Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen — 1845

DOI Kapitel:
Nro. 25 - Nro. 33 (1. April - 29. April)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42424#0121

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Reckar = Bote erſcheint
wöchentlich zweimal , Dienstags
u. Freitags. Der Abonnements--
preis beträgt für ein Jahr i fl.
36 kr., für ei halbes Jahr 54
kr., für ein Bierteljayr 30 kr.

Neck ar-Bote.

.

Die Einrückungsgebühr für die
qrſpaltene Zeile oder deren
Raum beträgt 2 kr. Bei An-
zeigen, worüber die Erpedition
Auskunft ertheilt, 3 kr.

Dienstag, den 15. April 1 845.





| Buntes aus der Zeit.

In mehreren Wahlen in den Regierungsrath des Kan-
tons Züricb haben die Radikalen den Sieg davon ge-
tragen, die übrig gebliebenen Conservativen, Dx. Bluntscbli
und Bürgermeister Mouſſon, haben die wieder auf ſie
gefallene Wahl nicht angenommen, weil sie ſähen, daß
daf von ihnen befolgte Syiſtem für jetzt nicht das Zu-
trauen des Volks habe; ihre Entlaſſung wurde ibnen

mit der Anerkennung ihrer dem Staat geleiſteten Dienſte

ertheilt. Die wieder verſammelte außerordentliche Tag-
satzung, nunmehr von dem an Mouſſons Stelle getrete-
nen Dr. Furrer präſidirt, beschäftigt ſtch ernſtlich damit,
den Zuſtaud der geſetzlicen Orduung in der Scbweiz
wieder herzuſtelen. Sie hat eine Commiſſion niederge-
setzt, welche hauptſäcblich die Anträge gestellt bat, die
allenfalls noch beſtehenden Reſte von Freiſci-aaren schnell
auflösſen und, in Uebereinstimmung mit dem früheren
Beſckluß vom 20. v. M., ihre neue Bildung überall
zu verhindern, dann aber den Stand Luzern dringend
zur Ertheilung einer Amneſtie für die Theilhaber an den
Vorfällen vom Dezember, März und April einzuladen,
da nur hierdurch das Vertrauen zurückgeführt und neue
gesetzwidrige Schritte verhütet werden können, in kei-
nem Falle aber möge ein allenfalls gefälltes Todesur-
theil volzogen werden. Auch die Kantone Aargau, Teſ-
ſin und Wallis sollen eingeladen weiden, wegen der in
den letzten Jahren vorgefallenen Widerſetzlicl keiten ge-
gen die Regierung, Amueſtie zu geroähren. – Man be-
schäftigt sich allerdings gegenwärtig in Luzern mit der
Abfaſsung eines Amneſtiedekrets, allein der Entwurf ent-
hält so viele Ausnahmen, daß die Wohlthat am Ende
nur denen zu Theil wird, welcbe ohnedies nur vou ge-
ringer Strafe betroffen würden. Die Gefangenen be-
fiuden sich meiſt in den Kirchen, die Unterſuchung wird
auyerordentlich raſch betrieben. Was von der ioven
Behandlung in den erſcen Tagen erzählt war, beſtätigt
ſich hinlänglich durch einen Tagzsbejfehl des ehrenwer-

then Oberkommandauten v Sonnenberg vom 2., in wel-

chem derſelbe ſagt, daß ihm mehrfach gemeldet worden,
wie den Gefangenen ungebübrend begegnet werde, es

ergehe daher der gemessene Befehl an alle Unterkomman-

danten, dieselben menschlich zu behandeln, »indem die

îChriſtenpflicht gebietet, auch gegen Feinde Schonung zu |
üben, und es zumal des Militärs Pflicht iſt, seine Ge-

fangenen gegen jede Mißhandlung zu ſchüitzen.«a – Die

Gefangenen, welche in der Vorſtadt Luzerns ſelbſt ge-

macht wurden, waren übrigens ſehr wenige, denn die

Freiſchaaren, die am 51. März dort eingedrungen, wa-

ren am 1. Apriit Morgens faſt alle ſchon wieder auf
die Anhöhen vor der Stadt zurückgezogen.

Die Wirthsſkube vor der Kirche zu Herkenrath
bei Bensberg ( Rheinpreußen) war , wie immer vor
dem Gottesdientle, auch am Sonntag den 30. März
gedrängt voll.
ſchwemmung und das Erfcieren der Kartoffelvor-
rathe geſteigert, bildete den Hauptgegenſtand des



Gesprächs. Da äußerte Gerhard M~ , ein wohl-
habender Bauer, daß er über dreißigtauſend Pfund
Erdäpfel abzugeben habe, jedoch zu annehmbarem
Preiſe keinen Käufer finden könne. „„So fteilt mir

ſ den Preis,“ versetzte ſcherzwciſe Meiſter Andreas,

ein blutarmer TIlickſchneider, ,,.so will ich den Vors
rath zur Vertheilung unter die Ortsarmen ankaus
fen.“û „„Für einen blanken baaren Thaler will ich
Dir den ganzen Vorrath überlassen,“ erwiederte
ſpöttiſch der wohlhabende M; denn er vermeinte,
daß in des armen Andres Taſche nimmer ein Fünf-
gqroſchenſiuci auf nur sechs Stunden herbergen werde,
zumal in der Schenke. Doch während der Scherz--
handel durch Handſchlag bekräftigt wurde, fühlte
der wackere Andres eine im Gedränge unſichtbare
Hand in seiner Taſche, er griſf hin und zog einen
blanken Thaler hervor, den er dem Verkäufer freus
dig überreichte. Der Handel iſt richtig, jubelten
die Anwesenden; doch der geizige M verlegen,;
überrascht und betroffen, warf ablehnend das Geld-
ltück dem armen Andres an den Kopf, daß diefer
überm Auge davon btlutrünftig wurde. Der Ans
blick der Wunde brachte den M. zur Beſinnungz er

q

mußte vor den vielen Zeugen die Richtigkeit des

Kaufs zugeſiehen, und dem verwirkten Thaler voch
eincn zweiten zulegen, um die gerichtliche Klage
wegen Verwundung abzuwenden. Schnell waren
alle Armen der Gemeinden Dürſcheid und Herkens
rath zur Kartoffelſpende eingeladen. Am Don-
nerſtag den 3 ds. Mittags waren 30,000 Pfund
abgeholt, Die Wundermäahre, daß Meiſter Andres,
emer der NRermtfien unter den Armen, die reichfte
Spende holte, hatte die ganze Umgegend zu der ges
müthlichen Scene gerufen Wer da nur etwas zu
grben hatte, wollte ſich von dem wackern Schneider
nicht beschämen laſſen, und zu den Kartoffeln sah
man anus fernen Gehöften Salz, Speck und Brod
fur die Armen herantragen, die Wirthe blieben auch
nicht zurück und marquetenderten unter den vera
gnügten Laſtträagern, diesmal ohne Kreide. Der
heitere Himmel verſchönerte das Fefl. Als aber
alle Kartoſfeln vertheilt waren, da ſtand noch ein
armer Mann mit leerem Sacke und sah traurig den
Traglaſten nach. Da wandte der wackere Schnei-
der auch den erworbenen Thaler auf. Alle gingen
vergnügt von dannen, jene unter ſchweren Laflen,
der Meiſter Andres leicht, aber am fröhlichſten.

| Er hatte ja den vortheilhafteſten Handel geſchloſſen.

— Der aber den Thaler gegeben , hat ſich nicht ge-

Die Noth der Armen durch Ueber- | tannt.





Kuppe, Puppe, Suppe.
 
Annotationen