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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen — 1845

DOI Kapitel:
Nro. 34 - Nro. 42 (2. Mai - 30. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42424#0147

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Der Neckar - Bote erſcheint
wöchentlich zweimal , Dienſtags
u. Freitags. Der Abvnnements-
preis berrâgt für ein Jahr 1 fl.
36 kr., für ein halbes Jahr 5/4
kr., für ein Vierteljahr 30 kr.

Freitag, den 2.

Neckar-Vote.

ro. 34.

Die Einrückungsgebühr für die
gespaltene Zeile oder deren
Raum beträgt 2 kr. Bei An-
zeigen, worüber die Expedition
Auskunft ertheilt, 3 kr.

Mai 1 845.





Buntes aus der Zeit.

Wegen der kürzlich entdeckten politiſchen Umtriebe in
Schlesien wird der Prozeß beim Kammergerichte in Ber-
lin wegen Hocbverrath geführt. Bis jetzt ſind 7 Per-
ſonen deshalb in Berliner Gefängnisse eingebracht wor-
den, von denen ſich ein junger Mann am 25. v. M.
erhäugte. . G

Von Wicttigkeit iſt eine Erklärung des preußiſchen
Cultusminuiſteriums, wonach die dentſch-katholiſchen Ge-
meiuden in die Reihe der vom Staat geduldeten Kir-
chengemeinschaft gestellt werden ſollen.

Der große Rath des Kantons Luzern hat am 26.
April den Vertrag über Auslösung der fremden Gefan-
genen genehmigt; von den Kautouen Solothurn, Aar-
gau, Bern u. s. w. werden die Ratificationen in- den
näcbſten Tagen eintreffee. So werden nun bald diese
Unglücklichen ihren Familien zurückgegeben sein, und
dem Kanton Luzern bleibt nur noch die Entſcheidung
über seine eigenen Bürger. Daß diese nicbt sehr mild
ausfallen wird, zeigt das ganze bisherige Verfahren.
Das Kriegsgericht, von dem keine Appellation ſtattfin-
det, hat vom 46. bis 22. April bereits 27 Kautons-
bürger (zu Ketten-, Zuchthaus - und Gefängnißfſtrafe)
verurtheilt, die dem Truppenaufgebot der Regierung
keine Folge leiſteten. Außerdem wartet ihrer nocb die
Verurtheilung vom Kriminalgericht wegen Theilnahme
am Freiſchaarenzuge. Gegen den Dr. Steiger lautet
der Antrag an das Krinminalgericht auf Tod durch Er-
ſchießen! .– Die Regierung läßt wegen der beunrnuhi-
genden Gerüchte aus Bern über den Unſſturz der Re-
gierung und einem beabſichtigten neuen Freiſchaarenzug
die Befeſtigungen an der Emmenbrücke bei Luzern wie-
der herſtellen.

Bei Jerelien im Kanton St. Gallen mackte sich am
22. April ein Felſenſtück von 8~ 10,000 Fuder In-
halt, dicht an der Landſtraße los, zerdrückte Wagen
und Gerätbſchaften, tödtete 2 Pferde und warf durch
den Luſtdcuck einen Wagen mit 56 Säcken Kohlen, auf
welchem eine alte Frau saß, über den Straßenrand.
Einige Dutzend Gemeinwerker rettete die Aufmerksam-
keit auf das vorangehende Rieſeln kleiner Steine.

Nachdem nun die zweite Leſung der Bill über Erhö-
hung der Dotation fur das Mayvothkolltegium (kathol.
höhere Lehranstalt Irlands) mit bedeutender Majorität
vom engl. Unterhaus angenommen worden, haben die
nähern Verhandlungen über diese wichtige Frage be-
gonnen, welche voraussichtlich den das Parlament noch
viel in Anspruch nehmen wird. Die Zahl der einge-
kommenen Petitionen, meiſt gegen die Bill, iſt ganz
enorm.



Der Schneesturm.

(Fortsegung.)



Die Wuth des Sturmes begann indeß immer

mehr und mehr abzunehmen und Wilhelm konnte
nun dem geliebten Wesen an seinem Buſen seine
ganze Auf merkſamkeit widmen. Die Warme ſeis-
nes Herzens ſchien dem ihrigen neues Leben mit-
zutheilen, und als er ihre Füße sanft auf den Schnee
nicderließ, um die zarte Jungfrau sorgfältiger in

ihren Mantel einzuhullen, machte ſie einen Ver-

.

ſuch, ſich aufrecht zu erhalten, und fragte in liebz
licher Verwirrung, wo ſie sich befände und was ihr
begegnet sei? Sie war jedoch noch zu ſchwach, um
ohne ſeinen Beifland ihren Weg fortsetzen zu kön-
nen, und als ihr Retter ſie noch einige Schritte
weiter getragen hatte, lispelte ſie leiſe : „Ach, Wil-
helm! wie, wenn mein Vater auch auf der Marſch
wäre!? Denn wenn Sie, dem ich ein völlig gleich-
gültiger Gegenſtand sein muß, wie ich glaube, hier-
her gekommen ſind, mein Leben zu retten, um wie
viel mehr darf ich nicht vermuthen , daß auch mein
Vater versucht haben wird, etwas zu meiner Rets-
lung zu thun. Sie hatte diese Worte noch nicht
ausgeſprochen , als beide, bei dem schwachen Schein,
welchen der Mond durch das zerriſſene Gewölke
warf, die Geſtalt eines Mannes gegen ſich heran-
ſchreiten sahen. „„Vater! Vater!“ rief Hannah
aus, und in demſelben Augenblicke berührten seine
weißen Haare auch ſchon ihte Wangen! Das Bels-
len der Hunde und das Rufen des jungen Hirten

hatten des unglücklichen Alten Obr getroffen, als

der Todesſchlaf ihn schon zu überwältigen begann,
und mit einer legten verzweiflungsvolen Anflreng-
ung hatte er sich der verderblichen Erſtarrung ents-
riſſen und war den rettenden Zeichen entgegengeeilt,

Welch ein beglückendes Wiederſchen! Vor einis
gen Minuten noch hatten die Schrecken des Todes -
deſe drei geliebten Weſen umgeben; jetßt wurden
ſie von der Hoffnung der nahen Rettung mit einer
neu belebenden Warme durchdrungen und der Alte
war bald im Stande, Wilhelm Grieve in seinen
Bemühungen, Hannah durch den Schnee zu gelei-
ten, zu unterſtuten. Das blühende Roth kehrte
mit der Wärme des Lebens wieder auf die Wangen
des jungen Mädchens zurück, und ihr Geliebter, ſo
durfen wir ihn jetzt nennen, fühlte ihr Herz sanft
gegen das seinige schlagen. Dankbarkeit gegen Gott,
Freude uber ihre Rettung , kindliche Liebe und eine
reine Zuneigung für den Sohn ihres Herrn, alle-
dieſe Gefühle beſtürmten jetzt des unschuldigen Mäd-
chens Herz, uud bis auf dieſen Augenblick hatte ſie
noch nicht gewußt, was Glückseligkeit sei. Der
Sturm war jetzt voruber und der Himmel nahm
allmälig ſeine frühere Heiterkeit wieder an, als die
nachtlichen Wanderer den erſten Schimmer des Lich-
 
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