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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen — 1845

DOI Kapitel:
Nro. 25 - Nro. 33 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42424#0107

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Der Neckar = Bote erſcheint
wöchentlich zweimal , Dienstags
u Freitags. Der Abonnements-
preis beträgt für ein Jahr i fl.
36 kr., für ein halbes Jahr 54
kr., für ein Vierteljahr 30 kr.

Neck ar- Bote.

0.0 26.
Freitag, den 4.

Die Einrückungsgebühr für die
gespaltene Zeile oder deren
Raum beträgt 2 kr. Ber An-
zrigen, worüber die Erpedition
Auskunft ertheilt, 3 kr.

April 1 845.





Buntes aus der Zeit.

Mannheim, 54. März. In diesem Augenblicke
kommt uns die Nachricht zu, day bei der Feudenheimer
Fahrt neun Frauen aus Feudenheim, die gewöhnlich
Peäilch hierher brachten und auch unter den vorhandenen
gefährlichen Umſtänden ihr kümmerliches Brod verdie-
nen wollten, im Neckar ertrunken seien; auch der Fähr-
mann soll verunglückt ſein. (M. Abdz.)

Den Marktflecken Stein (im Amte Bretten) hat am
28. März ein großes Unglück betroſfen. Der Ort liegt
in einem engen Thale und iſt deshalb ſchon oft von

Waſſersnoth beimgeſucht worden; diesmal geselite sich

aber zu den Bächen geschmolz enen Scbnees noch ein
von Hagel begleiteter Wolkenbruch, der im Laufe we-
niger Minuten die Bäche zu Strömen umwandelte, die
Häuſer bis zum zweiten Stockwerke unter Waſſer ſetze,
und bei der Scbuelligkeit, womit das Zerſtörungswerk
geſchah, 153 Menſchen und 100 Stücken Bieh das Le-
ben geraubt haben ſoll.

In Leipzig ſind die Abgeordneten der deutſch - katho-
liſchen Gemeinden versammelt, um die Angelegenheiten
der neuen Kirche gemeinsam zu berathen. 27 Gemein-
den haben sich vertreten laſſen, andere haben im Vor-
_ aus ihre Zuſtimmung zu den Beſchlüſſen gegeben. Das
geiſiliche Element wird durch Rouge, Ezerski und Kari
Kerbler repräſentirt.

In Bielefeld hat ein Lieutenant, der ſich im Geſpräcb
ger 'eizt glaubte, ohne weiters durch einen Säbelhieb ei-
nem dortigen Bürger eine o bedeutende Kopfwunde
beigebracht, daß dieser acht Tage nacbher noch nicht
außer Gefahr war. Die Spaunung, welche zwischen
dem Militär und den Bürgern in Bilefeld ſchon seit
einiger Zeit herrscht, iſt durch diesen Vorfall natürlich
. zu einem hohen Grad von Gereiztheit geſtiegen; der
Lieutenant v. B. aber zog, wie um dieſe Stimmung
zu verſöhnen, am Tag nach dem Borfall mit ſeinen
Leuten mit fllugendr m Spiel auf die Parade.

Die Züricher Blätter melden, daß die Regierung von
Aargau ~ wie sie bereits ttftcr in einem Scbreiben
an den Vorort erklärt ~ den Freiſchaaren die amtliche
Aufforderung sich aufzulöſen habe zugehen laſſen. Diese
Forderung wurde von den Anführern mit Unwillen auf-

genommen; indeß aus Bern, Waadt uud Baſelland-
schaft immer neue Sthaaren von Zugängern ankommen,
um die aargauiſchen Freiſchärler bei ihrem Augriff auf
Luzern zu unterſtitzen. Die aargauiſche Regierung, die
nun der Bewegung nicht mehr Herr werden kann, die
ſie ſelbſt hervorgerufen, und dir mit Recbt für ſich ſelbſt
fürchtet, hat in aller Eile den großen Rath einberufen.



Der Schneesturm.

Eine Erzählung von Guſtav Ragel.

Im Sommer iſt Schottland ſelbſt in seinen wil-
deſten Haiden nicht ohne ur tes der Natur,
und der ermüdete Wanderer, welcher ſich viellei cht
an den Ufern einer tleinen, durch glänzendes Moos



und friſche Brunnenkresse geräuſchlos dahin rieſeln-
den Quelle gelagert hat , fuhlt ſein Herz neu belebt
durch die heitere Stille und die Lieblichkeit der
Scene, die ihn hier umgibt. Von allen Seiten làs
cheln ihn, ſclbſt mitten in der ödeften Steppe,
freundlich besounte Grasplätze an, auf welchen das
Auge mit fiiilem Entzücke n verweilt ; unerwartet
ſpringt vielleicht ein Schaf mit seinen Lammern,
uber des Wanderers Anblick erschrocken, vor ihm
auf, große und herrlich glänzende Insekten durch-
ſchwärmen die Luft, und auch an den Sängern des
Waldes gebricht es der Wildniß nicht. Der graue
Hänfling, welcher das blühende Haidekraut liebt,
belebt mit seinem Gesang die stillen Raume über
ſeinem Haupt, und hoch über den Gipfeln der grüs
nenden Hugel ſchwingt ſich die Lerche ſchwirrend
zum Himmel empor. Wahrend einer ſolchen heis
teren, ſonnenhellen Stunde scheint die einſame Hütte
der Wüſie in einem Paradiese zu fliehen, und der
Wanderer, welcher ſich endlich zur Fortſegung ſeis
ner Reiſe erhebt, wendet den Blick noch einmal zue
rück und segnet das friedliche Obdach, das ihm Schutz
und Labung gewährte, mit den gemiſchten Gefüh-
len des Neides und des Entzückens. Hier , sagt er
zu ſich.ſeleſt, "hier iſt es, wo die Kinder der Un-
ſchuld und der Zusriedenheit weilen. beglückt durch
dieſe wohlthätigen Schutzgeitler des menſchlichen Le-
bens.

Ganz andere Gedanken hingegen ftôreifes das
Gemüth desjenigen, welcher zufällig dieselben Gez
genden in der erſtarrten Dede des Winters durch-
wandert. Dann ist die Haide von cinem kalten,
bleichen Himmel, wie von einem Eisgüurtel um-
ſchloſſen, und alles Leben in der Luft wie auf der
Erde erſtarrt. Das Schweigen, welches um ihn
herrſcht,. iſt nicht das der Ruhe, ſondern das der
Vernichtung , und wenn sein Auge auch hier und
da cine einſame, in Schnee begrabene menſchliche
Wohnung entdeckt, so fühlt cr ſich doch nur geneigt,
diejenigen zu beklagen, deren Geſchick es iſt, ent-
fernt von den heiteren Vereinen der Menſchen in
melancholiſcher Abgeschiedenheit, von Armuth nie-
dergebeugt und gedrückt, und vic lleicht von Schmerz
und Krankheit gefoltert’, dahinzuſchmachten, ohne
daß irgend eine frengdli che Hand ſich helfend und
pflegend ihnen naht.

Ich habe eine kurze nnd einfache Geschichte zu
erzählen aus dem Winterleben jener Haidenbewoh-
ner, eine Geschichte, welche nur den kurzen Zeit-
raum eines cinzigen Abends in ſich faßt, welche
aber , obgleich ohne glänzende Ereignisse und Cata-
ſtrophen, deſſenungeachtet geeignet ſein dürfte, die

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