ſei. §

In den letzten Tagen ſtarb zu Schmieheim (Bezirks:

amt Ettenheim) Jakob Willmaunsdorf in einem Alter

von 110 Jahren.

Im norwegiſchen Storthing iſt der Antrag auf Auf-
hebung der Lotterie geſtelt worden.

Laut Ausſagen des Karlsruher Wetterpropheten Stief-
fel ſoll die ſtrenge Kälte noch bis zum 6. April dauern.
In Loudon haben viele Hausbeſitzer das Anſuchen
geſtelt, das ſeiner Zeit für ſo vorzüglich gehaltene Holz-
pflaſter wegzunehmen und es durch Granitplatten er-
setzen zu laſſen.

Der bekannte Thierbändiger van Amburgh will ſich

zur Ruhe setzen und läßt in Manchester seine Elephan-
ken, Giraffen, Löwen, Leoparden, nebſt 60 dreſſirten
Pferden öffentlich verkaufen.
Neulich flog ein Champagnerpropf einem Kellner-
mädchen in Hamburg ſo unglücklich ins Auge, daß es
nach 5 Wochen in Folge des dazu getretenen Brandes
,m Hoſpitale ſtarv. :





Damen- Catechismus des vierzehnten
Jahrhunderts.

Die Wichtigkeit die man auf die Stammbäume
ju legen pflegt, welche im 12ten, 13ten und t ten
Jahrhundert ihre Wurzeln schlugen, die Heiligs
keit, die man noch immer gewissen Inſtitutionen,
ebenfalls jenen Zeiten entſprungen , beimißt, möchs
ten auf die Vermuthung führen , als ob jene Epos
chen eine Quelle von Scelenadel und Civilisation
geweſen wären, als ob in ihnen die verkörperte
Weisheit und Tugend auf Erden gewandelt hätte.

Leider iſt dem nicht alſo. Die Geſchichte hat
ſchon zu Genüge den Lobrednern guter alter Zeit
bewieſen, wie falſch ihre Hymnen klingen; da je-
doch die Wahrhe.t nicht oft genug gesagt werden
kann, besonders da, wo ſie ſich unter anmuthig
wechſeluden Formen zeigt, so finde auch hier eine
Skizze ihren Platz, die nit gewiſſenhafter Treue
einen ſchwächen Theil der Barbarei ſchildert , wor in
Europa noch im vierzehnten Jahrhundert , kurz vor
ter Ecfindung der Buchdruckerkunſt, ſchmachtete.

Frankreich nahm schon zu jener Zeit , in Betracht

vorschreitender Bildung, einen bedeutenden Rang

unter den europäiſchen Staaten ein. Lange ſchon
blühten sein Handel, seine Fabriken , seine Schulen.
Mitten unter dem Gewirre blutiger Fehden und
arger Vertilqungskämpfe grünte der Baum der .
Wissenschaft und des Lebens. Viele Ausländer bes-
ſuchten die Universität zu Paris und gingen fo weit

vom Vaterlande, weil ſie in der Heimat die Kuls

tur nicht fanden, die ſich ihnen auf franzöſiſcher
Erde darbot. Dennoch war Frankreich dazumal eher

einein wilden Forfle voll reißender Thiere zu ver-

gleichen, als einem geſsellſchaftlich geordneten Staate.
Der König lag im Kriege mit seinen aufrühreris-
ſchen Baronen, seine Vasallen plünderten die ruhi-
gen Städte, die Kloſter ubten tyranniſche Gerichts-.
barkeit über das platte Land. Innerhalb der Haupt-
ſtadt ſelbſt mordete ſich die Wuth der Faktionen,

F

ſtritten ſich Parlament, Aebte und Biſchdfe. Mas

qgiſtrat und Prevotalgerichte um die höchſle Gewalt.

In dieſer Wirrniß, worein die Lehrer des Volks,
Prieſter und Professoren, ſich selbti verflochten hat-
ten in blindem Grimm, konnte Sitte und Aufklä-
rung nur sparsame Frucht tragen, Die seltenen
Beispiele von Edelmuth und einer gewiſſen Charaks-
termilde, die jene Zeiten aufweisen, tauchten aus
dem Bürgerleben auf. Die hoheren Klaſſen der
Gesellschaft waren feſtgerammt in Barbarei; der
Adel stand da wie eine untheilbare Maſſſe, zuſame
mengebacken aus alten Ungerechtigkeiten, Unförm-
 
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