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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen — 1845

DOI Kapitel:
Nro. 43 - Nro. 46 (3. Juni - 13. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42424#0189

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Der Neckar = Bote erſcheint
wöchentlich zweimal , Dienstags

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u. Freitags. Der Abonnements S Ü
preis beträgt für ein Jahr tr fl.
36 kr., für ein halbes Jahr 54
kr., für ein Biertrljahr 30 kr.

Freitag, den 6.



«V 0. 44.

Die Einrückungsgebühr für die

qrſpaltene Zeile oder dercn

D Raum beträgt 2 kr. Bei An-

zeigen, woruber die Expedition
Auskunkt ertheilt, 3 kr.

Juni 1845.





Buntes aus der Zeit.

Die Abgeordneten Hecker. und v. Itzſtein, deren Er-
klärung den Leſern ans den Zeitungen bereits bekannt
iſt, haben die nöthigen Schritte gethan, um ſich Ge-
nugthuung zu verſchaffen. Indeß wird die Auswei-
ſungsgeschichte in ganz Deutschland auf das Lebhafteſte
besprochen. )

Die preußiſche Allg. Ztg. erzählt, es sei vom Bun-
destage über die Spielfrage in der Weiſe entschieden
worden, daß die Regierungen verpflichtet würden, nach
Ablauf der beſtehenden keine neuen Verträge mit den
Pächtern zu ſcbhließen.

Der Vertrag zwiſchen England und Frankreich, wel-
chen der Herzog von Brog!ie zu London zu Stande
gebracht, iſt nunmehr unterzeichuet. Unter Aufhebung
des bisherigen läſtigen Durchſsuchungsrechts sett er feſt,
daß von jedem Staat eine Flotte von 27 theils Dampf-
theils Segelſchiffen an der Küſte von Afrika ſtationiren
und die Schiffe seiner eigenen Nation zu überwachen
habe; außerdem ſoll durch Verträge mit den Negerfür-
ſten auf die Unterdrückung des Sklavenhandels hinge-
wirkt werden.

Der von dem Gesandten Caſtelloy Ayenſa nach Ma-
drid überbrachte Entwurf eines Concordats mit Rom
enthält ſo hochgeſpannte Forderungen, daß er von-
ſpaniſchen Miniſterium wieder zurückgeschickt ward. Der
päpſtliche Hof will jetzt ven den Zusagen Gebrauch
machen, welche die Königin Marie Chriſtine während
ihrer Verbannung ihm gemacht.

Die Zeitungen enthalten nun auch die Aktenſtücke über
Don Carlos Abdankung zu Gunſten seines Sohns. Sie
ſind vom 18. und 22. Mai datirt. Der nunmehrige
Prätendent Karl Ludwig will nach seinem Manifest
nicht mit Gewalt seine Rechte wahren, er hofft auf
eine Versöhnung der königlichen Familie (durch die
Vermählung mit der Königiu JIſabella].



Der Grieche Siwinis,
in ruſſiſchen Dienſten,
(Fortsetzung.) :
In Moskau lebte ein alter ehrwürdiger Grieche
Namens. So im, der ſich durch glückliche Handels-

. und Wechſselgeſchäfte, wie durch günſtige Zeîtereig-

niſſe cin Vermögen erworben , deſſen Umfang und
Betrag nicht zu berechnen war.

Man behauptete, kein Monarch Europa's beſitze
ein Privatvermögen , das ſich mit dem des alten
Griechen meſſen klönne. Reiſende, die als Augen-
zeugen urtheilten, erklärten, daß sein Cabinet an
Seltenheiten und Mineralien den Reichthum des
bekannten grünen Gewölbes in Dresden überſtieg.

Der alte Banquier hatte sein Haus längft auf-
gegeben und ſich mit seinen Schätzen in ein Kloſter



zurückgezogen, wo er ſich im Beſitze derſelben um
ſo ſicherer fühlte. :

Er wurde faſt wie ein Heiliger verehrt, und
dieſe Verehrnng war wohl um ſo eher zu entſchul--
digen, da ſich wenigſtens seine Heiligkeit auf einem
wirklichen, soliden Werth begründete, ~ was wohl
nicht immer der Fall sein mag.

Siwinis trat in Moskau auf mit den dringend--
ſlen Empfehlungsſchreiben von Yermolow ausge-
rüſtet, welche ihm sofort den Eintritt in die erften
und ausgezeichneſlten Familicn geftlatteten,

Der patriarchalischen Gaſtfreundſchaft des ſtol--
zen Moskau angemessen, wurde der Empfohlene
uberall schr gut aufgenommen, Was bereits frü-
her zur Charakteriftik seiner Perſon als Mann von
feinſtem Ton erwähnt wurde, findet hier auf's
Neue Anwendung. Siwinis, der ruhmgekrönte
Adjutant Yermolow'’s, war bald in allen Sälen der
unentbehrlichſte Geitt, die Seele der magern und
fetten Conversation. In Kurzem sah er ſich auch
in den übrigen Glanzhäuſern eingeführt, an die er
nicht empfohlen; und auf solche Weise gelang es
ihm, die Bekanniſchaft des alten Soſim zu gewin-
nen, an dem er sein Meiſterſtück auszuüben bes
ſchloß.

Daß alle Empfehlungen, die er nach Moskau
btachte, falsch waren, bedarf wohl keiner Bemer--
kung. Unserm Helden war dieses durchaus gleiche
giltig falsch oder nicht; die Empfehlungen hat-
ten ganz vorzügliche Wirkungen gehabt und ihn in
Verhältnisse gebracht, die zur Avsführung seines
verſteckten Planes unumgänglich nöthig waren,

Der alte Soſim lebte in seinem Kloſter ohne
Berùhrung mit der Welt, jedoch auch ohne Abnei-
gung gegen Besuch und Umgang. Jeder Gaſt war
ihm auf Augenblicke willkommen, ja er betrachtete
manche Aufwartung als ein pflichtſschuldiges Opfer,
welches die Bewunderung dem reichſten und erſten
Manne der Welt darbringe, und empfing seine Ver-
ehrer eben so wortkarg und einsylbig, als mancher
andere große Mann ſeine ,gfeierlich Bewegten G
die ſich um ihn verſammeln. ~

Siwinis hatte nach einigen Viſiten seinen Pa-
tron tief genug durchſchaut , wiewohl noch Niemand
einen Blick in das verſchloſſene Gemüth des Alten
gerichtet. Er ſah ihn mit seinem unermeßlichen

Reichthum ſtill und abgeschieden, als Gaſt unter

Mönchen leben, die herkömmlicher Weise eigentlich
wenig Sinn für den Reiz der irdischen Güter haben
dürfen. Lebendig begraben, gähnte der alte So-
ſim dem düſtern Grabe entgegen, in welches er
höchſtens einige Perlen als Roſenkranz, einige De-
 
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