Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen — 1845

DOI Kapitel:
Nro. 25 - Nro. 33 (1. April - 29. April)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42424#0111

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Neckar » Bote erſcheint
wöchentlich zweimal , Dienstags
u. Freitags. Der Abonrtements-
preis verrägt für ein Jahr i fl.
36 kr., für em halbes Jahr 54
kr., sur cin Bierteljahr 30 kr.



ro. 27.
Dienstag, den 8. April 1 845.

Die Einrückungsgebühr für die
geſpaltene Zeile oder deren
Raum beträgt 2 kr. Ber An-
zeigen, worüber die Erpedition
Auskunft ertheilt, 3 kr.





Buntes aus der Zeit.

Im Kaukaſus macht man große Rüſtungen.
ral Neidhardt war abgereiſt. Die Armee soll unzufrie-
den ſein über die großen Nuterſchleife, die man ent-
deckt hat. Schamyl fährt fort, Geld zu ſchlagen und
macht ebenfails bedeutende Rüſtungen.

Die von der Karsruher Zeitung verbeitete Nachricbt,
daß den Ort Stein, Bezirksamts Bretten, ein großes
Unglück solte betroffen haben, wird von demſelben Biatte
dahin berichtigt: daß der gedachte Ort im Mai 1827,
mit Nichten aber im März 18453 von einem verhee-
renden Wolkerbruche heimgesucht worden.

Gene-

Wertheim, 54. März. Seit vorgeſtern ſchwebt
unsere Stadt in großer Gefahr. Der Main und die
Tauber haben in Folge des plötzlich eingetretenen Thau-
wetters einen Waſsſerſtand erreicht, der jenem von 1 784
beinahe gleichkommt. Ein großer Theil der unteren
Stadt steht bis zum zweiten Stockwerke, theilweiſe ſo-
gar noch tiefer unter Waſſer. Der Andrang der Flu-
then kam so außerordentlich schnell, daß die werthvoli-
ſten Gegenſtände nur mit Mühe noch- in die oberen
Räume der Häuſer gebracht werden konnten.

Trotz des Tagſsatzungsbeſchlusses vom L0. uv. Mts.,
wornach die Bildung von Freischaaren und deren Auf-
treten ohne Mitwirkung der Kantonalregierungen un-
zuläsſig iſt, wurde von den Freiſchärlern im Aargau
der Angriff auf Luzern feſtgeſetzt. Die Zuzüger aus
andern Kautonen, namentlich aus Bern, Baſelland
und Walls kawen in ſtarken Haufen an und die Zeit
ſchien um ſo günſtiger, als der größere Theil der Lu-
zerner Truppen entlaſſen worden war. Die Freiſctaa-
ren drangen im raſchen Marſche bis Luzern vor, am
34. März fiel das erſte Gefecht vor. Die Freiſchaa-
ren wurden am 41. und 2. April von den raſch einbe-
rufenen Luzerner Truppen gänzlich geſchlagen, zum
großen Theil gefangen.

In Braunſchweig iſt ein proteſtantiſcher Candidat
der Theologie zur neuen deutſcb-katholiſchen Kirche über-
getreten. Er sucht seinen Schritt ößentiich zu begrün-
den und glaubt, alle Proteſtanten würden ihm wohl
noch nachfolgen.

Das französiſche Miniſterium fordert von den Kam-
mern einen Credit von 17 Mill. Frs. zur Bewaffnung
der Feſtungswerke von Paris, worüber alle Oppoſiſ-
tionsparteien in einen Schrei des Unwillens ausbrachen.

Franukfurt, 5. April. Heute Abend gegen 6 Uhr
ſtürzte plötzlich der Strebepfeiler an der Maiubrücke
zuſammen, welcher ſich vor einigen Tagen bei der ho-
hen Fluth schon einige Zoll breit von der Brücke losgelöſt
hatte. Die Brücke ſselbſt iſt nicht im Geringsten beschädigt.

In dem Artikel von Bielefeld in vor. Nr., vorletzte

Zeile, lies verhöhnen ſtatt verſöhnen.

Der Schneesturm.

Die Geschäfte ze ZU:! Laurhalitts waren
an dem Abende, deſſen Geſchichte wir zu erzählen





im Begriff ſind, alle beendet. Der kleine langhaa-

rige Klepper, welcher einen Schlitten mit den Brenn-
materialien, an deren Flammen ſich jetzt die Hüt-
tenbewohner erwärmten, hereingezogen hatte, und
die kleine hochländiſche Kuh, deren Milch großtens-
theils den Lebensunterhalt dieser genugſamen Land-
leute ausmachte, jlanden jetzt friedlich zuſammen
unter dem Schuge eines ſchlechten Schuppens, wel-
cher zugleich Scheuer, Pferde=z, Kuh= und Hühs-
nerflial war. Im Innern des Hauſes horte man
die Wanduhr in ihrem alten eichenen, von der
Flamme des Feuers freundlich beleuchteten Gehäuſe
traulich picken, und in der Mitte des Zimmers er-
blickte man einen kleinen, runden, mit einem ſchneez
weiſjen Tuche bedeckten Tiſch. auf welchem ſich eine
Schaale mit Milch und cinige Haferkuchen, das
Morgen=, Mittags- und Abend=Mahl dieſer frux-
qalen und zufriedenen Steppenbewohner, befanden,
Die Spaten und die Hacken waren ſorgfaltig in
cinem Winkel zuſsammengeflellt; ein Beweis , daß
die Arbeiten der Woche geſchloſſen und der nächſt-
folgende Tag ein Sonntag sei; wahrend man auf
dem hohen Kamingeſsimſse eine oſſene, dem Fami-
liengottesdienſte geweihte Bibel erblickte.

Vater und Mutter saßen nebeneinander ohne die
Lippen zu öffnen, allein ihre Herzen ſlrömten von
Glückſeligkeit uber, denn an diesem Abend erwar-
teten ſie jeden Augenblick, die Hand ihrer einzigen
Tochter, eines Mädchens von fünfzehn Jahren,
welche bei einem Pächter jenseits der Berge im
Dienſle ſtand, auf der Thurklinke zu hören. Dies
ſts zärtliche und gehorſame Kind war jetzt, wie ſie
wußten, auf dem Wege, um ſeinen mühevoll er-
worbenen Lohn in die Hande ſeiner theuern Altern,
die es über alles lichte, niederzulegen. Der ganze
Betcag des jahrlichen Gehaltes der lieblichen Hans
nah Lee üuberſtieg nicht vierzig Schilling, allein
obgleich sie bei ihrer Arbeit einen Schildkrötenkamm
in ihrem goldgelben Haare trug und in der Kirche
stets geschmackvoller gekleidet war, als alle die übri«
gen jungen Mädchen, ſo wurde doch mehr als die
Hälfte ihres ganzen kleinen Einkommens dem hei-
ligflen aller Zwecle geweiht, und ihr liebevolles,
unſchuldiges Herz fuhlte ſich von der lebhafteſten
Freude bewegt, wenn ſie die kleine Börse betrach-
tete, welche an dem ungeduldig erwarteten Sonn-
abend Abend aus ihrem Buſen gezogen und mit
ihren Segnungen in die Hände ihres durch unun-
terbrochene und angeſtrengte Arbeit jetzt ſchnell al-
ternden Vaters gelegt werden ſollte,

(Fortſepung folgt.)


 
Annotationen